DAV-Expeditionskader startet mit neuem Konzept und neuen Gesichtern

19. April 2023 - Bei einem Sichtungscamp im Allgäu haben sich im April zwölf junge Alpinisten für den neuen DAV-Expedkader der Männer qualifiziert. Das seit über 20 Jahren bestehende Ausbildungsprogramm geht mit einem verbesserten Konzept in die nächste Runde: Der Leistungsdruck soll sinken, das Risikobewusstsein soll im Mittelpunkt der Ausbildung stehen.

Mit mehr Risikobewusstsein und weniger Leistungsdruck

Junge Menschen fit zu machen für ambitionierten Alpinismus ist seit jeher das Ziel des DAV-Expedkaders. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben allerdings gezeigt, dass die Athleten – oftmals aus individuell empfundenem Leistungsdruck – hohe Risiken eingehen, um sich zu beweisen oder profilieren. In enger Zusammenarbeit mit Bergführer*innen, Trainer*innen und Sportpsycholog*innen hat der DAV deshalb ein aufwändiges und komplexes Konzept entwickelt. Philipp Abels, im DAV zuständig für den Expedkader, steht voll dahinter: „In Wettkampfdisziplinen ist die Kaderzugehörigkeit extrem stark leistungsbedingt. Diesen Druck wollen wir beim Bergsteigen nicht haben. Denn beim Alpinismus gehören Abwarten und Umdrehen einfach dazu“.   

Regenbogen in Grönland während der Abschlussexpedition 2022. Foto: Thomas März/www.bergundbild.de

Vier Säulen des neuen Konzepts

  • Das Sichtungscamp findet im Allgäu statt in Chamonix statt. So können die Aspiranten auf überschaubaren Touren das Beste geben. Auf den großen Touren in Chamonix haben die Hochgebirgsatmosphäre und die entsprechenden Verhältnisse Druck und Risiko gesteigert.

  • Bei diesem Sichtungscamp wird ein erweitertes Team mit zwölf Personen ausgewählt. Früher wurde bei der Sichtung direkt ein Kader von sechs Personen bestimmt. So gibt man einem größeren Teilnehmerfeld die Chance, dabei sein zu können. Außerdem kommt die Kompetenz von Deutschlands Top-Trainer*innen und Bergführer*innen mehr Jung-Alpinisten zugute, da im ersten Jahr mehrere gemeinsame Ausbildungs- und Trainingscamps stattfinden.

  • Erst am Ende des ersten Jahres wird die Auswahl des sechsköpfigen Expedkaders getroffen. So wird gewährleistet, dass Erfahrungen zu Alpinpotenzial, Stressresilienz und Risikobewusstsein dieses gesamten Zeitraums in die Beurteilung einfließen. Auch die Bearbeitung von organisatorischen Aufgaben oder soziale Faktoren werden bei der Entscheidung berücksichtigt. Auch dies soll dazu beitragen, Druck durch zu viel Leistungsorientierung zu mindern.

  • Es entsteht parallel zum Expedkader ein neuer Perspektivkader. Dieser besteht aus den restlichen sechs Personen, die zu erweiterten Trainings eingeladen werden können oder nachrücken, wenn ein Platz im Expedkader frei wird – eventuell sogar für die Abschlussexpedition. So wird gewährleistet, dass keine freien Plätze z.B. durch krankheitsbedingte Ausfälle übrig bleiben, sondern so viele Personen wie möglich vom Angebot profitieren können.

„Nachhaltige Aufbauarbeit für ein erfolgreiches und möglichst gesundes Athletenleben“ nennt Trainer Christoph Gotschke als Kern dieses neuen Konzepts. Wird sich das Konzept während der Kaderlaufzeit des Männerteams bewähren, soll es auch für das nächste Frauenteam angewendet werden, das 2024 ausgewählt wird.

