Wenn's am Berg noch dunkel ist

Laternen

Der altbekannte Ratschlag, zu einer Bergtour möglichst früh am Morgen aufzubrechen und das Wetter nicht aus den Augen zu lassen, galt für die Bergsteigerinnen und Bergsteiger vor über hundert Jahren genauso wie für die Sportler*innen heute. Doch das dafür notwendige künstliche Licht, das heute jede*r in Form einer kleinen LED-Lampe unproblematisch bei sich tragen kann, stellte die frühen Alpinist*innen vor große Herausforderungen.

Laternen aus der Sammlung des Alpinen Museums, wohl 1880er bis 1940er Jahre. Foto: Johannes Erichsen/DAV

Nur eine Laterne, eine Fackel oder ein brennender Kienspan konnten helfen. Anschaulich beschreibt dies Hermine Groß-Kmoch in ihrem Reisetagebuch von 1872:

„Unter wahrhaft rembrandtscher Beleuchtung begannen wir nun westlich von der Hütte über Gerölle u Blöcke [...] gegen das Schlatenkees […] zu wandern, voran Raneburger, in der hocherhobenen Rechten ein großes, flammendes Bündel Zirbenspäne – dann ich u die Andern in bunter Reihe zwischen ihnen Mariacher mit einer 2ten Fackel die jedoch bald verlöschte.“[1]

Auch eine einfache Stall- oder Handlaterne konnte helfen, doch waren diese meist sperrig, schlecht im Rucksack zu verstauen und wegen der Glasscheiben zerbrechlich. Es galt daher, eine Laterne zu entwickeln, die den besonderen Anforderungen eines Bergsteigers besser entsprach. Ein eifriges Bemühen um die Lösung des Problems, eine leichte und möglichst platzsparende Laterne zur Verfügung zu haben, setzte ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein.

1885 wurde in Wien eine zusammenfaltbare, durch die Verwendung von Glimmerscheiben (Schichtsilikat) sehr leichte Laterne angeboten. 1889 warb eine Nürnberger Firma für eine aus feuerfest imprägniertem Stoff hergestellte Laterne, die aber zu windanfällig und weiterentwicklungsbedürftig war.

In München gab es für die Bergsteiger*innen zwei Adressen, wo sie sich mit Ausrüstungsgegenständen und eben auch Laternen versorgen konnten. Wohl schon 1863 hatte der Spengler Josef Böcklein (1831 – 1899) eine „Bayr. Blech- und Metallwaaren Fabrik“ gegründet. Der passionierte Bergsteiger und Mitbegründer des TAK (Turner Alpenkränzchen) nahm vermehrt Ausrüstungsgegenstände für Bergsteiger in sein Sortiment auf. 1890 warb er neben einer von ihm entwickelten Feldflasche für eine zylindrische, sogenannte Jägerlaterne (im Foto 2. von rechts). Der Zylinder aus leichtem Glimmer wird durch eine verschiebbare Metallhülse, die auch zur Lichtregulierung dient, vor dem Zerbrechen geschützt. Der Rest einer schwarzen Kerze könnte anzeigen, dass eine sogenannte „Gewitterkerze“, die geweiht vor Unwetter und Blitzschlag schützen sollte, in der Laterne brannte.

Bergsportler und Ausrüster

1894 übernahm Böcklein den Alleinverkauf der zusammenfaltbaren Taschenlaterne „Excelsior“ für Deutschland und Österreich-Ungarn. 1897 gelang Josef Böcklein ein Durchbruch mit seiner „Blitz-Taschenlaterne“ nach dem verbesserten System des Pfarrers Peter Mantinger in Pflersch (im Foto 1. Laterne von links). Zunächst aus Weißblech hergestellt, gab es die Laterne nach 1900 auch aus leichtem Aluminium. Auf der Rückseite dieser Aluminium-Laterne (im Foto 2. Laterne von links) ist unter einer Lasche zum Anhängen an den Gürtel (hier abgebrochen) das Firmenlogo von Böcklein eingeprägt. Es zeigt den Lieblingsberg Böckleins, die Rotwand, mit der von ihm 1882 errichteten kleinen Schutzhütte unterhalb des Gipfels mit dem Tisch für ein Rundpanorama. Böckleins Firma entwickelte sich nach und nach zu einem Ausrüster mit „Specialitäten für Touristen und Jäger: Feldflaschen Laternen Kochapparate etc.“

Ein zu Böcklein durchaus in Konkurrenz stehender Ausrüster war Heinrich Schwaiger (1857 – 1902). Er hatte die von seinem Vater Josef übernommene Seilerei mit Geschäft am Rathaus am Marienplatz ebenfalls nach und nach zu einem Ausrüster für Sport und Touristik erweitert. Heinrich Schwaiger war von 1886 – 1888 Mitglied des Zentralausschusses des Alpenvereins, nach ihm wurde das Schwaigerhaus am großen Wiesbachhorn in den Tauern benannt. Nach seinem frühen Tod 1902 führte seine Witwe das Geschäft viele Jahrzehnte weiter. Hier konnte man eine faltbare “Alpenvereinslaterne“ in einem praktischen Futteral erwerben (im Foto 3. Laterne von rechts). Die Laterne ist aus dünnem Stahlblech gefertigt und gekennzeichnet mit der Eingravierung D.R.G.M. (Deutsches Reich Gebrauchsmuster), in Gebrauch bis 1945.

Baugleiche Laternen mit der Bezeichnung „DOLOMIT“ vertrieb schon die Firma Bing, die 1866 durch die jüdischen Brüder Adolf und Ignaz Bing als Großhandlung für Haushaltwaren und Blechspielzeug in Nürnberg gegründet worden war (im Foto 3. Laterne von links). Durch Federn im Boden und Deckel faltet sich diese Laterne quasi von alleine auseinander. Auf der Rückseite der Laterne ist das Firmenlogo „Gebr. Bing-AG Nürnberg“ eingeprägt, was auf einen Entstehungszeitraum um den ersten Weltkrieg verweist. Die Laterne hat nur auf zwei Seiten durch waagrechte schmale Blechstreifen stabilisierte Glimmerscheiben. Ihr feldgrau-olivgrüner Anstrich könnte anzeigen, dass sie zu den Produkten gehörte, die von Bing für den Ersten Weltkrieg produziert wurden. Die Weltwirtschaftskrise führte 1929 zum Konkurs der Firma. Der letzte Firmeninhaber aus der Familie, Stephan Bing, emigrierte 1938 nach England. Die kleine dreieckige faltbare Laterne Modell „Alpina“ (im Foto ganz rechts) wurde sowohl von Böcklein als auch von Schwaiger verkauft.

Alle vorgestellten Laternen wurden mit Kerzen beleuchtet. Verschmutzungen durch Wachs und starke Verrußungen zeigen, dass sorgfältig mit den Laternen umgegangen werden musste und der Reinigungsbedarf groß und aufwendig war.

 

Stephanie Kleidt, freie Ausstellungskuratorin

 

[1] Hermine Groß-Kmoch, Reisebericht 1872, S.17; Unveröffentlichtes Manuskript, Archiv OeAV Innsbruck