Teilweise knifflig: Gipfel damals und heute. Foto: DAV Archiv
Teilweise knifflig: Gipfel damals und heute. Foto: DAV Archiv
Rätsel

Die höchsten Gipfel von gestern

Was waren die höchsten Berge von Bayern, Deutschland oder Frankreich? Vermutlich andere, als du denkst. Ein Rätsel in acht Fragen mit überraschenden Antworten quer durch die Alpen und darüber hinaus. Achtung: Hohe Stolper- und Absturzgefahr.

Autor: CUS

Illustrationen: Sensit Communication

1 Top of Bavaria

Der Gipfel des Königreichs Bayern – höher ging es nie zuvor und nie danach in Bayern. Welcher Gipfel?

Lösung

Ortler, 3905 m (nach anderen Angaben 3899 m)

Von 1806 bis 1814 gehörte Tirol zum Königreich Bayern. Und Tirol hieß damals ganz Tirol, also einschließlich Südtirol. Bayern reichte bis zum Gardasee. Von 1814 bis 1919 war der Ortler dann der höchste Berg Österreichs.

2 Ober-Bayerin

Auch die Zugspitze war schon mal höher: Hier um 1900 mit Gipfelkreuz und Münchner Haus. Wie lautet der genaue Name des Gipfels mit dem Kreuz?

Lösung

Zugspitze Westgipfel 2964 m

Der höchste Punkt der Zugspitze war der Westgipfel, über den auch die Grenze zu Tirol verlief. Er wurde später weggesprengt (siehe Frage 3). Der niedrigere Mittelgipfel der Zugspitze musste der Bayerischen Zugspitzbahn weichen. Der rein bayerische Ostgipfel mit dem goldenen Gipfelkreuz ist heute der Gipfel Deutschlands.

3 Weggesprengt

Und so schaut das Zugspitz-Gipfelkreuz heute aus. Seit wann befindet sich hier der höchste Punkt Bayerns?

Lösung

Seit 1938

1938 wurde der bis dahin höchste Punkt der Zugspitze, der Westgipfel weggesprengt, denn es sollte Platz für eine Flakbeobachtungsstation geschaffen werden. Da zuvor die Grenze zwischen Bayern und Tirol über diesen Gipfel lief, hätte die deutsche Seite allein den Gipfel kaum entsorgen können. Nach dem Anschluss Österreichs 1938 war das aber kein Problem mehr. Zu dem Bau der Station kam es dann nicht mehr, doch der Gipfel war leider futsch. Heute geht es dort zur Bergstation der Tiroler Zugspitzbahn. Nach der Sprengung wurde der Ostgipfel der Zugspitze zum Rekordhalter in Bayern - ob das auch für ganz Deutschland galt, wollen wir dahingestellt lassen. Denn von 1938 bis 1945 könnte man auch den Großglockner als höchsten Berg Deutschlands gelten lassen.

4 Eispickelhaube

Mit der Reichsgründung 1871 wurde die Zugspitze zum höchsten Berg des Deutschen Reiches. Blieb es aber nicht lange, dann übernahm ein anderer Berg. Der Kaiser persönlich stand für den Gipfel des neuen Rekordhalters. Welcher überaus bekannte Berg?

Lösung

Kilimandscharo, 5895 m

Der höchste Berg des Deutschen Reichs? Der Kilimandscharo in Deutsch-Ostafrika natürlich, der etwa 1885 zum Deutschen Reich kam. Sein Gipfel hieß in Deutschland damals sowohl Kibo als auch Kaiser-Wilhelm-Spitze. 1919 war es aus mit den deutschen Kolonien und mit dem deutschen Sechstausender.

Sechstausender? Der Erstersteiger Hans Meyer hievte den Berg durch eine Messung mit dem Siedethermometer auf 6010 Meter Höhe. Da war der Wunsch nach einem Sechstausender wohl größer als die Messgenauigkeit. Da er, ganz praktisch, auch den Verlag führte, der Meyers Lexikon herausgab, befand Meyers Großes Konversations-Lexikon von 1905, der Kilimandscharo wäre ein Sechstausender. Und dabei blieb es auf Jahrzehnte.

Für ganz Genaue: 1942 erreichten deutsche Truppen kurzzeitig den Gipfel des Elbrus (5642 m) im Kaukasus. Der wurde aber auch in Nazi-Augen nie zum Bestandteil des Deutschen Reichs und reicht ohnehin nicht an den Kilimandscharo heran.

5 Le Mont Whymper

Ein etwas verloren wirkendes Gipfelkreuz. Auf dem Berg, den Edward Whymper als Erster bestieg. Es war ja nicht irgendein Berg - es war der Berg, der noch ein paar Jahre zuvor der höchste Berg Frankreichs gewesen war. Da hätte Whymper also etwas eher kommen sollen. Welcher Berg?

Lösung

Barre des Écrins, 4102 m

Der höchste Berg Frankreichs? Die Barre des Écrins in der Dauphiné, jedenfalls bis 1861, als Savoyen und damit der Mont Blanc zu Frankreich kamen. Die Erstbesteigung gelang Edward Whymper 1864, als der Berg also nicht mehr top in Frankreich war. Kurios: Lange hielt man den Mont Pelvoux (3946 m) in der Dauphiné für den französischen Rekordhalter - weil die Barre des Écrins vom Tal aus nicht zu sehen ist. Erst vom Gipfel des Pelvoux aus, den Whymper 1861 bestieg, entdeckte er, dass es nebenan noch einen höheren Berg gab.

