Ausbau Wasserkraftwerk Kaunertal

Ein geflutetes Hochtal und vier abgeleitete Bergflüsse - das Resultat der Pläne der Tiroler Wasserkraft AG (TIWAG) zum Ausbau des Speicherkraftwerks im Kaunertal. Gemeinsam mit dem WWF setzt sich der DAV gegen den Ausbau des Kaunertalkraftwerks und für eine naturverträgliche Energiewende ein! Jetzt Petition des WWF unterschreiben!

Verfahren für Kraftwerk Kaunertal verzögert sich

Bei den Plänen zum Ausbau des Wasserkraftwerks Kaunertal scheint es noch Nachbesserungsbedarf zu geben. Die eigentlich für Ende Juni 2023 geplante öffentliche Auflage der Pläne wurde verschoben.

Eigentlich wäre es am 16. Juni 2023 so weit gewesen: die Umweltbehörde des Land Tirol plante die öffentliche Auflage der umfangreichen Unterlagen und Pläne für die Kraftwerkserweiterung im Kaunertal und Platzertal. Das wäre der Startschuss gewesen für ein jahrelanges rechtliches Verfahren, um die Umweltverträglichkeit dieses Vorhabens festzustellen.

Start des UVP-Verfahrens verzögert

Überraschenderweise kam es nicht zum geplanten Verfahrensstart: es besteht wohl noch Nachbesserungsbedarf an den Unterlagen und Gutachten, um die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zu starten. Die Unterlagen sind noch nicht vollständig und es ist nun frühestens im Herbst 2023 mit dem Beginn des UVP-Verfahrens zu rechnen.

Große Demo gegen Kraftwerkspläne

In der Zwischenzeit hegt sich immer mehr Widerstand und Unmut gegenüber diesem massiven Eingriff in die teils hochalpine Natur und Landschaft. Im Juni versammelten sich mehr als 600 Menschen in Innsbruck auf der WET (Wildwasser Erhalten Tirol) gegen den geplanten Ausbau des Kraftwerks. Ein klares Zeichen für den Erhalt der Ötztaler Ache, hochsensibler Lebensräume und Moore im Platzertal.

Die TIWAG plant den großflächigen Ausbau des bestehenden Wasserkraftwerks im Kaunertal (Gepatschspeicher). Dabei soll das Platzertal zu einem Speichersee aufgestaut werden für den Betrieb eines Pumpspeicherkraftwerks. Zudem würden vier Wildflüsse im Ötztal - darunter Venter Ache und Gurgler Ache - durch Wasserfassungen abgeleitet und unterirdisch in den Gepatschstausee geleitet werden.

Geplante Maßnahmen für den Ausbau des Wasserkraftwerks im Ötztal, Kaunertal und Platzertal. Quelle: WWF

Pumpspeicher Platzertal

Das bislang nahezu unberührte Hochtal soll mit einem 120 Meter hohen und 450 Meter breiten Staudamm bis auf eine Höhe von etwa 2300 Metern geflutet werden. Der resultierende Speichersee hätte eine Länge von ca. 1,5 Kilometern und ein Volumen von 42 Millionen Litern Wasser. Damit könnte man zum Beispiel die Allianzarena in München 14 Mal randvoll füllen. Im Platzertal gehen intakte Ökosysteme und 6,3 Hektar an Moorflächen dauerhaft verloren.

Venter Ache: hier soll bis zu 80 Prozent des Wassers abgeleitet werden. Foto: DAV/Franz Güntner

Ableitung von Gurgler Ache und Venter Ache

Durch den Ausbau sollen aus vier ökologisch hochwertigen Alpenflüssen (Ferwallbach, Königsbach, Venter Ache, Gurgler Ache) im Ötztal bis zu 80 Prozent des Abflusses entnommen werden und in einem 23 Kilometer langen unterirdischen Stollen in den Gepatschstausee abgeleitet werden. Die beiden Alpenflüsse Gurgler Ache und Venter Ache müssten zudem mit 25 Meter hohen Staumauern auf eine Länge von circa 500 Metern aufgestaut werden.

