Der Hochgall, höchster Berg der Rieserfernergruppe
Der Hochgall, höchster Berg der Rieserfernergruppe. Foto: Jörg Bodenbender
Hochalpines Klettern im Südtiroler Ahrntal

Klassiker: Hochgall Nordwestgrat

Im Südtiroler Ahrntal, direkt an der Grenze zu Osttirol, steht ein Gipfel, wie er formschöner nicht sein könnte. Der markante Hochgall Nordwestgrat ist ein Traumziel für Freunde klassischer Anstiege.

Namenskunde kann unterhaltsam sein. So liegt dieser Berg nicht etwa in der „Riesen“ferner- sondern in der „Rieser“fernergruppe – abgeleitet von „Riser“, das sind Steilrinnen oder -hänge, von denen Steine herunterpoltern. Der höchste Gipfel hier ist der Hochgall, der „hohe glänzende Berg“; die „Galle“ ist das Dialektwort für Blankeis an Wegen und Hängen. Wenn sie den Gipfel ziert, lässt man lieber die Finger davon. Denn der „Normalweg“ führt über mehrere hundert Höhenmeter mit durchgehender Kletterei nach oben – und auch wieder runter. Nach warmen Sommern schön ausgeapert aber verspricht (und hält) dieser Anstieg beste hochalpine Kletterfreude (wenn die Kompetenzen hat). In „Rieserferner-Tonalit“, einem hellen, dem Granit ähnlichen Gestein, wunderbar rau und griffig.

Doch selbst bei besten Verhältnissen tendiert die Gesamtanforderung schon eher in Richtung „AD“ (ziemlich schwierig). Solche aperen Verhältnisse haben natürlich eine dunkle Seite: die hell glänzende Nordwand des Hochgall, einst eine klassische Eistour, ist weitgehend ausgeapert. So wird man auch nicht unbedingt mehr dem Grat links in Firn ausweichen, wie die ersten Begeher, sondern ziemlich direkt der Schneide folgen, wie es 1877 erstmals F. Arning und P. Dangl taten. Wer Eis mag, kommt eher im Winter: Da ist das Tal von Rein in Taufers ein großartiges Revier zum Wasserfallklettern.

Die Tour im Überblick

  • Hochgall (3436 m)

  • Nordwestgrat: PD+, II (Stellen), KS B, T5

  • 680 Hm + 1160 HM im Auf- und Abstieg

  • Aufstieg: 2-2,5 Std. + 4-5 Std. 

  • Abstieg: 3-3,5 Std. + 1,5 Std.

Die Route auf den Hochgall über den Nordwestgrat. Foto: Jörg Bodenbender

Auf den Hochgall über den Nordwestgrat - Stück für Stück

1. Teilstück: Rein in Taufers – Kasseler Hütte

  • 2-2 ½ Std., T2

  • Der Hüttenzustieg auf der Südseite des Bachertals ist gemütlich und gut beschildert („Weg 1“). Bis zur Eppacheralm (2041 m) spaziert man durch Wald, vorbei an einem Wasserfall, zuletzt durch freies Gelände.

  • Variante: 1a Der Hochgall als Tagestour ist ein ambitioniertes Ziel. Deshalb bietet es sich an, die Hütte etwas aufwendiger, aber lohnender auf dem Arthur-Hartdegen-Weg zu erreichen. Der beschilderte Höhenweg („Weg 8A, 8“), der auch in Rein startet und sich über Kofler- und Ursprungalm nördlich des Bachertals entlangzieht, bietet großartige Aussichten mit nur geringen Gegensteigungen (ca. 1000 Hm, T3, 5-6 Std.); eine kurze ausgesetzte Stelle ist gesichert.