Das sind die neuen Gesichter 

Das diesjährige Sichtungscamp fand Ende März in der DAV-Jugendbildungsstätte in Bad Hindelang statt. 15 junge Männer zwischen 19 und 25 Jahren nahmen an diesem Auswahlprozess für das erweiterte Team teil. Zwölf Personen qualifizierten sich nach sechs Tagen Indoorklettern, Felskletterei, Berglauf und klassischen Teambuidling-Maßnahmen für das erweiterte Team des DAV-Expeditionskaders. Trainer Gotschke ist glücklich darüber, „dass wir nicht sechs Personen rausfiltern mussten, sondern dass jetzt so viele eine echte Chance haben, weiterzukommen – denn es waren alles super Leute.“ Auch die jungen Alpinisten freuen sich auf diese besondere alpine Ausbildungszeit. Josef Vögele aus Garmisch-Partenkirchen: „Ich hoffe, dass ich mich alpinistisch gut weiterbilden kann auf ein hohes Niveau, so dass ich auch sicher unterwegs bin und es lange machen kann.“

Das ist das neue Team:

  • Florian Frank (DAV Bad Aibling)

  • Josef Vögele (DAV Garmisch-Partenkirchen)

  • Michael Ruthingsdorfer (DAV Eichstätt)

  • David Schneider (DAV Rosenheim)

  • Matthias Able (DAV Dingolfing)

  • Leon Schaake (DAV Freiburg)

  • Jonas Fertig (DAV Rosenheim)

  • David Voderholzer (DAV Prien am Chiemsee)

  • Hannes Tegethoff (DAV Reutlingen)

  • Luis Funk (DAV München-Oberland)

  • Emil Schäuffele (DAV Ludwigsburg)

  • Leon Luber (DAV München-Oberland)

Das sind die 12 neuen Teammitglieder. Fotos: DAV/Philipp Abels

So wird das erste Kaderjahr aussehen 

Das erste Camp im Mai in der Pfalz steht im Zeichen des Tradkletterns; Chamonix oder das Wallis werden im Sommer die nächsten Stationen sein. Und im September stehen die Dolomiten mit großen und anspruchsvollen Wänden auf dem Plan. Themen wie Erste Hilfe und behelfsmäßige Bergrettung werden ebenfalls vermittelt werden.

Und dann steht die Aufteilung in Expedkader und Perspektivkader an. Christoph Gotschke sieht darin kein Problem: „Für den Expedkader muss man sich voll reinhängen. Das passt nicht in jede Lebensplanung, und der ein oder andere wird das vielleicht für sich feststellen.“ Er freut sich jedenfalls, dass im ersten Jahr alle von den Trainings profitieren können und dass das System durchlässig bleiben wird. „Das Konzept ist zielführend, und ich hab Bock, das Team von Grund auf aufzubauen, zusammen mit den Trainerkollegen.“

Der Expedkader war für seine Abschlussexpedition in Grönland. Foto: DAV/Expedkader

Frauenteam: auf der letzten Meile 

Das Expedkader-Frauenteam wird in diesem Jahr seine Abschlussexpedition durchführen. Als Ziel wurde Grönland ins Auge gefasst, wie es auch das letzte Männerteam 2022 getan hat; die letzten Entscheidungen und Feinheiten zur Planung waren ein Thema des aktuellsten Trainingscamps. Die Wände des Verdon in Südfrankreich nutzten sie, um nochmal Bigwalltechniken zu perfektionieren, Seilmanagement und Haulen zu trainieren und mit dem Portaledge in der Wand zu biwakieren. Trotz Wetterkapriolen gelangen einige anspruchsvolle Freikletterklassiker wie La fête des nerfs (280 m, 7a), Les rideaux de Gwendal (250 m, 7b), Via Mathis (360 m, 7c) oder der überbreite Riss L'Estamporanée (200 m, 6c) – die Übernachtung im Portaledge gab den Unternehmungen einen speziellen Touch. Ein Trainingscamp in Chamonix steht vor der Abschlussexpedition an. Das Team hofft, dort im Juni noch brauchbare Eisverhältnisse vorzufinden.

Der DAV-Expedkader wird unterstützt von Mountain Equipment, Edelrid und Katadyn.

Service für die Presse