Klettergurt und Sicherungsgerät
Beim Klettern sorgen verschiedene Gurtmodelle für Sicherheit. Foto: DAV/Julian Rohn
Klettergurte

Anschnallen und Abhängen

„Stürzen verboten!“ – lange ein Dogma beim Klettern. Das änderte sich nicht nur mit dem Aufkommen dynamischer Seile, sondern auch dank der Entwicklung von Sitzgurten. Die zahlreichen aktuellen Gurtmodelle sind das Ergebnis einer fortwährenden Optimierung – und nicht mehr nur fürs Klettern gemacht.

Was zeichnet einen guten Gurt aus?

(K)ein Gurt für alle Fälle – verschiedene Klettergurte haben verschiedene Stärken und Schwächen. Grafik: Sensit Communication

1. Passform:

Klare Empfehlungen bezüglich einer Marke oder eines bestimmten Modells gibt es nicht. Ähnlich wie bei Berg- oder Kletterschuhen gilt: Der Gurt muss zum individuellen Körperbau passen und darf das Bewegungspotenzial nicht einschränken (Anprobe mit Probehängen im Geschäft). Eine gute Passform ist sicherheitsrelevant. Um im Sturzfall nicht aus dem Gurt zu rutschen, muss die Hüfte umschlossen werden. Der Gurt liegt also von oben her auf dem Hüftknochen auf. Ergonomische Modelle sitzen nach dem Schließen der Schnallen symmetrisch. Zwischen Bauch und Gurt, bzw. zwischen Oberschenkel und Gurt sollte eine flache Hand geschoben werden können. Die Beinschlaufen sollen nicht bis zu den Kniekehlen reichen, dafür sorgen entsprechend abgelängte Beinschlaufenfixierungen. Wegen der unterschiedlichen Anatomie von Frau und Mann bieten viele Hersteller geschlechterspezifische Modelle an. Bei Kindern bis mindestens 8 Jahren stellt der Kopf den schwersten Teil des Körpers dar. Deshalb neigen sie besonders bei Stürzen ins Seil, aber auch beim Topropen und Schaukeln dazu, sich kopfüber zu drehen. Außerdem sind die Hüftknochen der Kleinen meistens nicht besonders stark ausgeprägt. Zusätzlich zu einem Hüftgurt empfiehlt sich deshalb die Verwendung eines Brustgurtes – oder man entscheidet sich gleich für einen Komplettgurt. Ein solches Setup macht auch bei Menschen mit Übergewicht oder mit schwerem Rucksack Sinn.

2. Tragekomfort:

Gurte mit hohem Tragekomfort bieten

  • eine gute Atmungsaktivität

  • flaches Bandmaterial, das beim Gehen nicht wetzt

  • keine Probleme mit voller Beladung (z.B. Exen, Karabinern, Keilen, Friends)

3. Handling:

Merkmale für einfache Bedienbarkeit sind

  • leichtgängige Schnallen

  • unproblematisches Anziehen ohne Verdrehen der Beinschlaufen

  • eine reibungslose Einstellung der Beinschlaufenfixierung

4. Geringes Packmaß und Gewicht:

Je kleiner verpackbar und leichter ein Gurt ist, desto mehr eignet er sich

  • für lange Unternehmungen, bei denen man nicht permanent angeseilt unterwegs ist, wie z.B. Hochtouren

  • für schwierige Touren, wo jedes Gramm zählt

  • für einfache Touren in Kombination mit einem sehr leichten Seil – als Sicherheitsplus

5. Abriebfestigkeit:

Robustes, eher schweres Gurt- und Schlaufenmaterial ist gefragt, wenn direkter Kontakt mit Fels oder Eis häufig vorkommt

  • in Kaminen und Körperrissen

  • in Verschneidungen

  • beim Abhocken auf Abstiegen

6. Hängekomfort:

Je aufwendiger die Polsterung und je breiter die Bänder, desto erträglicher wird das Hängen

  • beim Ausbouldern von Sportklettertouren

  • an Standplätzen von steilen Mehrseillängentouren

  • bei längeren Abseilfahrten

Wie ist ein Gurt aufgebaut?

Aufbau eines Sportklettergurts. Illustration: Georg Sojer

Beim Anseilen werden je nach Gurtmodell und Hersteller entweder Hüftbandschlaufe und Steg mit dem Seil parallel zur Sicherungsschlaufe eingefasst, oder es wird direkt in der Sicherungsschlaufe angeseilt; die Gebrauchsanweisung beschreibt, welche Methoden zulässig sind! Als Anseilknoten werden der Achter und der doppelte Bulin empfohlen.

