Panoramablick auf ein nördliches Uralgebiet. Vorne ein Fluss, dahinter weite Berge.
Am Fluss Sob im Polar-Ural. Im Hintergrund der Berg Raiiz. Foto: AdobeStock
Gebirge Europas

Der Ural

Als „Der große Unbekannte“ unter den europäischen Gebirgen lässt sich der Ural beschreiben. In der Weite der Berge und auf den spärlich angelegten Straßen und Wegen sind nur wenige Einheimische unterwegs, von (westlichen) Tourist*innen ganz zu schweigen. Ein Begriff ist der Ural dennoch allen:

Zumindest dem Namen nach kennt schon früh jedes Schulkind den Ural. Im Geografie-Unterricht lernt man, dass dieses Gebirge die Grenze zwischen Asien und Europa markiert.

Der Ural ist Europas größte Wildnis. Mit nur etwa 50 Kilometer Breite ist der Ural ein sehr schmales Gebirge; dabei ist er sehr lang. Er erstreckt sich über rund 2200 Kilometer in Nord-Süd-Richtung durch den mittleren Westen von Russland – von Workuta am Polarkreis über Jekaterinburg am Fluss Isset bis nach Orenburg und Orsk nahe der russisch-kasachischen Grenze. Dort verläuft auch der gleichnamige Fluss Ural, bis dieser nach wiederum mehr als 2400 Kilometern in das Kaspische Meer mündet.

Perfekt zu erkennen im 3D-Rendering: der Ural (im rechten Bilddrittel) bildet eine natürliche Grenze zwischen Europa und Asien. Karte: AdobeStock

Hohe und besondere Gipfel

Aufgrund seiner Höhe zeichnet sich der Ural sowohl durch Mittelgebirgs- als auch Hochgebirgscharakter aus. Der Ural wird in fünf Gebirgszüge gegliedert, die ineinander übergehen. Von Nord nach Süd sind dies der Polar- sowie der Subpolar-Ural, der Nördliche, der Mittlere und der Südliche Ural.

Der höchste Gipfel – der 1895 Meter hohe Narodnaja (Народная) – findet sich im Norden des Ural in der Nähe des Polarkreises. Sowohl vom Klima als auch vom Relief her ist der Ural dort ein Hochgebirge.

Platz 2 und 3 im Ural-Gipfel-Ranking nehmen der Karpinski (Гора Карпинского, 1878m) sowie der Mansi-Njor (Манси-Ньёр, 1778m) ein.   

Schutzgebiete

Im Ural wurden, insbesondere seit den frühen 1990er-Jahren, verschiedene Schutzgebiete eingerichtet:  

Der Nationalpark Jugyd wa (Югыд ва) ist einer der größten Nationalparks Russlands; in ihm sind Taigawälder touristisch zugänglich. Im Nationalpark befinden sich auch die Urwälder von Komi (Девственные леса Коми), mit knapp 33.000 Quadratkilometern das größte zusammenhängende Urwaldgebiet Europas; seit 1995 gehört es zum UNESCO-Weltnaturerbe. Im südlichen Ural liegt der Taganai-Nationalpark (Национальный парк Таганай), er ist durchzogen von mehreren Gebirgszügen. Die Gegend ist vom Kontinentalklima geprägt; entsprechend lang und kalt sind die Winter. Im südlichen Ural wurde 1993 auch der Zyuratkul-Nationalpark (Национа́льный парк Зюраткуль) eingerichtet.

Weitere Schutzgebiete sind: das große arktisches Naturschutzgebiet Vishera (Вишерский) im mittleren Ural. Außerdem das Naturschutzgebiet Deneschkin kamen sapowednik (Денежкин камень заповедник) am Deneschkin, einem der höchsten Ural-Gipfel; es schützt relativ ursprüngliche, nicht-erschlossene Waldgebiete und ist nur sehr eingeschränkt touristisch zugänglich. Das Naturschutzgebiet Wissimski Sapowednik (Висимский заповедник) im südlichen Ural ist als strenges Naturreservat nur für die Forschung zugänglich. Anders der Naturpark Olenyi Ruchii (Оле́ньи Ручьи́), etwa einhundert Kilometer südwestlich von Jekaterinburg. Er wurde 1999 im mittleren Ural eingerichtet, um Naturlandschaften und historische und kulturelle Stätten zu schützen, gleichzeitig dient er der Erholung für die Bevölkerung.

Herbst im Ural. Am Vishera. Foto: AdobeStock

Wege & Routen

Im Ural unterwegs zu sein, ist nicht mit Touren und Bergwanderungen in den Alpen vergleichbar: Die Natur ist in weiten Teilen unberührt. Städte, Dörfer und selbst kleinste Siedlungen sind meist sehr weit entfernt voneinander. – Wer in diesem Gebiet wandern möchte, muss sich besonders gut vorbereiten. Das betrifft die körperliche Fitness und die Fähigkeit, sich in wildem Gelände zu orientieren und zu organisieren.

Um in Schutzgebieten unterwegs zu sein, bedarf es außerdem oft Genehmigungen der jeweiligen Reservatsverwaltung, wie im Vishera-Schutzgebiet. Dort gibt es drei jeweils mehrtägige touristische Routen – den „Tulimsk-Ring“ (76 km, 2–3 Tage), die Route „Entlang des Chuval“ (36 km, 2–3 Tage) sowie „Entlang der Südgrenze des Reservats“ (69 km, 4-5 Tage).  

