Kletterer im Vorstieg beim Sportklettern am Fels
Wer beim Klettern kräftig anreißen will, sollte sich systematisch aufwärmen – andernfalls kann es schnell einmal zu Verletzungen kommen. Foto: Christian Pfanzelt
Aufwärm- und Präventionsprogramm fürs Klettern

Besser klettern – Verletzungen vorbeugen

Auch wenn die Verletzungshäufigkeit im Vergleich mit Mannschaftssportarten wie Fuß- oder Volleyball gering ist: Systematisch und angeleitet klettern die wenigsten, Verletzungen oder Überlastungen können die Folge sein. Ein regelmäßiges Aufwärmprogramm hilft vorbeugen.

Untersuchungen zu Aufwärmprogrammen aus verschiedenen Sportarten haben gezeigt, dass eine Kombination aus Kraft-, Koordinations- und Gleichgewichtstraining Sportverletzungen reduzieren können. Es zeigte sich allerdings auch, dass sie nur effektiv sind, wenn sie mindestens zehn Minuten dauern, mindestes zweimal pro Woche und für mindestens drei Monate ausgeführt werden. Anders gesagt: Gezieltes Aufwärmen kostet Zeit und man muss dranbleiben!

Als „Belohnung“ winken kurzfristige wie langfristige Effekte: Das Aufwärmtraining regt den Kreislauf an und erlaubt es, sich auch mental auf das eigentliche Klettern und die damit verbundenen physischen (z.B. Finger- und Armkraft) und psychischen Belastungen (z.B. Sturzangst) einzustimmen. Wird ein sportartspezifisches Aufwärmprogramm über einen längeren Zeitraum konsequent durchgeführt, nehmen außerdem Kraft und Beweglichkeit zu, die Gleichgewichtsfähigkeit verbessert sich und Strukturen wie Finger und Arme können größeren Belastungen standhalten.

Präventionsprogramm – Trainingsabfolge online

Das hier vorgestellte Präventionsprogramm basiert auf einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit im Studiengang Physiotherapie und richtet sich an Erwachsene, die Klettern als Breiten- und Freizeitsport betreiben. Es zielt auf die im Text erwähnten Verletzungsursachen ab und wirkt verschiedenen akuten und chronischen Verletzungen entgegen. Bei der Zusammenstellung wurden aktuelle (sport-)wissenschaftliche Erkenntnisse miteinbezogen, für die Übungen ist kein zusätzliches Equipment notwendig.

Das Aufwärmprogramm besteht aus drei Teilen und 12 Übungen. Teil I dient einer Kreislaufanregung (7min), Teil II beinhaltet Übungen zu Körperspannung, Kraft, Gleichgewicht und Beweglichkeit (13-18min) und Teil III bildet das Einklettern (10-15min). Um neben den kurzfristigen Effekten auch langfristige Präventionserfolge erzielen zu können, muss das Programm vor jedem Klettern und Teil I und II insgesamt zwei- bis dreimal pro Woche ausgeführt werden.

Das Training ausgehend von Level 1 kann nach und nach bis Level 3 gesteigert werden, wenn alle Übungen aus Level 1 und 2 sicher beherrscht werden. Um nach dem Trainingsprinzip der Belastungssteigerung zuerst den Umfang und dann die Intensität zu steigern, ist bei vielen Übungen auch innerhalb eines Levels ein Spielraum der Dauer oder der Wiederholungszahl gegeben, der ausgeschöpft werden kann bevor im nächsten Level mit einer höheren Belastung fortgefahren wird.

I. Kreislauf anregen

Übung 1: Einlaufen

Beschreibung: Mit moderatem Tempo einlaufen, sodass Sprechen nebenbei möglich ist

Dosierung:

  • Level 1: 3min lockeres Einlaufen

  • Level 2: 2min lockeres Einlaufen, 1min mit gesteigerter Geschwindigkeit

  • Level 3: 1min lockeres Einlaufen, 1min mit gesteigerter Geschwindigkeit, 1min kurze Sprints, dazwischen locker traben

Übung 2: Laufen mit Hüftkreisen

Beschreibung: locker Laufen, stehen bleiben, das rechte Bein vorne nach oben Richtung Brust heben, durch eine Hüftaußenrotation nach außen führen (Bild Mitte) und abstellen, erneut locker laufen und mit dem linken Bein (Bild rechts) wiederholen. Weiter locker Laufen, stehen bleiben, das rechte Bein seitlich nach oben anheben, durch eine Hüftinnenrotation nach innen führen und abstellen, erneut locker Laufen und mit dem linken Bein wiederholen. Bei der Ausführung Rumpf ruhig und das Becken waagerecht halten

Dosierung: keine Levelunterscheidung: nach 5 Laufschritten rechtes Bein nach außen, dann 5 Laufschritte und linkes Bein nach außen (insgesamt 5x pro Bein); das gleiche in anderer Richtung nach innen wiederholen.

Übung 3: Laufen auf der Stelle

Beschreibung:

  • Knie vorne hoch: auf der Stelle laufen und die Knie bewusst weit nach oben Richtung Brust heben (l.)

