Mann wandert auf Almweg zwischen Hütten
Satte Grüntöne flankieren den Weg auf der Hinterkar-Hochalm nach dem Abstieg von der Hinterkarscharte. Foto: Stefan Herbke
KAT Walk Kitzbühel

Traumrunde im Almgelände

Auf dem KAT Walk zeigen sich die Kitzbüheler Alpen von einer überraschend einsamen Seite – und Tag für Tag gibt es neue Lieblingsplätze zu entdecken. Das Besondere: Die Tour kann ganz bequem online gebucht werden – nur laufen muss man noch selbst.

Das schönste ist, wenn ich morgens aus  dem Fenster schau“, schwärmt Sepp Thaler. „Im ersten Licht siehst du noch  nicht so weit, nur die Zacken der Berge sind zu  erkennen, doch dann wird alles dreidimensional  und es wirkt, als würden die Berge scheinbar auseinander  wandern – und die Welt wird groß“. Er  wie seine Frau Theresa, die für die gute Küche der  Stanglalm unter dem Kitzbüheler Horn verantwortlich  ist, genießen die Panoramalage hoch  über dem Tal und die einmaligen Stimmungen.  „Wenn dann der Kaiser rot leuchtet, dann kann  man den Rosengarten in Südtirol vergessen“, erzählt  er begeistert. Der stets gut gelaunte Almwirt,  dem immer ein lustiger Spruch über die Lippen  kommt, liebt seine Heimat und die Kitzbüheler  Alpen. „Wenn mich einer fragt, wohin er in Urlaub  fahren soll, dann sag ich ihm, bleib bei uns –  wenn Millionen herkommen, dann werden wir  doch nicht wegfahren“.

Satte Grüntöne flankieren den Weg auf der Hinterkar-Hochalm nach dem Abstieg von der Hinterkarscharte. Foto: Stefan Herbke

Mit den Millionen übertreibt Sepp Thaler natürlich,  doch Gäste gibt es genug. Vor allem in Kitzbühel, vor allem im Winter. Im Sommer sieht  die Sache schon ganz anders aus. Denn die Kitzbüheler  Alpen sind mit Ausnahme des Bereichs  um die geöffneten Bergbahnen überraschend  einsam, wie eine Mehrtagestour auf dem KAT  Walk eindrucksvoll beweist. Der Kitzbüheler Alpen  Trail (KAT) in der Variante Alpin führt in  sechs Tagen von Hopfgarten im Brixental über  Kitzbühel und St. Johann bis nach St. Ulrich am  Pillersee. „Der KAT Walk soll alle Regionen der  Kitzbüheler Alpen miteinander verbinden“, erklärt  Christina Jöchtl, die für den Tourismusverband  Kitzbüheler Alpen die Tour betreut. „Die  Leute sollen die Möglichkeit haben, die gesamte  Region wandernd zu erkunden – und das mit so  wenig Aufwand wie nötig und so komfortabel  wie möglich. Daher haben wir die Tour von Anfang  an mit Gepäcktransport und mit Übernachtungen  in Hotels und Gasthöfen geplant.“ 

Die erste Etappe ist dabei eher gemütlich und  geradezu perfekt zum Einlaufen. Über sanfte  Wiesenterrassen mit stattlichen, fotogenen höfen und begleitet von lautem Vogelgezwitscher  geht es hinein in die Kelchsau und zum Fuchswirt.  Das urgemütliche Gasthaus inmitten eines  Ensembles besonders schöner Holzhäuser ist  eine Oase der Ruhe. Am besten sitzt man im Garten  unter dem großen, schattenspendenden  Baum und geht dort zum gemütlichen Teil des  Tages über. „Für mich ist das immer so, als wäre  die Zeit stehen geblieben“, schwärmt Christina  Jöchtl von der Kelchsau, einem kleinen Dorf in  einem Seitental abseits des Durchgangsverkehrs. 

Vom krimischreibenden Käser bis hin zu Pflanzen aus dem Kaukasus oder der Mongolei – der KAT Walk bietet auch kuriose Überraschungen.

„Hier ist es so ruhig, als ob man in einer  anderen Zeit angekommen wäre“.  Auf der zweiten Etappe über den Lodron zum  Steinberghaus in der Windau taucht man endgültig  ein in die Stille der Kitzbüheler Alpen. Dichte  Wälder, malerische Almen, aussichtsreiche Bergrücken  und ein leuchtendes Meer aus Almrosen  inmitten saftig grüner Wiesen kennzeichnen diesen  Wegabschnitt. Im Winter ein Skitourenklassiker,  ist der Lodron im Sommer ein einsamer Wanderberg,  auf den sich höchstens KAT-Walker*innen  verirren – und dabei viele traumhafte Plätze entdecken.  Beim Abstieg trifft man auf der Unteren  Lärchenbergalm vielleicht Sepp Kahn, der mit  seinem leuchtend weißen Bart den Idealtypus eines  Senners verkörpert und sich gerne Zeit nimmt  für einen kurzen Schwatz. Zumindest nachmittags,  denn vormittags muss er die frische Milch  verarbeiten. „Beim Käsen kann man die Gedanken  schweifen lassen, da fällt mir viel ein“, erzählt  er und zeigt stolz auf seine Bücher. Mittlerweile  sind mehrere Titel erschienen; vom Krimi über  Gedichte bis zu witzig-ironischen Kurzgeschichten,  alle inspiriert von seinem Leben auf der Alm. 

