Junge Frau nutzt ihr Smartphone während einer Bergtour.
Ständiger Begleiter: Das Smartphone ist auch am Berg dabei. Foto: Adobe Stock/Alex from the Rock
Digitaltechnologie und Klimawandel

Digital, alles egal?

Die digitalen Technologien haben unsere Lebenswelt umgekrempelt, in vielem einfacher gemacht, aber auch neue Fragen aufgeworfen. Ob sie zur Klimakrise beitragen oder dagegen helfen können, hängt auch davon ab, wie wir sie nutzen.

Mike Berners-Lee, englischer Forscher, Autor und Professor, hat es für sein Buch „Wie schlimm sind Bananen?“ ausgerechnet: 1,4 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente, rund 2,5 Prozent der globalen jährlichen Treibhausgasemissionen, entstehen durch die weltweite Informations- und Kommunikationstechnik, allein 600 Millionen Tonnen davon durch Handys. Ist also jeder Google-Klick ein kleiner Sargnagel fürs Klima?

Andererseits: Kämen wir überhaupt noch raus aus der Digitaltechnologie? Sie prägt unser Leben, vom persönlichen Telefonat und der Sortierung der Familienfotos bis zur Steuerung von Produktionsprozessen und der Organisation der Gesellschaft. Auch der DAV hat vor einigen Jahren sein Riesenprojekt Digitalisierung gestartet, um die Verwaltung des mittlerweile drittgrößten deutschen Sportverbandes effizienter, die Zusammenarbeit untereinander besser und die Information für Mitglieder noch umfassender zu machen.

Im Detail betrachtet, kann Digitaltechnologie sparsamer sein als konventionelle. Am deutlichsten zeigt sich dies bei den virtuellen Meetings, die – durch Corona noch angeschoben – viele Kilometer (Geschäfts-)Reisen unnötig gemacht haben. Kleines Beispiel: Wenn sieben ehrenamtlich im DAV Tätige zu einer Gremiensitzung durchschnittlich ungefähr 700 Kilometer anfahren, entspricht das 160 (Zug-Anreise) bis 900 (Auto-Anreise) Kilogramm CO2, im Vergleich zu 2,8 Kilogramm für acht Stunden Internetnutzung für sieben Personen. Auch sonst kann „digital“ sparen helfen: Den „ökologischen Rucksack“ einer Musik-CD berechnet das Wuppertal-Institut auf 1600 Gramm, den entsprechenden MP3-Download auf 670 Gramm. Auf 300 Gramm Treibhausgas-Emissionen schätzt Berners-Lee im Vergleich eine Tageszeitung (aber nur, wenn sie recycelt wird); gut, dass inzwischen rund 150.000 Mitglieder DAV Panorama nur noch digital beziehen. 300 Gramm Emissionen verursacht laut Berners-Lee auch ein Brief, eine E-Mail dagegen nur 0,2 Gramm – 15 Gramm werden es allerdings schnell, wenn man sie an einen großen Verteiler schickt und allerlei Fotos anhängt. Ob „digital“ also eher Rettung als Gefährdung ist, hängt auch davon ab, wie man's macht.

Die Grafik zeigt, dass mit der Nutzung digitaler Technologien deutliche CO2-Ausstöße einhergehen. Infografik: DAV/Sensit Communication

Vermeiden und Reduzieren

Folgen wir dem bewährten Dreischritt „Vermeiden – Reduzieren – Kompensieren“, können wir uns also zuerst fragen, welche digitalen Angebote wir entbehren können. Wer etwa in Kryptowährungen wie Bitcoin investiert, trägt dazu bei, dass riesige Computerfarmen, oft in Ländern, die Kohlestrom nutzen, jährlich fast 70 Millionen Tonnen Treibhausgase emittieren. Am Berg kann „digital detox“, also der Verzicht auf ständige mediale Selbstdokumentation und -präsentation, dazu beitragen, das Hier und Jetzt tiefer zu erleben. Und Kompetenz entwickelt sich, wenn man sich nicht blindlings vom Navi durch die Berge lenken lässt, sondern dank Karte und Führerliteratur stets einordnen kann, wo man sich befindet und wo man hinmöchte.