  • Hinten Anfersen: über eine maximale Kniebeugung abwechselnd mit der rechten und linken Ferse möglichst das Gesäß berühren (M.)

  • Hampelmann: durch beidbeiniges Abspringen abwechselnd zwischen geöffneten Armen und Beinen und geschlossenen Armen und Beinen wechseln (r.)

Dosierung:

  • Level 1: 15-20s Knie vorne hoch; 10s Pause, 15-20s hinten Anfersen; 10s Pause; 15-20s Hampelmann; 10s Pause

  • Level 2: 15-20s Knie vorne hoch; 5s Pause; 15-20s hinten Anfersen; 5s Pause; 15-20s Hampelmann; 5s Pause; 1-2x wiederholen

  • Level 3: 20-25s Knie vorne hoch; 20-25s hinten, Anfersen; 20-25s Hampelmann; 1-2x wiederholen

II. Körperspannung, Kraft, Gleichgewicht und Beweglichkeit

Übung 4: Stütz

Level 1: Vierfüßler

Level 2: Kniestütz

Level 3: Liegestütz

Beschreibung: Aus der Ausgangsstellung (Stütz) das Gesäß nach hinten bewegen und dadurch die Arme durchstrecken; die Vorwärtsbewegung des Oberkörpers zurück in die Ausgangsstellung über ein nach hinten/unten Ziehen der Schulterblätter einleiten; aus der Stützposition erst den rechten und dann den linken Arm kurz nach vorne ausstrecken; anschließend wie bei einem Liegestütz die Brust langsam Richtung Boden bewegen und schneller wieder nach oben drücken.
Wichtig! Der Körper bildet eine gerade Linie (den Kopf nicht in den Nacken legen, den Rücken nicht durchhängen lassen, das Gesäß nicht nach oben strecken); Ellenbogen befinden sich senkrecht unter den Schultern, zeigen leicht Richtung Bauchnabel und sind nie maximal durchgestreckt; die Schulterblätter sind bei der eigentlichen Liegestütz nach hinten/unten gezogen

Dosierung: 5-10x wiederholen

Übung 5: Seitstütz

Beschreibung: Der Körper liegt in Seitenlage auf dem Boden; der Oberkörper wird auf dem unteren Ellenbogen abgestützt und von der Unterlage abgehoben; das restliche Körpergewicht lastet auf den Knien bzw. den Füßen; ergänzend kann das obere Bein abgehoben und langsam nach oben und unten bewegt werden.

Level 1: Knie ablegen und Becken abheben, 20-30s halten, dann 10s Pause; Seite wechseln und insgesamt 2-3x pro Seite.

Level 2: Knie ablegen und Becken abheben, 20-30s halten, oberes Bein gestreckt abheben und langsam nach oben/unten bewegen, Seite wechseln und insgesamt 2-3x pro Seite.

Level 3: Füße ablegen und Becken abheben, 20-30s halten, Seite wechseln und insgesamt 2-3x pro Seite; optional das obere Bein gestreckt abheben und langsam nach oben/unten bewegen.

Übung 6: Dynamische Dehnungen der Arme

Dosierung: Endposition jeweils 1-2s halten

  • Level 1: Jede Position 3x rechts und 3x links durchführen

  • Level 2: Jede Position 5x rechts und 5x links durchführen

  • Level 3: Jede Position 5x rechts und 5x links durchführen, 2-3x wiederholen

Wichtig: Übung Links und Mitte mit schulterbreitem Stand ausführen, auf eine vorsichtige Ausführung achten und nicht „reißen“; bei TÜ 3 muss der Oberkörper, von der Seite betrachtet, eine Linie ergeben

Übung 7: Dehnung Unterarme

Dosierung: insgesamt 2x wiederholen

  • Level 1: 5x dynamisch rechts dann 5x dynamisch links

  • Level 2: Dehnung mit gestrecktem Ellenbogen 3s halten, 3x rechts dann Seitenwechsel, 3x links

  • Level 3: Dehnung mit gestrecktem Ellenbogen 5s halten, 3x rechts dann Seitenwechsel, 3x links

Übung 8: Dehnung Finger

  • Fausten: beide Fäuste kraftvoll schließen und anschließend wieder öffnen, dabei die Finger maximal strecken und spreizen

  • Dosierung siehe Level 1-3; insgesamt 2x wiederholen

Level 1: beide Fäuste 5x kraftvoll schließen, dann wieder öffnen und Finger maximal spreizen; Fingerkuppen beider Hände aufeinanderlegen und die Handflächen 5x aufeinander zubewegen.

Level 2: 3x beide Fäuste kraftvoll schließen und 3s halten, dann wieder öffnen und Finger maximal spreizen und ebenfalls 3s halten; alle Langfinger der rechten Hand gemeinsam 5x überstrecken, dann linke Seite dehnen.

Level 3: 3x beide Fäuste kraftvoll schließen und 5s halten, dann wieder öffnen und Finger maximal spreizen und ebenfalls 5s halten; jeden Finger beider Hände einzeln 3x überstrecken.

