Illustration: Ein Mann rauft sich die Haare. Gedankenfetzen zeigen ihn in verschiedenen Bedrängnissituationen am Berg verunfallend.
Bedrängnissituation am Berg: Panik. Illustration: Marmota Maps/Lana Bragin
Überforderung

Panik

Kennst du das?: Ich erlebte Panik: aufkommende Angst, die nicht oder nur schwer kontrolliert werden konnte. Befürchtung, sich selbst nicht mehr kontrollieren zu können.

Geltungsbereich

Die Panikattacke muss abgegrenzt werden von der Furcht im Sinne einer Todesangst in einer unmittelbar lebensbedrohlichen und nicht kontrollierbaren Situation (z.B. herabstürzendem Steinschlag ausgesetzt zu sein), von der Höhenangst sowie von psychischer Überforderung. Höhenangst kann in Situationen, in denen sie ausgelöst wird, den Grad einer Panikattacke erreichen, dies kann auch bei psychischer Überforderung passieren. Auch kann nach einer realen Todesbedrohung eine Panikattacke folgen. Aber es gibt auch – und darauf beziehen wir uns hier vor allem – Panikattacken im alpinen Gelände, die auf keine dieser drei Ursachen zurückgeführt werden können. 

Theoretischer Hintergrund

Eine Panik ist mehr als nur ein Zustand starker Angst. In der Panik erlebt ein Mensch den Verlust der Kontrolle über Reaktionen des autonomen Nervensystems bzw. befürchtet, insgesamt die Kontrolle zu verlieren. Weiter befürchtet er, durch die Panik selbst oder ihn ihrer Folge zu Schaden zu kommen, z. B. durch Absturz aufgrund von Kontrollverlust. Eine Panikattacke stellt für Betroffene ein existenzielles Geschehen dar; sie bedroht das eigene Selbstbild, und wird sie in Gegenwart anderer erlebt, ist sie auch mit Scham verbunden.

Eine Panikattacke ist ein Zustand intensiver bedrohlicher Angst und/oder massiven Unbehagens. Sie beginnt plötzlich und überraschend. Sie steigert sich zügig – innerhalb weniger Minuten – auf ein Maximum. Wer in eine Paniksituation gerät, hat den Eindruck, die Angst würde sich in diesem Augenblick oder in Kürze ins Unermessliche steigern. Dies ist oft mit massiven körperlichen und psychischen Reaktionen verbunden wie Herzklopfen, Herzrasen, Schwitzen, Zittern, Mundtrockenheit, Atembeschwerden (siehe ergänzend Hypverventilation), Beklemmungsgefühl, Brustschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit, Hitzewallungen oder Kälteschauer, Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle. Auch das Gefühl, dass die umgebenden Dinge unwirklich sind, oder dem Gefühl, man selbst sei “nicht wirklich hier”, zählt dazu.

Für Betroffene ist vor allem das Gefühl bedrohlich, die Kontrolle über sich selbst zu verlieren. Der Zustand kann so stark werden, dass Betroffene auch befürchten, verrückt zu werden, „auszuflippen” oder zu sterben.

Um von einer Panikattacke sprechen zu können, muss sie nach den medizinischen diagnostischen Kriterien mindestens einige Minuten andauern, das Erleben kann aber auch kürzer sein. Panikattacken fluktuieren im Verlauf in ihrer Stärke. Sie bilden sich meist nach wenigen Minuten etwas zurück und können vollständig abklingen, abgesehen von der Erschöpfung und Verunsicherung, die sie hinterlassen. Oft klingen sie teilweise ab, es bleibt eine verunsicherte Ängstlichkeit, die bis zu einer Situation andauert, in der Betroffene sich entspannen können (z. B. beim Erreichen der Hütte). Panikzustände können aber auch wieder ansteigen, insbesondere wenn Stressoren hinzukommen (z. B. Zeitdruck oder Wetter­verschlechterung).

Der gesunde menschliche Körper ist ausgelegt dafür, Panik auszuhalten. Nicht zuletzt werden die Körperzustände, die bei der Panik auftreten, mitunter bewusst und freiwillig herbeigeführt, z. B. bei Anstrengung bis zur akuten Erschöpfung. Auch behalten Betroffene immer ihre bewusste, realitätsüberprüfende Wahrnehmung, sie werden nicht verrückt.

Ad-hoc-Maßnahmen und -Verhaltenstipps

Im Moment einer Panikattacke ist das, was du als Betroffene*r in der Regel – teils instinktiv – tust, gleichzeitig das Beste, was du überhaupt tun kannst:

  • Du wirst (instinktiv) versuchen, die unmittelbar gefährliche Situation zu verlassen. Erscheint dir dies als nicht möglich, verharrst du in ihr so gut wie möglich.

  • Deine einzige Handlungsfähigkeit besteht darin, zu warten, bis der akute Zustand so weit abklingt, dass du notwendige nächste Schritte machen oder gehen kannst. Das kann bedeuten, sich hinzusetzen, statt zu stehen; oder auch die nächsten Meter bis zu einer sicheren Stelle anzugehen etc.