Gemütliche Unterkunft hoch über dem Reintal: die Kasseler Hütte ist der Stützpunkt für den Hochgall. Foto: Andreas Dick

2. Teilstück: Kasseler Hütte – Graues Nöckl

  • 2 ½ - 3 Std., T5, I-II

  • Auf dem Hartdegen-Weg um das Tristennöckl herum, nach Überquerung des Rieserfernerbachs führen Pfadspuren und Steinmandll rechts aufwärts zu den großen Sanderfeldern, die der zurückgehende Gletscher hinterlassen hat. Über Blockfelder stolpert man dem Westgrat des Grauen Nöckls (3084 m) entgegen, über den man in leichter Kletterei (I-II) den spitzen Gipfel erreicht.

Weglos heißt die Devise beim Aufstieg zum Grauen Nöckl; Pfadfinde-Geschick macht’s einfacher. Foto: Andreas Dick

3. Teilstück: Graues Nöckl – Hochgall

  • 1 ½ - 2 Std., II, Stelle KS B oder IV-, T5

  • Jetzt beginnt eine der schwierigsten Passagen: Ein ausgesetztes Gratstück (II) ist zu überklettern, dann geht es steil (Drahtseile) hinunter in eine Scharte, wo der Nordwestgrat ansetzt. Diesem folgt man mehr oder weniger direkt, in anregender Kletterei (durchgehend I-II) an raugriffigem Fels; auf lose Blöcke ist allerdings zu achten. Kurz vor dem Gipfel helfen Drahtseile über glatte, rissdurchzogene Platten hinauf (KS B); wer hier frei klettern mag, muss sich auf den unteren vierten Grad einstellen. Der letzte flache Grat zum Hauptgipfel trug in früheren Zeiten oft gefährliche Wechten; heute sollte das zumindest im Spätsommer meist kein Problem sein (auf der Hütte die aktuellen Verhältnisse in Erfahrung bringen).

  • Taktiktipp 1: Die Kletterei am Nordwestgrat ist anhaltend anspruchsvoll, nicht nur für kurze Stellen. Den Hochgall sollte nur angehen, wer im zweiten Grad solide seilfrei unterwegs ist. Denn Sichern würde schnell den Zeitplan gefährden.

  • Taktiktipp 2: Für diesen hohen Dreitausender sollten Steigeisen im Rucksack dabei sein. In warmen Sommern braucht man sie zwar gelegentlich nicht, aber bei Vereisung und früh im Jahr können sie sehr wertvoll sein.

Mit Tiefblick auf die Firnreste unter der ausapernden Nordwand führt Kletterei meist im zweiten Grat zum Hochgall-Gipfel. Foto: Andreas Dick

4. Teilstück: Abstieg zur Kasseler Hütte

  • 3 - 3 ½ Std., II, Stellen KS B, T5

  • Nun heißt es: jeden Kletterzug vom Aufstieg auch wieder abwärts machen. Das Abklettern summiert die Gesamtanforderung des Gipfels, einen leichten Weg gibt es hier nicht. Ob man für die Drahtseilplatten das Zusatzgewicht von Gurt und Klettersteigset mitträgt, ist Abwägungssache; der Tiefblick lässt sich gesichert leichter ertragen.

  • Variante: Früh im Jahr kann die Überschreitung zur Barmer Hütte möglich sein: Bei den Wirtsleuten kann man erfahren, ob die 45 Grad steile Firnrinne noch gut begehbar ist; später im Jahr vereist sie oder apert aus. Die Überschreitung erlaubt eine schöne Rundtour mit Rückweg über den Lenkstein.

Der Abstieg vom Hochgall folgt dem Aufstiegsweg und fordert nochmal Konzentration beim Klettern; weit unten liegt Rein in Taufers. Foto: Andreas Dick

5. Teilstück: Kasseler Hütte – Rein in Taufers

  • 1 ½ Std., T 2

  • Nach der Einkehr auf der Terrasse und einem erfrischenden Bad (oder zumindest einem Foto) beim hübschen Seelein über der Hütte, in dem sich der Hochgall spiegelt, geht’s nur noch gemütlich bergab.

Eine lohnende Variante zum Hütten-Normalweg ist der Arthur-Hartdegen-Weg – mit großem Panorama und dieser kurzen gesicherten Passage. Foto: Andreas Dick