Alpenrosen und Schneefelder - Frühlingswandern in den Kitzbüheler Alpen. Foto: Stefan Herbke

Einsam ist auch die dritte Etappe des KAT  Walks über die Hinterkarscharte, bei der ein kurzer  Abstecher auf den mit einem Kreuz geschmückten  Gipfel des Gassnerkogels führt. Neben  grandiosen Ausblicken auf das markante  Felsriff des Großen Rettensteins, der in den eher  sanften Kitzbüheler Alpen unweigerlich auffällt,  gibt es hier die letzten Altschneereste, die sich  unter der Hinterkarscharte bis in den Frühsommer  halten. Ein kleines Hochmoor mit wunderschönem  Wollgras ziert den Abstieg auf dem Weg  zur Labalm. „Sie wurde 1955 von meinem Urgroßvater  in eine Jausenstation umgewandelt“,  erzählt Christiane Klingsbigl. „Vorher war das  eine reine Almwirtschaft, heute sind wir eher ein  Alpengasthaus“. Und die erste Einkehrmöglichkeit  auf der Strecke vom Steinberghaus nach  Aschau. Wobei einige gleich hierbleiben, zumindest  wenn sie die Labalm mit ihren acht Zimmern  als Etappenziel gewählt haben. „Bei uns ist  es wie bei Heidi“, meint Christiane, „wir haben  eher einfache Hüttenzimmer mit Etagendusche,  ohne Fernseher und Internet, und meistens auch  keinen Empfang, bei uns gibt es Natur pur – so  wie es sich für eine Alm gehört“. Hüttentypisch  ist auch das Essen. „Bei uns gibt’s Knödelteller,  Kasspatzn, Schlutzkrapfn oder einen Schweinsbraten“,  erzählt die junge Wirtin, „die Gäste mögen  das, ist halt ein Unterschied zu den Halbpensionstagen  in den Hotels im Tal“. 

Einkehr in der Schaukäserei Kasplatzl – auf der Alm werden u.a. Bergkäse, Schnittkäse, Frischkäse und Weichkäse gemacht. Foto: Stefan Herbke

Wer auf der Labalm übernachtet, hat mit dem  Liegestuhl beim Fischteich schnell einen Lieblingsplatz  gefunden – und startet den nächsten  Tag mit einem Abstieg. Gut 45 Minuten sind es  hinaus nach Aschau, vorbei am Kasplatzl, einer  für ihren Käse bekannten Alm, und einer Hängebrücke,  die einen spektakulären Blick auf einen  Wasserfall ermöglicht. Die aussichtsreiche  Etappe über den Pengelstein ist ein Kontrastprogramm  und führt vom einsamen unberührten  Teil der Kitzbüheler Alpen hinein in ein weltbekanntes  Skigebiet. Das Aushängeschild ist die  legendäre Streif, die zu den schwierigsten Abfahrten  der Welt zählt und auf der seit dem Jahr  1937 die Hahnenkammrennen ausgetragen  werden. Wie steil die Strecke wirklich ist, zeigt  sich beim Abstieg nach Kitzbühel. Schautafeln erklären wichtige Streckenabschnitte wie Hausbergkate  oder Mausefalle. Alternativ kann man  auch die Gondelbahn für ein schnelles und  kraftsparendes Bergab wählen, um im Anschluss  mehr Zeit für einen Bummel durch die  ehemalige Bergbaustadt zu haben. 

Das von einem Sendemast gekrönte Kitzbüheler  Horn ist einer der Höhepunkte des KAT Walks  und begeistert neben dem einmaligen 360-Grad-  Rundblick mit einem einzigartigen Alpenblumengarten.  Zusammen mit ihrem Kollegen kümmert  sich Jule Maier dort Tag für Tag um die rund 400  seltenen Gewächse. „Du findest hier Pflanzen aus  den Pyrenäen, aus dem Kaukasus, aus der Mongolei  oder aus Tibet“, erzählt sie, während sie das  Himalayabeet vom Gras befreit. „Das sind schon  Schätze, die du sonst nur siehst, wenn du dorthin  reist“. Längst kennt sie die Namen der meisten  Blumen, doch im Grunde haben die keine Bedeutung.  „Der Eindruck der Pflanze an sich und wie  sie auf dich wirkt, das ist viel wichtiger“, meint  sie, „die Schönheit, die Energie zählt“. Eine Lieblingsblume  hat Jule nicht, doch auf Nachfrage  ergänzt sie: „Für mich steht das Edelweiß für  eine Lebenskünstlerin, die unter härtesten Bedingungen  das Beste draus macht“. 

Das Kitzbüheler Horn mit dem markanten Sendemast. Foto: Stefan Herbke

Der spektakulär angelegte Ludwig-Scheiber-  Steig ermöglicht im Anschluss den Wechsel auf  die Nordseite des Kitzbüheler Horns und damit  zur Stanglalm. Die ist bekannt für ihre Strudel  – und für das Almererschnitzel. „Das ist aus der  Not geboren“, erzählt Sepp Thaler, „wir hatten  keinen Schinken mehr für das Cordon Bleu und  dann hat meine Frau einfach selbstgemachten  Speck und Kräuterkäse verwendet – das kam bei  den Leuten sehr gut an“. Die KAT-Walker*innen  sind auf der Stanglalm willkommen, nicht nur  weil sie hungrig und durstig sind. „Die sind alle  gut aufgelegt“, weiß Sepp, „die haben schon eine  Leistung erbracht und sind zufrieden, mit denen  kann man über Gott und die Welt reden“. Etwa  über den einmaligen Sonnenuntergang. „Doch  da ist der Tag vorbei“, meint er, „während in der  Früh die Vögel zwitschern und die Kuhglocken  bimmeln, da geht’s los, da habe ich noch den  ganzen Tag vor mir“. Ähnlich fühlen sich die  KAT-Walker*innen. Noch einmal voller Tatendrang  aufstehen, dann startet in St. Johann mit  der Überquerung des einsamen Plateaus der  Kalksteinalm zum Pillersee das Finale – für viele  die schönste Etappe des KAT Walks.