Mit dem Kocher unterwegs

Wer nicht in Mitteleuropa Bergsteigen und Wandern geht, muss fast zwangsläufig einen Kocher dabei haben - und Alpentouren bekommen eine besondere Qualität.

Kocher v. l. n. r.: Enders Benzin Baby Nr. 9063, ab 1950 im Handel; Primus Kocher Nr. 71, ab 1931 im Handel; Esbit-Taschenkocher Modell 9, ab 1939 im Handel. Rechts vorne: Borde Kocher, im Handel von 1950 bis 2010. Foto: Alpines Museum/Johannes Erichsen
Kaffee vom Benzinkocher schmeckt einfach nach weiter Welt
- H. Barth, 2017

Was kann es schöneres geben als die Vorstellung, nach einem anstrengenden langen Wandertag oder nach einer anspruchsvollen Bergtour, etwas Warmes trinken oder essen zu können? Doch wie und womit kocht man im Freien, am Berg oder im Zelt? Schaut man sich im Sachgutdepot des Alpinen Museums um, findet man diverse Kochgeräte, die helfen sollen, dies Problem zu lösen.

1892 stellte die schwedische Firma Primus, gegründet von F. W. Lindquist und J. V. Svenson erstmals einen Kocher für Kerosin her, der sogleich zur notwendigen Ausrüstung von Bergsteigern und Expeditionsteilnehmern wurde. Der Kocher wurde ständig weiterentwickelt für den Gebrauch unterschiedlicher Brennstoffe. Der Primus Kocher No 71 konnte mit Benzin, Benzol, Naphta (Rohbenzin) und Petroleum betrieben werden.

Bisher wurde aufgrund von Nachrichten davon ausgegangen, dass der Kocher, der aus dem Nachlass von Dr. Eugen Allwein (1900 – 1982), Münchner Höhenbergsteiger, an das Museum kam, von ihm 1928 während seiner Erstbesteigung des Pik Lenin im Pamir benutzt wurde. Neuerliche Recherchen haben ergeben, dass der Primus Kocher No 71 erst 1931 in den Handel kam. Daher kann Allwein den Kocher frühestens für seine Teilnahme an der Deutschen Kangchendzönga Expedition 1931 oder zu einem späteren Zeitpunkt erworben haben.

Handlich und klein

Der Transport von Flaschen und Behältern mit flüssigen oder gasförmigen Brennstoffen war umständlich und auch gefährlich. 1933 gelang es Erich Schumm, eine trockene Brennstofftablette aus Methenamin, auch „Trockenspiritus“ genannt, zu entwickeln, die er ab 1939 unter dem Namen „Esbit“ (Erich Schumm Brennstoff in Tablettenform) in den Handel brachte. Die Tabletten sind kaum größer als ein Stück Würfelzucker. Auf einem kleinen faltbaren Kocher aus Stahlblech im Hosentaschenformat, dem Modell 9 (auf dem Bild rechts hinten), kann in etwa 5 Minuten eine kleine Menge von Speisen oder Wasser für eine Tasse Tee (0,25l) erhitzt werden.

Möglichst handlich und klein sollten die Kochgeräte sein. Der Schweizer Uhrmacher, Alpinist und Erfinder von Bergausrüstungsgegenständen Josef Borde (1904 – 1978) entwickelte um 1950 den „Borde-Kocher“ (im Bild rechts vorne). Der mit Benzin betriebene Kocher in Form einer Stabtaschenlampe konnte einen Liter Wasser in etwa 6,5 Minuten zum Kochen bringen. Eine Benzinfüllung reichte für 18 Minuten Brenndauer. In den Mitteilungen des DAV 1950 wird der Borde-Kocher in der Rubrik „Verbesserte Bergsteiger–Ausrüstung“ lobend erwähnt. Erst seit 2010 wird der Kocher nicht mehr hergestellt.

Anfang der 1950er Jahre entwickelte die auf die Herstellung von Grill- und Kochgeräten spezialisierte Firma Enders Colsman AG, gegründet 1883, das sogenannte Enders-Benzin Baby No 9063 (im Bild links). Ein kleiner handlicher Benzinkocher, dessen Einzelteile in eine Blechdose eingepasst sind. Fritz März (1927 – 2003), von 1980-92 Erster Vorsitzender des DAV und Spender des Kochers, benutzte das Benzin Baby 1953 auf seinen Andenexpeditionen. Er schätzte den Kocher wegen seiner Leichtigkeit, hielt ihn aber für weniger zuverlässig als die Primus Kocher. Enders stellt inzwischen nur noch gasbetriebene Geräte her.

In den schriftlichen Gebrauchsanweisungen zu allen Kochgeräten wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sinnvoll und notwendig sei, die Geräte vor dem ersten Einsatz auszuprobieren und ihren Gebrauch zu erlernen. Und das bitte nicht im häuslichen Wohnzimmer sondern im Freien. Berichte von in Flammen aufgegangenen Zelten und trockenem Gras oder Brandblasen an den Händen veranschaulichen unliebsame Zwischenfälle. Oder es kann noch schlimmer kommen wie der warnende Bericht eines Benutzers von Kochgeräten zeigt: „Etwas Erfahrung in Sachen Feuer sollte man schon mitbringen, sonst verzweifelt man bei schlechtem Wetter und muß die Nudeln trocken essen.“ Die vielfältigen Gebrauchsspuren zeigen, dass die vorgestellten Kocher häufig im Einsatz waren.

 

Stephanie Kleidt, freie Ausstellungskuratorin