Stilfrage mal anders

Alfons Waldes "Im Aufstieg"

Das Alpine Museum schätzt sich glücklich, eines der bekanntesten Gemälde des Tiroler Schnee- und Wintersportmalers Alfons Walde (1891 - 1958) zu besitzen: Im Aufstieg, 1930.

Alfons Walde "Im Aufstieg", 1930. Foto: Alpines Museum/Wolfgang Pulfer

Der aus Oberndorf stammende und in Kitzbühel ansässige Alfons Walde erwies sich als ein bravouröser Interpret von Tiroler Alltags- und Milieuszenen, die oft nur skizzenhaft angedeutet und mit starkem Pinselduktus mit wenigen Farben akzentuiert waren. Auch seine Wintersportbilder folgten diesen Gestaltungsprinzipien. Seine für ihn charakteristischen monumental wirkenden Schneelandschaften wurden zu seinem Markenzeichen. Mehrmals schuf er Vorlagen für werbewirksame Plakate für den Wintersport und Kitzbühel. Bis heute ist die Begeisterung für seine Gemälde ungebrochen, in Auktionen und in Ausstellungen erzielen sie Höchstpreise.

Bei aller Begeisterung für das Gemälde fragen wir uns heute aber auch, welches Körperbild Waldes „Im Aufstieg“ widerspiegelt. Wie wirkt das Bild auf heutige Skifahrer*innen?

So beliebt seine Gemälde auch waren (und sind), so sehr kann Waldes Stil – besonders eben jene skizzenhafte Andeutung oder jener starke Pinselduktus – bei heutiger Betrachtung Befremden auslösen. Besonders „Im Aufstieg“ ist dafür ein ausgezeichnetes Beispiel.

Das Gemälde zeigt einen sehr weit an die untere Bildkante und damit dicht vor die Betrachter*innen gerückten Skifahrer gefolgt von einem zweiten. Sie erklimmen mit gleichen Bewegungen einen Berghang, was dem Bewegungsablauf eine besondere Dynamik verleiht. Weiter oben auf einem Schneefeld vier winzige Skifahrerfiguren.

Verzicht auf Persönliches

Knallig im Zentrum, aufgeknöpftes oder tief ausgeschnittenes Hemd, die Schultern breit, die Brust nahezu exakt in der Bildmitte. Sein Ebenbild folgt ihm im unteren linken Bildrand: derselbe Stil, derselbe Ausdruck.

Die Schneelandschaft ist reduziert auf Blau und Weiß und ohne Perspektive, die Skifahrer zeichnen sich durch wuchtige Körper aus, die rechtwinklig abgespreizten Arme vermitteln den Eindruck von Kraft und gebündelter Energie. Die Gesichter der Figuren besitzen weder Augen, Münder oder andere persönliche Merkmale. Dadurch bekommen sie etwas Formelhaftes. Dieses um 1930 entstandene Gemälde diente dem österreichischen Bundesland Tirol als Vorlage für sein erstes offizielles Werbeplakat als perfekter mondäner Wintersportort.

Formkörper, Wucht, Kraft, Energie, Gesichtslosigkeit: Der Verzicht auf Persönliches, auf jegliche Regung und jegliche Emotion reduziert die beiden Skifahrer nicht nur auf ihre Körper, sondern setzt diese Körper zugleich als Ideal.

Was sagt uns dieser Körper außer einem Schönheitsideal? In gewisser Weise artikuliert er einen Zwang, so aussehen zu müssen, um bestimmte Touren machen und damit bestimmte Erlebnisse in den Bergen haben zu können. Interessant ist daran auch, wie sich eine Linie dieser Körpersprache bis heute ziehen lässt: über Gemälde, Plakate und Magazine bis zu den heutigen Social-Media-Posts. Die Kontinuität der Bildersprache ist verblüffend – und schockierend, auch wenn die Realität am Berg eine andere ist (und war) und Körperbilder zunehmend kritisch betrachtet werden.

 

Text: Stephanie Kleidt, freie Ausstellungskuratorin

Text kursiv: Max Wagner, Alpines Museum des DAV