Zahlen & Fakten in Kürze

  • Staudamm und Stausee im Platzertal: 120 Meter hoch, 450 Meter breit, 42 Million Kubikmeter Fassungsvolumen

  • Wasserfassungen an Ferwallbach, Königsbach und Gurgler Ache bei Obergurgl

  • Wasserfassung an Venter Ache unterhalb von Vent

  • Bis zu 80 Prozent weniger Wasser im Ötztal als Folge der Ausleitung von vier Gebirgsbächen und -flüssen

  • Verlust von 6,3 Hektar Moorflächen im Platzertal

  • Drei alpine Täler betroffen: Kaunertal, Ötztal, Platzertal

Gravierende Auswirkungen auf großer Fläche

Das Vorhaben soll einen signifikanten Teil zur Energiewende beitragen. Der DAV befürwortet den Ausbau erneuerbarer Energien für eine rasche Energiewende zur Erreichung der dringend nötigen Reduktion unserer Treibhausgasemissionen und der Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels.

Aufgrund der massiven, irreversiblen und flächenhaften negativen Auswirkungen auf die alpine Landschaft, die Biodiversität, alpine Lebensräume und den Wasserhaushalt ist dieses Vorhaben jedoch kein Beispiel für eine naturverträgliche Energiewende.

  • Zerstörung des Flusslebensraums am Inn durch Schwall-Belastung: Der Gepatschstausee ist ein Speicherkraftwerk, d.h. mehrmals am Tag wird Wasser bei Strombedarf schlagartig in den Inn abgelassen zur Stromerzeugung. Dadurch kommt es zum schlagartigen Anstieg und Abfall des Wasserspiegels. Dieser sog. Schwall-Sunk-Betrieb zerstört Lebensräume und lässt Fische sprichwörtlich auf dem Trockenen liegen.

  • Zerstörung des Flusslebensraums im Ötztal: Venter Ache, Gurgler Ache und somit auch die Ötztaler Ache werden bis zu 80 Prozent weniger Wasser führen. Somit reduziert sich der Flusslebensraum dramatisch. Sogenannte "Sanderspülungen" zerstören die Lebensräume: Gurgler Ache und Venter Ache würden über eine Länge von 500 Metern aufgestaut werden und somit zu einem Stillgewässer gemacht. Diese Staubecken und Wasserfassungen müssen regelmäßig von Sanden und Geschiebe (Steine, Blöcke) frei gespült werden. Diese Sanderspülungen gehen in Form von kleinen Flutwellen ins Tal, zerstören die darunter liegenden Lebensräume und sind eine Gefahr z.B. beim Wildwassersport.

  • Wasserknappheit verschärft sich dramatisch: Aktuell sind in den Sommermonaten 60 bis 80 Prozent des Abflusses in Venter und Gurgler Ache auf Schnee- und vor allem Gletscherschmelze zurückzuführen. Bereits in den nächsten 10 bis 20 Jahren wird sich diese sommerliche Wassermenge reduzieren. Bis Mitte des Jahrhunderts sind die Ötztaler Gletscher großteils abgeschmolzen und die sommerliche Wassermenge wird gänzlich ausbleiben. Wie der Sommer 2022 bewiesen hat, kann es durch den Klimawandel bereits heute zu Engpässen in der Wasserverfügbarkeit kommen. Die Ableitung von bis zu 80 Prozent des Wassers aus dem Ötztal wird diese Problematik extrem verschärfen.

  • Verlust von Lebensräumen und der Artenvielfalt: Im einzigartigen und naturbelassenen Platzertal würden wertvolle Moorlandschaften in der Größe von 6,3 Hektar (knapp neun Fussballfelder) für immer verschwinden. Damit gehen ein wichtiger CO2-Speicher und einzigartige Lebensräume verloren.

Standort der geplanten Staumauer: Im Platzertal würden Moorflächen, ein mäandrierender Wildbach und wertvolle Ökosysteme geflutet. Foto: DAV/Franz Güntner

Alpenverein und Umweltverbände fordern Stopp des Ausbaus - Petition online!

31 Umweltschutzorganisationen - darunter auch der Deutsche und Österreichische Alpenverein - sowie elf Wissenschaftler*innen haben sich in der Kaunertal Erklärung 2022 gemeinsam mit folgenden Forderungen klar gegen dieses Vorhaben positioniert:

  • Stopp des Ausbauprojekts Kraftwerk Kaunertal

  • Umfassender Schutz der letzten ökologisch intakten Alpenflüsse

  • Erhalt alpiner Naturlandschaften wie des Platzertals

  • Eine naturverträgliche Energiewende unter Einbezug weiterer Quellen erneuerbarer Energien

  • Behebung der Belastungen bestehender Wasserkraftwerke