6 Grüezispitze

Das war einst der höchste Gipfel der Schweiz - welcher Gipfel?

Lösung

Finsteraarhorn, 4274 m

Erst 1815 kamen das Wallis und der Monte Rosa zur Schweiz. Davor war das Finsteraarhorn in den Berner Alpen mit seinen 4274 m der höchste Schweizer.

7 Cima Altissima

Der höchste Gipfel Italiens? Nach französischer Lesart ist es der hier gezeigte Gipfel. Dem folgt auch die Schweizer Landeskarte. Sein Name?

Lösung

Mont Blanc de Courmayeur, 4748 m

Der höchste Gipfel Italiens ist der Mont Blanc de Courmayeur. Sagt man in Frankreich. In Italien sieht man das anders: Laut dortiger Meinung läuft die Landesgrenze direkt über den Gipfel des Mont Blanc, 4808 m. Die ansonsten neutrale Schweiz sekundiert mit ihrer Landeskarte Frankreich und schlägt den Mont Blanc-Gipfel dem Land alleine zu.

8 Summus Bavaricus

Der Gipfel der Schwierigkeiten: Bevor die Zugspitze Ende 1802 zu Bayern kam, war dieser passend benannte Gipfel der Höchste im Bayernland. Welcher Gipfel?

So bekannt wie der Watzmann ist der gesuchte Berg übrigens nicht. Unseres Wissens findet sich nirgends diese Fragestellung und schon gar nicht die Lösung dazu, weder in den Weiten des Internets, noch überhaupt in irgendeiner Quelle. Hier gilt also: Lassen Sie das Auge suchend über die Landkarte schweifen und entdecken Sie, was vor Ihnen nur zwei oder drei Menschen wussten.

Lösung

Kreuzspitze, 2185 m

Der höchste Berg Bayerns, bevor die Zugspitze zu Bayern kam? Hier ging es ans Eingemachte. Zunächst galt es einiges über die historischen Grenzen Bayern herauszufinden. Erst Ende 1802 fiel die Grafschaft Werdenfels mit der Zugspitze an Bayern. Zuvor hatte Werdenfels zum Hochstift Freising gehört.
War davor der Watzmann der Ober-Bayer? Nein, das hatten wir in der Frage bereits angedeutet. Das Berchtesgadener Land, die frühere Fürstpropstei Berchtesgaden, kam erst später zu Bayern, nämlich 1810. Auch die Allgäuer Berge halfen nicht weiter, denn auch sie kamen fast gleichzeitig mit Werdenfels an Bayern. Blieben also die "urbayerischen" Berge um Bad Reichenhall, im Chiemgau, um Schliersee und Tegernsee, der Isarwinkel und die Ammergauer Berge.

Im Detail wird das aber tricky: Gehörte etwa das Vorkarwendel mit der Soiernspitze zu Bayern oder zu Werdenfels? Dann wäre die Soiernspitze mit 2259 m gesucht. Doch leider Fehlanzeige: Die Soierngruppe war samt Wallgau und Krün Teil von Werdenfels. Die damalige Grenze Werdenfels/ Bayern entspricht der heutigen Landkreisgrenze zwischen GAP (Garmisch-Partenkirchen) und TÖL (Bad Tölz); sie verläuft wie damals über den Hohen Grasberg in Richtung Baierkarspitze. Der Schafreiter über dem Sylvensteinspeicher und damit ein Urbayer wäre immerhin schon mal 2102 m hoch - aber das war nicht der Weisheit letzter Schluss.
Eine genaue Karte der alten Grafschaft Werdenfels tat not - und die gibt es im Netz. Hier etwa: geschichte.digitale-sammlungen.de. Mit dieser Karte lichtet sich das Problem: Der Siegerkranz gebührt der Kreuzspitze in den Ammergauer Alpen mit 2185 m. Am Fuße der Kreuzspitze, unweit von Linderhof, ließ sich Kini Ludwig II. eine Einsiedelei errichten.

Warum nur erwähnt - soweit wir wissen - keine Quelle die Kreuzspitze als (ehemalige) Rekordhalterin? Heute ist sie es ja längst nicht mehr und vor 1802 wurden Berge kaum je vermessen. Man wusste einfach nicht, was der Höchste im Lande war, vielleicht interessierte es schlicht niemand. Die Kreuzspitze wirkt ohnehin nicht sonderlich prominent.
Zwar war bereits 1801 das Topographische Bureau in Bayern gegründet worden, das heutige Landesvermessungsamt, aber zunächst gab es andere Dinge zu tun als Berge zu vermessen, für die niemand eine Verwendung hatte. In den älteren Landesbeschreibungen Bayerns haben wir jedenfalls keinen entsprechenden Hinweis auf die Kreuzspitze gefunden. Haben Sie mehr aufgestöbert?

Über den Autor

Der Autor, CUS, galt als "gemeinster Fragesteller Deutschlands" (taz). Vom Watzmann bis zur Barre des Écrins durchpflügte er viele Jahre die Alpen. Zu einem Fünftausender hat es immerhin gereicht, wenn auch nur im Bundesstaat New York, wo man Höhen in Fuß angibt.

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