Zum Stichwort „Reduzieren“ gilt für digitale Endgeräte wie für jedes Produkt zuallererst: lange nutzen! Zur Herstellung von Smartphone oder Laptop braucht es Energie und Rohstoffe, die auch durchs beste Recycling nicht leicht wiederzugewinnen sind, und Energie. Berners-Lee schätzt ein Smartphone auf 100 Kilogramm CO2-Äquivalente, einen kleinen Laptop auf 300 Kilogramm und einen großen Fernseher auf 700 Kilogramm, ihren Betrieb dagegen auf 30 bis 120 Gramm pro Stunde. Das heißt, die Produktion entspricht ungefähr 3000-6000 Betriebsstunden – bei fünf Stunden pro Tag sind das zwei bis vier Jahre. Wer diesen anfänglichen Rucksack so selten wie möglich tragen will, updatet das Gerät regelmäßig, bringt es zur Reparatur, wenn was kaputt ist, meidet Verträge mit regelmäßigem Austausch und gibt es am Ende weiter oder zur Recycling-Sammelstelle. Und auch wenn ein neues Gerät weniger Energie verbraucht, dauert es lange, bis der sparsamere Betrieb einen vorzeitigen Wechsel kompensieren kann.

Der nächste Trick heißt auch hier: Small is beautiful. Ein 16-Zoll-Laptop verursacht laut Berners-Lee doppelt so viel Produktionsemissionen wie ein 13-Zoll-Gerät (620 versus 326 Kilogramm), und auch im Betrieb sind die Unterschiede gewaltig: 10 Watt braucht ein Tablet, 60-80 Watt ein Laptop, 150-200 Watt ein Desktop und 400 Watt oder mehr ein Gaming-Bolide unter Volllast. Wird der Computer dagegen in den Ruhezustand versetzt, braucht er nur noch 5-10 Watt. Auf fast Null sinkt der Stromverbrauch, wenn man ihn nachts oder bei längeren Arbeitspausen abschaltet – entgegen anderslautenden Gerüchten schadet das der Maschine nicht. Um weiteren Energieverlust durch Kriechströme zu vermeiden, können Perfektion Liebende das Gerät samt WLAN-Router, Drucker und Co. vom Stromnetz trennen, durch Ziehen des Steckers oder durch abschaltbare Steckdosenleisten.

Auch im Verhalten lässt sich manches Sparpotenzial zugunsten des Klimas oder gar des Geldbeutels realisieren. So ist zwar der Energieverbrauch für eine E-Mail gering. Aber wenn weltweit jährlich fast 300 Milliarden davon verschickt werden, macht halt Kleinvieh auch Mist. Vor allem, wenn es bepackt ist, also jede Menge Fotos an einen großen Verteiler gehen, der sich vielleicht gar nicht dafür interessiert. Auch jedes unscharfe Foto, das auf einer Serverfarm der Cloud liegt anstatt gelöscht zu werden, trägt zur Gesamt-Emission bei. Und wer die 0,5 Gramm CO2 einer Internet-Suche in Anspruch nimmt, könnte das über die Suchmaschine Ecosia machen, die ihre Werbeeinnahmen nutzt, um Wälder aufzuforsten.

Clever nutzen

Digitaltechnik mag oft sparsamer sein als konventionelle, aber auch hier heißt es: Achtung Rebound! Also nicht die effizientere Technologie hemmungslos nutzen, und Ersetzbares wirklich bleiben lassen. Wer die Zeitung oder das Lieblingsmagazin praktisch nur noch am Reader liest, sollte die Printversion abbestellen, sonst summiert sich die Digitalversion nur dazu. Und braucht es zu Weihnachten statt einer lieben E-Mail wirklich Grußkarten aus Papier inklusive Transport? Dass Elektrogeräte mit Ökostrom mindestens genauso gut funktionieren wie mit Kohle-Mix, sollte klar sein, und trotzdem nicht vom achtsamen Gebrauch ablenken. Mach's einfach, aber smart, schlank, clever, ist ein guter Leitsatz für eine gute digitale Zukunft.

Digital – wirklich smart

  • Intelligenz und Hausverstand durch digitale Technik ergänzen, nicht ersetzen

  • Konventionelle Technologien (Meetings, Briefe, Zeitung …) durch sparsamere digitale Alternativen ersetzen, nicht ergänzen

  • Digitale Geräte lange nutzen, reparieren/ausbauen, zuletzt weitergeben oder recyceln

  • Kleinere Geräte nutzen, die weniger Ressourcen für die Herstellung brauchen als große

  • Auf Energieversorgung achten: Ruhezustand, Abschalten, vom Netz trennen

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