Welche verschiedenen Arten von Gurten gibt es?

Sportklettergurt: (s. oben) eine Schnalle am Hüftband, Varianten mit breitem Bandmaterial, Polsterung und vier großen Materialschlaufen zum Projektieren von Routen, leichte Varianten ohne große Materialschlaufen und ohne Polsterung für Durchstiegsversuche/zum Hallenklettern

Alpinklettergurt: eine Schnalle am Hüftband oder evtl. auch zwei Schnallen zur besseren Zentrierung, häufig Schnallen an den Beinschlaufen, ausreichende Polsterung, bis zu sechs große, robuste Materialschlaufen, scheuerfestes Obermaterial, Aufnahme für Eisschrauben-Clipper

Aufbau eines Alpinklettergurts. Illustration: Georg Sojer

Gletscher-/Hochtourengurt: eine Schnalle am Hüftband oder gar keine Schnallen, keine Polsterung wegen dicker Kleidung nötig, kleine Materialschlaufen, da auch die Schultergurte des Rucksacks im unteren Rückenbereich Material aufnehmen können, z.T. Gummis an den Beinschlaufen zur Fixierung einer Eisschraube

Aufbau eines Gletschergurts. Illustration: Georg Sojer

Klettersteiggurt: meist nur eine Schnalle am Hüftband, häufig Schnallen an den Beinschlaufen, flaches und breites Bandmaterial ohne Polsterung (langes Hängen ist nicht vorgesehen)

Canyoninggurt: eine Schnalle am Hüftband, verstellbare Beinschlaufen, bis zu vier Materialschlaufen, abriebfeste Kunststoffeinlage vom Hüftband über das Gesäß bis hin zu den Beinschlaufen, hohe Position der Anseil-/Abseilschlaufe

Was ist wichtig beim Kauf eines Klettergurts im Fachhandel?

  • Vorher: Einsatzspektrum bestimmen

  • Kleidung anziehen, die zusammen mit dem Gurt getragen wird

  • Passform und Bewegungsfreiheit prüfen/vergleichen

  • Hängeprobe durchführen

  • Gurt testweise mit Ausrüstung behängen

  • Gebrauchsanweisung nicht vorschnell entsorgen, sondern lesen

Wie pflegt man Klettergurte?

  • Handwäsche mit max. 40 Grad warmem Wasser, Gallseife und gegebenenfalls weicher Bürste

  • An der frischen Luft trocknen, dabei an der Sicherungsschlaufe aufhängen

  • Ohne angehängtes Material transportieren, Schutzhülle benutzen

  • Trocken und vor UV-Strahlung geschützt lagern

  • Abnutzung kontrollieren, besonders auf Steg, Hüftschlaufe und Sicherungsschlaufe achten; abgenutzte Gurte können reißen!

  • Angaben des Herstellers zur Lebensdauer beachten

DAV Lehrmeinung zum Anseilen an Hüftgurten

Die DAV Sicherheitsforschung fasst hier nochmal kurz die möglichen Methoden zum korrekten Anseilen an Hüftgurtenzusammen

 

Für das direkte Einbinden mit Seil am Hüftgurt gibt es zwei Anseilmethoden:

  1. Das Seil wird durch den Beinschlaufensteg und die Hüftgurtöse gefädelt.

  2. Anseilen nur im Sicherungsring am Hüftgurt.

Grundsätzlich ist es am besten, sich wie vom Hersteller in der Gebrauchsanleitung empfohlen einzubinden. Denn z.B. Verschleißindikatoren sind auf die Einbindeart abgestimmt. Sofern der Hersteller eine Methode nicht explizit verbietet, sind beide Methoden erlaubt und sicher. Bei der Normprüfung wird nämlich nicht nur die in der Gebrauchsanleitung empfohlene Einbindeart getestet, sondern auch der Sicherungsring muss einer Beanspruchung von 15 kN standhalten. Durch diesen Sicherheitspuffer bestehen keine Bedenken, dass die Festigkeit des Sicherungsrings für die Praxis unzureichend wäre.

Entscheidend ist, auf mögliche Verschleißerscheinungen am Einbindepunkt zu achten und dementsprechend den Gurt rechtzeitig auszusortieren.