Auch auf Bergtour war "Frau" modisch gekleidet

Der Bergsteigeranzug von Julie Höger

Ab Mitte der 1920er Jahre war die Hose als zweckmäßiges Kleidungsstück für Frauen bei Berg- oder Skitouren nicht mehr wegzudenken. In der Sachgutsammlung des Alpinen Museums wird der Berganzug von Julie Höger aufbewahrt (Lebensdaten leider unbekannt).

Julie Högers Bergsteigeranzug, 1930er Jahre. Schenkung Andreas Sylvio Höger, 2023. Als Model stellte sich eine Freundin der Autorin zur Verfügung. Foto: Johannes Erichsen/DAV.

Der Anzug – eine taillenkurze Jacke mit verdeckter Knopfleiste und eine Kniebundhose mit seitlichen Knopfverschlüssen – ist aus einem festen Wollstoff von einer geübten Schneiderin angefertigt worden, er wurde nicht käuflich erworben. Das grüne Überkaro des auberginefarbenen Stoffs gehört eigentlich auf die Außenseite, wurde aber, um einen dezenteren Eindruck zu erzielen, nach innen gewendet. Spuren von aufgetrennten Nähten des Ober- und Futterstoffs weisen darauf hin, dass die Jacke in den Seitennähten erweitert und für Julie Höger passend gemacht wurde. Vielleicht hatte der Anzug vor Julie Höger schon eine andere Trägerin. Modische Details wie die Ärmelriegel mit Schnallen und die kleine Brusttasche geben der Jacke einen sportlichen Touch. Die Kniebundhose hat viel Hüft- und Gesäßweite, um große, weite Schritte möglich zu machen. Die Hose wird auf beiden Seiten mit jeweils drei Knöpfen geschlossen. Dieser Verschluss ist in den 1920er- 30er Jahren häufig als modisches Detail an Damenhosen zu beobachten. Die Akzeptanz einer Hose für Damen war zwar da, aber es sollte sich auf jeden Fall erkennbar um eine Damenhose handeln. Deshalb war der heute übliche, von Herrenhosen übernommene Vorderverschluss, unmöglich - eine Damenhose wurde seitlich geschlossen.

Dass Julie Höger tatsächlich mit diesem Anzug beachtenswerte Bergtouren unternommen hat, beweisen mehrere Fotoalben, die im Archiv des Alpinen Museums verwahrt werden. Im Juni 1933 brachen Julie und Adolf Höger zu einer Reise zum Ortler nach Südtirol auf. Zunächst ging es zur Schaubachhütte, dann zur Königsspitze am Ortler. Danach bestiegen sie die Madratschspitze in den Laaser Bergen. Fotos zeigen Julie Höger beim Aufstieg zur Madratschspitze in dem vorliegenden Berganzug, allerdings mit einer etwas dunkleren aber sonst gleichen seitlich geknöpften Hose. Zum Anzug gehörten offensichtlich zwei Hosen. Unter der Jacke, die einen etwas unbequemen Eindruck vermittelt, trägt Julie eine weiße Bluse.

Die Reise ging über Sulden, Gomagoi, Prato, Stilfs und Terlan nach Bozen und Meran. Danach wurden die Dolomiten per Auto auf der Dolomitenstraße als außergewöhnliches Erlebnis besichtigt. Die Fahrt ging von Bozen aus zum Pordoijoch, nach Cortina d’Ampezzo, schließlich bis zur Franzensfeste.

Und wenn Julie auf den Bildern nicht beim Bergsteigen gezeigt wird, sondern etwa vor der Schaubachhütte, trägt sie doch wieder, wie es sich für Damen gehörte, Rock und Mantel.

 

Stephanie Kleidt, freie Ausstellungskuratorin