Übung 9: Einbeinstand

Auf einem Bein stehen und das andere nach vorne abheben.

Level1:

Level 2: Kopf drehen

Level 3: Augen zu

Wichtig: Beim Standbein auf eine physiologische Beinachse achten; beim Gleichgewicht halten nicht mit den Zehen krallen; den Rumpf von der Seite und von vorne betrachtet aufrecht und stabil halten; das Becken waagerecht halten; Hüfte und Knie des Standbeines leicht gebeugt halten.

Übung 10: Kniebeuge

Level 1: hüftbreit stehen und Gesäß 10x langsam nach hinten unten führen, maximal bis zu einem 90°-Winkel im Kniegelenk, anschließend Beine schneller wieder durchstrecken; insgesamt 1-2x wiederholen.

Level 2: hüftbreit stehen, mit dem rechten Bein einen Ausfallschritt nach vorne ausführen, maximal bis zu einem 90°-Winkel im Kniegelenk, das linke Knie langsam Richtung Boden absenken, dann den Körper über eine schnellere Kniestreckung rechts wieder nach oben drücken und den rechten Fuß zurück zum linken stellen; abwechselnd gegengleich wiederholen (10x rechts und 10x links); insgesamt 1-2x wiederholen.

Level 3: einbeinig rechts stehen, linkes Bein nach hinten anwinkeln und das rechtes Knie 5x maximal bis zu einem 90°-Winkel im Kniegelenk anwinkeln (Bild 29), dann 5x auf dem linken Bein; insgesamt 2-3x wiederholen.

Übung 11: Sprünge

Sprünge in verschiedenen Variationen ausführen. Das Hüpfen und Springen vorsichtig beginnen; bei Bedarf am Anfang ausschließlich ein “Wippen“ in den Sprunggelenken durchführen ohne ein Abheben der Füße vom Boden, um ein Umknicken in den Sprunggelenken beim Landen zu verhindern; über die gesamte Übungsausführung auf eine physiologische Beinachse beider Beine achten; den Oberkörper stabil und das Becken waagerecht halten; immer vorsichtig, weich und leise auf den Vorfüßen landen und dabei Hüft-, Knie- und Sprunggelenke zum Abfedern beugen; eine weiche Landung und ein möglichst explosiver Absprung sind entscheidender als die Sprunghöhe; Sprungweite nach und nach erhöhen.

Level 1: mit beiden Beinen 20-30s auf der Stelle hüpfen, dann mit beiden Beinen 20-30s vor und zurück hüpfen, dabei eine Sprungweite von ca. 40cm zw. A und B anstreben.

Level 2: mit beiden Beinen 20-30s auf der Stelle hüpfen; dann einbeinig mit dem rechtem Bein 15s nach vorne und hinten springen (Bild 30, Sprungweite zw. A und B ca. 40cm), anschließend 15s mit dem linken Bein ausführen; dann einbeinig mit dem rechtem Bein 15s nach rechts und links springen, Sprungweite zw. A und B ca. 40cm), anschließend 15s mit dem linken Bein ausführen.

Level 3: einbeinig mit dem rechtem Bein 15-20s auf der Stelle hüpfen, anschließend 15-20s mit dem linken Fuß ausführen; dann einbeinig mit dem rechtem Bein 15-20s im Kreuz hüpfen, vom Startpunkt in der Mitte nach vorne, nach rechts, nach hinten und nach links springen und dazwischen immer wieder zum Startpunkt zurückspringen (Bild 32, X-A-X-B-X-C-X-D), anschließend 15-20s mit dem linken Bein ausführen; dadurch ergibt sich eine Sprungweite von ca. 20 Zentimetern.

Teil III: Einklettern

Mit steigender Intensität Einklettern, dabei circa 120 Griffe greifen (=4 Kletterrouten mit 30 Griffen oder 8 Boulder mit 15 Griffen). Mit dem individuellen Kletterlevel ist das solide, nicht das maximale Kletterlevel gemeint; Kletterzüge bewusst ausführen (bei weiten Schulterzügen zuerst das Schulterblatt zurückziehen und dann die Schulter mit dem Körpergewicht belasten), verschiedene Griff- und Tritttechniken anwenden, viele Griff- und Trittwechsel einbauen, bei Bedarf zum Ende hin spezifischere und zunehmend dynamischere Klettertechniken verwenden.

Verletzungen vermeiden – grundlegende Tipps:

  • Ausrüstung korrekt verwenden.

  • Gefahren kennen, nicht über dem eigenen Niveau klettern.

  • Schonend und kraftsparend klettern.

  • Kletterniveau nicht zu schnell steigern (nicht verfrüht auf zu kleine Griffe und Tritte wechseln).

  • Regelmäßiges Sturztraining.

  • Bouldern: Beim Landen in die Knie gehen und Absprunghöhe reduzieren.

  • Auskühlen des Körpers durch geeignete Kleidung reduzieren.

  • Regeneration durch Kletterpausen und kletterfreie Tage, Variation der Griff- und Klettertechnik.