Klimawandelfolgen für den Bergsport

Der Gletschersturz an der Marmolata, Hochtourenrouten, die wegen Felssturz- und Steinschlaggefahr gesperrt werden, Hütten, die wegen Wassermangel schließen müssen, und Wintermonate, in denen immer weniger Schnee fällt – es ist deutlich, welche konkreten Auswirkungen die Klimakrise auf den Alpenraum hat. Die Klimakrise passiert nicht nur in der Zukunft – auch jetzt sind bereits einige fatale Folgen spürbar. Was bedeutet das für den Bergsport?

Gletscherabbrüche sind eine klassische Auswirkung des Klimawandels. Foto: DAV/Karl Dörnemann

Gesteinsbewegung als Klimawandelfolge in den Alpen

Lässt sich der Gletscherabbruch an der Marmolata mit dem Klimawandel erklären – und drohen ähnliche Ereignisse nun häufiger? Ja, das ist eine klassische Auswirkung des Klimawandels. Der Gletscher hat sich zurückgezogen, ist wegen der extremen Hitze im Sommer geschmolzen und dünner geworden. Das Schmelzwasser des Gletschers hat den sehr steilen Hängegletscher unterhöhlt, dieser Teil brach ab. Ein solches Event in der Dimension ist neu in den Alpen, aber es wird wohl kein Einzelfall bleiben. Kann man solche Events vorhersagen? Die Gletscher sind in allen Alpenländern gut überwacht. An Stellen, an denen man von einem Eis- oder Felssturz ausgehen kann, finden Messungen statt, sie werden durch Satelliten überwacht. Aber eine genaue Vorhersage bleibt schwierig bis unmöglich, selbst wenn man weiß, dass der Gletscher instabil ist. Pauschale Sperrungen von Gletschern oder Bergen sind schwierig umzusetzen. Im Gelände sind grundsätzlich alle eigenverantwortlich unterwegs, man muss die alpinen Gefahren kennen und entsprechend handeln. In Einzelfällen wie zum Beispiel am Hochvogel im Allgäu kommt es zu Wegsperrungen, die auch nicht in vollem Ausmaß kontrolliert werden können. Der Gipfel des Hochvogels droht auseinanderzubrechen. Wann genau das sein wird, kann aber niemand voraussagen.

Häufig ist der Skibetrieb nur durch Schneekanonen möglich. Foto: DAV/Thomas Bucher

Temperaturanstieg in den Alpen deutlich höher als im globalen Mittel

Im Alpenraum wirkt sich der Klimawandel wegen der großen Höhenunterschiede zwischen Tälern und Gipfeln stärker aus als im globalen Mittel. So stieg in den Ostalpen die Temperatur in den letzten 100 Jahren um knapp 2 °C an, global waren es nur ca. 0,8 °C. Auch die Prognosen für die kommenden 50 Jahre sagen für die Alpen eine deutlich höhere Erwärmung voraus. Sie gehen von weiteren + 1,4 °C bis 2050 und von weiteren + 3 bis + 5 °C bis Ende des Jahrhunderts aus. Einige Folgen dieser Veränderung sind in den Alpen besonders deutlich sichtbar: Gletscherschmelze, Steinschlag, Fels- und Bergstürze und Starkniederschläge mit Überschwemmungen und Muren, andere etwas weniger: der Anstieg der Vegetationsgrenze, tauender Permafrost, verändertes Verhalten der Fauna. Diese Veränderungen in den Alpen sind nachweislich in einen Zusammenhang mit der Erderwärmung zu bringen.

Gefährdete alpine Sicherheit durch den Klimawandel

Die Permafrostgrenze hat sich in den letzten hundert Jahren um 150 bis 200 Höhenmeter nach oben verschoben, das heißt bislang fest verbundene Gesteine unterschiedlicher Größenordnungen können sich nun lösen und herabstürzen. In den letzten Jahren wurden vermehrt große Felsstürze beobachtet, wie 2022 am Cosmique-Grat oder auch Bergstürze wie 2017 am Piz Cengalo, wo ein hausgroßer Felsbrocken auf eine Kuhherde fiel.

Altbekannte Gefahren wie Steinschlag treten aufgrund auftauenden Permafrosts in neuer Dimension und Häufigkeit auf. In die Felsspalten eindringendes Wasser dehnt sich beim Gefrieren aus, sprengt und lockert das Gestein, beim Auftauen verlieren die gelockerten Materialien ihren Halt.

