Kletterhallen-Unfallstatistik 2022

Nachdem in den Jahren 2020 und 2021 keine ausführliche Kletterhallenunfallstatistik erstellt wurde – die Daten waren aufgrund der Einschränkungen von Corona stark verzerrt – stellen wir für das Jahr 2022 wieder eine detailliertere Übersicht zu Unfallereignissen in Kletter- und Boulderhallen vor.

Die Zahl, der von DAV und KLEVER betreuten Mitgliedshallen beträgt zurzeit etwa 250 und deckt somit die Mehrheit der Kletteranlagen in Deutschland ab.

Es werden lediglich Unfälle erfasst, bei denen ein Rettungsdiensteinsatz erfolgte, da in diesen Fällen meist eine recht gute Datenbasis vorzufinden ist. Weiterhin ist leider immer noch von einer Dunkelziffer auszugehen, da nicht alle Hallen ihre Unfälle melden.

Unfälle mit Rettungsdiensteinsatz

Insgesamt wurden 210 Unfälle erfasst, davon 160 beim Bouldern, 39 beim Seilklettern und 11 Sonstige (Trainingsbereich, Spielen etc.)

Unfälle 2022 in Kletterhallen des DAV und Klever mit Rettungsdiensteinsatz Quelle: DAV Sicherheitsforschung

Verletzte Körperregionen

Schaut man sich die Verteilung der verletzten Körperregionen an, wird klar, dass der Hauptanteil beim Bouldern Bein- und Armverletzungen sind. Bei den insgesamt seltener auftretenden Seilkletterunfällen ist der Anteil der Beinverletzungen am größten, gefolgt von oft schwereren multiplen Verletzungen.

Die Anteile der verletzten Körperregionen der Unfälle beim Seilklettern (n=39) sowie Bouldern (n=160) Quelle: DAV Sicherheitsforschung

Unfallgeschehen beim Bouldern

  • Der Hauptanteil der Boulderunfälle machen die Mattenstürze aus (85%). Anprall-(4%) und Sportverletzungen (9%) sowie Sonstige (2%) sind seltener.

  • Es wurden keine Verletzungen im Zusammenhang mit Kollisionen (andere Personen) gemeldet.

  • Anzahl der Extremitätenverletzungen (Arme & Beine) sehr hoch (84%)

Tipp: Durch gesunde Selbsteinschätzung, Aufwärmen sowie Abklettern, kann die Gefahr von Verletzungen gesenkt werden. Gerade größere Sturzhöhen bei gleichzeitig unkontrolliertem Abrutschen bergen ein hohes Verletzungsrisiko. Falls die Möglichkeit besteht ist eine Reduzierung der Absprunghöhe immer anzuraten – gerade Verletzungen nach kontrolliertem Absprung vom Top sind unnötig und vermeidbar.

Unfallgeschehen beim Seilklettern

Verteilung der Unfälle beim Seilklettern Quelle: DAV Sicherheitsforschung

Die meisten der 39 Unfälle passierten beim Vorstiegsklettern (67%), gefolgt von Ablassen (15%) und Toprope (8%). Neu mit aufgenommen ist das Klettern an Selbstsicherungsautomaten mit 4 Fällen (10%).

Unfallausgang der 39 Seilkletterunfälle 2022 Quelle: DAV Sicherheitsforschung
  • Von 39 Seilkletterunfällen waren fast die Hälfte Bodenstürze (49%).

  • Verletzungen durch Anprall an der Wand (n=10) werden meist durch unkontrollierte Stürze in Kombination mit zum Teil nicht idealem Sicherungsverhalten hervorgerufen, in den meisten Fällen erlitt dabei die kletternde Person Verletzungen. In einem Fall wurde die Sichernde durch harten Anprall an der Wand schwer verletzt.

  • Bei der Hälfte der Kollisionen (n=6) waren Dritte betroffen, bei zwei weiteren Fällen erlitten jeweils sichernde Personen nicht unerhebliche Verletzungen – Ereignisse solcher Art gehen oft mit Kopf- sowie Verletzungen der Wirbelsäule einher.

Bodenstürze

Ein genauerer Blick auf die 19 Bodenstürze

  • 11 Bodenstürze passierten beim Vorstieg

  • 72% der Bodenstürze im Vorstieg passierten zwischen der 5. und 7. Exe.