  • Zeige den anderen in der Gruppe an, dass du gerade nicht weiterkannst und dich beruhigen musst. Bitte um Hilfe und mache vor allem deutlich, dass du etwas Zeit brauchst.

  • Gib dir die Zeit, den Zustand weiter abklingen zu lassen. Wenn möglich: körperliche Versorgung (Wärme und Trockenheit, Trinken und Essen) hilft etwas.

  • Zur weiteren Unterstützung: Atme selbstberuhigend – verlängere dazu die Ausatmung, halte Atempausen ein und versuche, die Zwerchfellatmung (auch als Bauchatmung bekannt) zu betonen.

  • Gut zu wissen: der menschliche Körper ist evolutionsbiologisch darauf ausgerichtet, den Panikzustand „so schnell wie möglich loswerden“; insofern dauert die Situation so lange, wie sie dauert; aber auch nicht unnötig länger.

Wie Leitungspersonen im alpinen Gelände mit Gruppenmitgliedern umgehen sollten, die eine Panikattacke erleiden, wird an dieser Stelle nicht ausgeführt.

Prävention  

Nachdem du eine Panikattacke überstanden hast und in deine heimische Umgebung zurückgekehrt bist, ist folgendes zu empfehlen:

  • Untersuche die Hintergründe deiner Panikattacke genau, auch wie unter „psychische Überforderung“ beschrieben. Dies hilft dir, in Zukunft mögliche Warnzeichen besser berücksichtigen zu können. Panikattacken können Anzeiger für Überlastung sein, wobei es nicht darauf ankommt, dass Belastungsfaktoren überhaupt als negativ erlebt werden. So kann zum Beispiel eine frische Elternschaft in Verbindung mit einem geplanten beruflichen Wechsel eine solche Überlastung darstellen.

  • Erwirb Wissen und erfahre mehr über Panik. Denn: Wissen schadet nicht! – Es gibt gute Selbsthilfeliteratur, in der Panikzustände, ihre körperlichen und seelischen Hintergründe und Selbsthilfemöglichkeiten beschrieben werden. Beispielsweise: „Ratgeber Panikstörung und Agoraphobie“ von Nina Heinrichs (Hogrefe Verlag).

  • Bei wiederkehrenden Panikattacken kläre auf jeden Fall mögliche körperliche Auslöser hausärztlich ab. Panikattacken können z. B. bei unerkannten Stoffwechselstörungen auftreten.

  • Suche das Gespräch mit jemand Fachkundigem. Allgemeinärzt*innen haben in der Regel viel Erfahrung mit Patient*innen, die Panikzustände durchlaufen haben. Sie sind neben der körperlichen Abklärung auch dafür eine erste Adresse. Eine psychologische Beratung zum Einordnen des Geschehens ist ebenfalls hilfreich.

  • Für Menschen, die Panikattacken im Gebirge erlebt haben, ist es oft belastend, dass ihre Unbeschwertheit verloren gegangen ist. Dass Gelände, in dem sie sich zuvor wohlgefühlt haben, nurmehr unter großer psychischer Anstrengung auszuhalten ist. An dieser Stelle gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht: Häufig bilden sich Angstreaktionen wieder zurück; Ängste hängen ab von der Tagesform und auch von größeren Veränderungen im Leben. Man kann also darauf bauen, dass die Gesamtsituation sich wieder bessern wird. Doch es gilt auch: Nach einem solchen Geschehen schwingt die Möglichkeit einer erneuten Panikattacke durchaus mit.     

  • Um wieder ins Gelände zu gehen, in dem eine Panik aufgetreten ist, merke dir: Keine Holzhammermethoden! Auch wenn es notwendig ist, Situationen ähnlich zu denjenigen, in denen die Panik auftrat, wieder aufzusuchen, um bei dieser neuerlichen Gelegenheit erfahren zu können, dass eine Angst auch weniger stark sein kann, darf man durchaus freundlich zu sich selbst sein. Das bedeutet konkret:

    • Gib dir Zeit: Setze dir nicht das Ziel, dass bestimmte Wegpassagen wieder angstfrei funktionieren müssen, sondern nähere dich diesen an ohne das Ziel, sie ganz zu bewältigen.

    • Setze dich dem Erleben der eigenen Angstempfindungen bewusst aus: gehe soweit, wie du dich traust, halte inne, gehe ggf. auch wieder zurück. Entscheidend ist nicht das Bewältigen der Situation. Sondern das Erleben, dass eine Panik in einem bestimmten Rahmen bleibt.

    • Lerne, dich beim Empfinden von Angst selbst zu beruhigen, dies gelingt am besten über die Atmung (siehe oben).

    • „Augen zu und durch“ ist der falsche Ansatz; besser: Augen auf und selbstfürsorglich hinein.

    • Steigere die Anforderungen langsam: Überforderungen helfen nicht.

  • Schließlich gilt es aber auch, für sich zu klären, welches Gelände, welche wie anspruchsvollen Touren und welche Ausgesetztheit zum eigenen bergsteigerischen „Portfolio“ gehören sollen. Dies kann auch die Entscheidung beinhalten, sich bestimmten Situationen zukünftig nicht mehr oder nicht mehr so häufig auszusetzen.