Steinschläge werden meistens durch den Wechsel von Frost und positiver Temperatur oder von starken Schwankungen der Temperatur und/oder der Sonneneinstrahlung ausgelöst.

Im Alpenraum gehören extreme Niederschläge und ihre Folgen zu den bedeutendsten Naturkatastrophen, wenn man die von ihnen verursachten Schäden betrachtet. Die Häufigkeit starker Niederschläge hat in den letzten hundert Jahren zugenommen. Der Grund dafür ist, dass eine wärmere Atmosphäre wesentlich mehr Wasser aufnehmen und transportieren kann. Dies führt dazu, dass Trockengebiete noch trockener werden, während in unseren Breiten die Niederschlagsmengen weiter zunehmen. Dieser Trend wirkt sich nicht in jeder Jahreszeit gleich aus. Im Winterhalbjahr wird das Wasser immer weniger als Schnee gebunden sein und damit abfließen, im Frühjahr werden durch die geringere Schneeschmelze die Flüsse weniger Wasser führen. Im Sommer und Herbst kommt es zu langen, heißen Trockenphasen, aber auch zu heftigen Gewittern und Platzregen wie 2020 in der Schweiz mit teilweise mehr als 400 Litern Niederschlag pro Quadratmeter pro Tag. Folgen solcher Starkregenfälle sind ebenfalls wasserreiche Schutt- und Schlammströme, sogenannte Muren. Das mit Wasser übersättigte Gesteins- und Erdmaterial löst sich und gleitet talwärts; meist geschieht dies entlang von Bachbetten. Eine Gefährdung von Bergsteiger*innen und von Wintersportinfrastruktur ist deshalb hier am ehesten gegeben.

Seilschaft am Großvenediger. Foto: DAV/Jens Klatt

Weiße Weihnachten in den Bergen?

Die Entwicklungen der vergangenen Jahre zeigen, dass weiße Weihnachten “Schnee von gestern” sind; der Schneefall – wenn er denn kommt - verschiebt sich eher auf Februar und März. Touristiker*innen müssen Alternativen schaffen und auf andere Aktivitäten ausweichen. Aktuell wird die Grundlage für den Saisonauftakt im Dezember noch mit Kunstschnee gelegt oder aus Schneedepots gespeist. Das funktioniert allerdings nur noch, wenn es kalte Nächte im Dezember gibt. Teilweise wird es im Verlauf so warm, dass der Schnee komplett wegschmilzt. Der DAV spricht sich deshalb gegen die weitere Förderung von zusätzlichen Schneekanonen, Speicherteichen und den Ausbau von Skigebieten aus. Zudem kann zu viel Kunstschnee für sehr eisige und somit gefährliche Verhältnisse sorgen und aperes Gelände abseits der Piste ist eine Gefahr, da es keinen schneegedämpften Sturzauslauf mehr gibt. Außerdem sind auch bekannte Hochtouren auf schmelzenden Gletschern nach solchen schneearmen Wintern kaum begehbar. Dort wo früher ganzjährig Firn und Schnee lagen, erschweren neue steile Moränen, schwierige Randklüfte und blanke Eisfelder das Bergsteigen. Beispielsweise an der Taschachnordwand oder in der Pallavicinirinne sind ausgeaperte Rinnen ein großes Problem. Gleichzeitig ist die sogenannte „Letztbefahrung“ aus bergsteigerischer Sicht problematisch. Zudem sind bekannte Klettertouren wie zum Beispiel der Dru durch Felsstürze konkret in Gefahr.

Schneearme Winter sind Lawinenwinter

Schneearme Winter sorgen für einen ungünstigen Schneedeckenaufbau und lassen komplexe Lawinenverhältnisse entstehen. Punktuelle Starkschneefälle führen zu großer Lawinengefahr, die auch Straßen und Siedlungen in den Alpen bedrohen. Lawinen bleiben deswegen für Bergsportler*innen sehr schwierig einzuschätzen.

Herausforderungen beim Wandern in Zeiten der Klimakrise

Die Klimawandelfolgen stellen auch Bergwander*innen und Kletter*innen in mittleren Höhen vor große Herausforderungen: Der Klimawandel bedingt auch langanhaltende Schönwetterphasen mit immer wieder neuen Hitze- und Sonnenscheindauer-Rekorden. Die Auswirkungen von hoher Temperatur und direkter Sonneneinstrahlung auf den Körper können vielfältig sein. Beim Bergsport können Sonnenbrand, Schneeblindheit, Kreislaufprobleme, Sonnenstich oder Hitzschlag auftreten. An südseitig ausgerichteten Felsen ist das Klettern nicht selten unmöglich und für vorerkrankte Personen können Wanderungen bei Hitze lebensbedrohlich sein.