  • Vier der Bodenstürze ereigneten sich bei einem geplanten Sturztraining. Zu geringer Bodenabstand, fehlende Hintersicherung oder schlechte Kommunikation sind häufig Probleme bei Unfällen während eines Sturztrainings. Fehlerquellenanalyse und Empfehlungen für ein schrittweises Herangehen an Sturztrainings gibt es in diesem Artikel der DAV Sicherheitsforschung.

  • Bei vier der Bodenstürze ist bekannt, dass die sichernde Person Handverbrennungen davon trug.

  • Vier der Bodenstürze geschahen beim Ablassen, dieser Anteil ist im Vergleich zu den Vorjahren geringer

  • Bei einem Unfall löste sich beim Setzen in das Seil der Knoten, es handelte sich um einen Einbindefehler, der wahrscheinlich mit einem korrekten Partnercheck entdeckt worden wäre.

  • Vier weitere Bodenstürze geschahen im Bereich von Selbstsicherungsautomaten. Bei allen gemeldeten Unfällen war das Nicht-Einhängen in das System ursächlich für den Bodensturz

Klettern an Selbstsicherungsautomaten Zeichnung: Georg Sojer

Selbstsicherungsautomaten

Die Benutzung von Selbstsicherungsautomaten erfordert ein sehr hohes Maß an Aufmerksamkeit, bei allen vier Unfällen (3 schwerverletzt, 1 tödlich) war das Nichteinhängen des Systems ursächlich für den Bodensturz. Weitere Fälle mit demselben Unfallmuster, die nicht in diese Statistik eingeflossen sind, sind bekannt.
Besonders heikel beim Klettern am Selbstsicherungsautomaten ist der fehlende Partnercheck.

Der DAV hat ein Video veröffentlicht zum Thema, was bei der Benutzung von Selbstsicherungsautomaten beachtet werden sollte (Video: Klettern mit Selbstsicherungsautomaten).

Sicherungsgeräte

Unfälle beim Seilklettern sind häufig auf fehlerhaftes Sicherungsverhalten zurückzuführen.

Die Verteilung der Sicherungsgeräte in DAV & Klever Kletterhallen (n=2092, Erhebung an 4 Tagen in mehreren großen deutschen Kletterhallen Quelle: DAV Sicherheitsforschung

Verbreitung von Sicherungsgeräten in DAV & Klever Kletterhallen

Die Verteilung der Unfälle bezogen auf die verwendeten Geräte, bei denen von einem Sicherungsfehler ausgegangen wird, entspricht in etwa der erhobenen Geräteverteilung der Hallenbesucher.

Bedienfehler können demnach mit jedem Sicherungsgerät auftreten.

Typische gerätespezifische Unfallmuster

  • Ablassen
    Insgesamt gab es 4 Ablassunfälle mit einem Grigri, die 2-mal in einem Bodensturz sowie 2-mal in einer Kollision resultierten. Bei einem der Fälle wurde das Seil falsch eingelegt, bei den anderen 3 Fällen wurde der Ablasshebel zu schnell gezogen und das Bremsseil nicht kontrolliert

  • Vorstieg
    Bei 2 Fällen mit dem Megajul wurde genau im Moment des Reinsetzens das Bremshandprinzip verletzt und in der Seilausgebeposition verharrt, beide Fälle resultierten in einem Bodensturz. Auch mit anderen Halbautomaten ist dieses Unfallmuster aufgetreten.

Eine ausreichende Schulung sowie Übungszeit und das Kennen der Grenzen des jeweiligen Sicherungsgeräts sind für gutes und unfallfreies Sichern zwingend erforderlich!

Unfallrisiko

Nach einer Stichprobenberechnung wurden das Unfallrisiko pro 1000 Stunden Sportausübung berechnet (6 Hallen, Eintritte 390.000 Klettern, Bouldern 188.000) Demnach ist das Risiko eine Verletzung im Vergleich zu anderen Sportarten gering, beim Bouldern jedoch 26 mal höher als beim Seilklettern

  • Bouldern: 0,40 Unfälle je 1000 Stunden Sportausübung

  • Klettern 0,015 Unfälle je 1000 Stunden Sportausübung

Die Kletterhallenunfallstatistik 2022 kann hier als PDF runtergeladen werden.