Das Hochwildehaus ist bis auf Weiteres geschlossen – weil der Permafrostboden taut. Foto: DAV/Robert Kolbitsch

Klimawandelfolgen für Hütten und Wege

Wegen veränderter Temperaturen zeigen sich Niederschläge vermehrt als Regen und weniger als Schnee. Heftige Starkregenereignisse führen zu Muren und Überschwemmungen. Das betrifft oft die Wegeinfrastruktur sowie Zufahrtswege zu Hütten. Die Talstation der Seilbahn zur Geraer Hütte ist beispielsweise beeinträchtigt, weil das Tal oft von Muren betroffen ist: Die Station wurde bereits mehrmals nach einem Starkregen von Überschwemmungen und Muren getroffen. Vom tauenden Permafrost sind einzelne Hütten des DAV betroffen: Ein bekanntes Beispiel ist das Hochwildehaus, das seit mehreren Jahren wegen Schäden am Fundament geschlossen ist. Der wenig sichtbare Prozess des Permafrostrückgangs kann einen Totalschaden an alpiner Infrastruktur wie Hütten und Seilbahnen verursachen, die dann als wichtige Sicherheitsstützpunkte fehlen.

Die Natur in Gefahr: Auswirkungen auf Vegetation und Tiere

Als Folge des Klimawandels verschieben sich die Jahreszeiten im Jahresverlauf nach vorne, wodurch die vegetationsfreie Zeit im Winter immer kürzer wird. Das wiederum wirkt sich sowohl auf die Pflanzen- als auch auf die Tierwelt aus. Das Bundesamt für Naturschutz rechnet beispielsweise damit, dass sich die Vorkommen einiger Tierarten unter anderem im Alpenraum verschieben – heimische Arten, vor allem kälteliebende, könnten verschwinden: Verlierer des Klimawandels sind Arten, die als Gebirgsbewohner ein kaltes Klima bevorzugen. Damit ist die Artenvielfalt in Gefahr. Darüber hinaus leiden auch die Pflanzen der Alpen unter den steigenden Temperaturen – das sensible Ökosystem der Bergwelt ist bedroht.

Immer mehr Hütten müssen im Sommer Maßnahmen zum Wassersparen ergreifen (hier das Reichenhaller Haus am Hochstaufen). Foto: DAV/Rudolf Schicht

Wasserknappheit auf Hütten

Wasserknappheit in den Alpen ist eine weitere bedeutsame Folge der Klimakrise. Viele Hütten im Ostalpenraum mussten im Sommer 2022 Maßnahmen zum Wassersparen ergreifen; es gab kaum eine Hütte, die keine Probleme hatte. Durch weniger Schnee im Winter gibt es weniger natürliche Wasserspeicher und auch kleinere Niederschlagsmengen und lange Trockenperioden im Sommer führen dazu, dass die Speicherkapazitäten der Hütten ausgeschöpft werden. Die entstehende Wasserknappheit hat Auswirkungen auf die Wasserverfügbarkeit, zum Beispiel für die Toiletten, und bei Hütten, die ihre Energie mit einem Wasserkraftwerk erzeugen, auf die zur Verfügung stehende Energie. Das abnehmende Trinkwasserangebot hat zur Folge, dass Wassersparmaßnahmen ergriffen werden müssen. Das kann beispielsweise der Einbau von Spararmaturen oder automatische Abschaltung von Wasserhähnen im einfachsten Fall, aber auch die Sperrung von Duschen oder die Umrüstung auf Trockentoiletten zur Folge haben. In Trockentälern nimmt auch die Konkurrenz zwischen der Landwirtschaft, dem Tourismus und der privaten Wassernutzung zu. Gletscherflüsse werden im Sommer bis zu 80 Prozent aus der Schmelze gespeist. Wenn kein Nachschub mehr kommt, sieht es schlecht um den Wasserstand aus.

Wie sind Bergsport-Ausbildungen betroffen?

Bergführer- und DAV-Trainer*innenausbildungen sind natürlich von den Folgen des Klimawandels betroffen. Die Kurszeiten der Bergausbildungen werden verschoben, beispielsweise vom Sommer in den Spätwinter, um mit möglichst sicheren Bedingungen rechnen zu können. Dabei wird gutes Ausbildungsgelände immer rarer und einige Einsätze gefährlicher. Natürlich kommt es infolgedessen zu häufigeren Absagen aufgrund unpassender Verhältnisse.