Der Ural ist weit und wild. Foto: AdobeStock

Hütten

Im Ural existieren vereinzelte Gästehäuser, außerdem ist das Übernachten in einem Kordon (Кордон) möglich, wie vereinzelte Außenposten genannt werden. In den meisten Fällen muss man sich beim Wandern im Ural jedoch auf eine komplette Selbstversorgung und auf das Leben im Zelt einrichten.  

Flora

Auf seinen mehr als 2000 Kilometern folgen im Ural mehrere Vegetationszonen aufeinander – von der Tundra und Waldtundra im Norden, über riesige Nadel- und Laubwälder bis hin zur Waldsteppe und Steppe im Süden. Entsprechend differenziert und vielfältig ist die Vegetation im Ural. Etwa 5 Prozent der Ural-Flora sind endemisch. So etwa Lagotis uralensis, ein etwa 20–40 Zentimeter hohes Wegerichgewächs mit cremig-weißen Blüten. Zwei andere Arten, die nur im Ural heimisch sind: der Ural-Pfirsich und die Ural-Schlüsselblume.  

Viele der Pflanzen sind außerdem extreme Spezialisten, sie kommen mit Wintertemperaturen von bis zu 60 Grad unter Null zurecht, die im Ural keine Seltenheit sind. Die Sommertemperaturen können im Süden bis auf mehr als 20 Grad steigen.

Weit verbreitet im Ural sind Waldkiefern und Birken, ebenso Heidekrautgewächse wie die zu den Schuppenheiden gehörende Harrimanella hypnoides.

Im Frühling blühen die Bergwiesen im Subpolar-Ural. Foto: AdobeStock

Fauna

Mit etwas Glück erspäht man im Ural den Habichtskauz, eine große Waldeule. Sie ist auch als Uralkauz (Strix uralensis) bekannt.

Ton in Ton: Uralkauz auf einem Birkenast. Foto: AdobeStock

Unter den vierfüßigen Tieren des Urals sind Bären, Wölfe und Vielfraße die bekanntesten und oft auch gefürchtetsten; wenngleich alle von ihnen nach Möglichkeit eher vor dem Menschen flüchten, als ihn anzugreifen.

Außerdem durchstreifen Elche den Ural. Die vielen Flüsse sind ideales Terrain für den Europäischen Nerz. Auch der Russische Desman (Desmana moschata), der größte Verwandte des Maulwurfs, ist im Ural beheimatet; allerdings ist das wasserlebende Tier dort vom Aussterben bedroht.

Als ebenfalls stark gefährdet gilt das Saiga (Saiga tatarica), eine Antilopenart, die vom Ural bis in die Mongolei vorkommt. Wegen ihrer auffällig geformten Hörner fallen vor allem die Männchen immer wieder Jägern zum Opfer. Außerdem gab es zuletzt im Jahr 2015 ein Massensterben. Neuere Forschungen legen den Schluss nah, dass die veränderten Klimabedingungen den Tieren schaden, denn sie werden von einem Bakterium befallen, das den Saigas insbesondere bei hohen Temperaturen nicht zuträglich ist.

Durch ihre auffällig geformten Hörner unverkennbar: Saigas. Foto: AdobeStock

Kulturelles & Historisches

Eines der wohl größten Mysterien der Berggeschichte ist im Ural zu verorten, am nordöstlichen Hang des 1097 Meter hohen Cholat Sjachl; der Name bedeutet soviel wie „Toter Berg“ im mansischen, einer in Nordwest-Sibirien gesprochenen indigenen Sprache:

In der Nacht vom 1. auf den 2. Februar 1959 kamen am Cholat Sjachl acht Skitourengeher (zwei Frauen und sechs Männer) ums Leben. Als man die Leichen fand, lagen sie weit verstreut am Hang, teils extrem entstellt. Frühzeitig tippte man auf einen Lawinenabgang als Grund. Doch weil die Topografie nicht zu dieser Erklärung zu passen schien und einmal mehr, weil das Unglücksgebiet für drei Jahre gesperrt wurde, entstanden über die Jahrzehnte unterschiedlichste (Verschwörungs-)Theorien und Spekulationen, die selbst Yetis und Außerirdische zum Inhalt hatten. Erst mit modernsten Computermodellen und durch das Zusammenführen von Informationen verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen ist es in den vergangenen Jahren gelungen, die Todesnacht realitätsgetreu zu simulieren. Demnach war tatsächlich eine Lawine die plausibelste Erklärung für das Geschehen. Nach dem Gruppenanführer heißt der Unglücksort seitdem Djatlow-Pass.       

Mit dem Ural verbunden

Der Ural ist groß, Jekaterinburg die heute viertgrößte Stadt und wichtiges Zentrum von Russland.  

Aus dem Ural stammen beispielsweise Anatoli Karpow, der mehr als drei Jahrzehnte an der Schach-Weltspitze spielte, sowie der ehemalige Profischwimmer Alexander Popov (geboren in Swerdlowsk, heute Jekaterinburg). Auch der Chemiker Dmitri Mendelejew, der das Periodensystem der chemischen Elemente entwickelte (unabhängig und neben dem deutschen Arzt und Chemiker Lothar Meyer) sowie der Physik-Nobelpreisträger Konstantin Novoselov stammen aus dem Ural. Der russische Geologe Alexander Petrowitsch Karpinski erforschte den Ural sehr genau; nach ihm ist auch der zweithöchste Berg des Ural, der Karpinski, benannt.    

Zu bekannten Namen der russischen Geschichte zählen: der Wanderprediger Grigori Rasputin sowie der erste Präsident Russland, Boris Jelzin. Beide stammen aus dem Ural. Der letzte russische Zar, Nikolaus II., wiederum starb im Ural, in Jekaterinburg.   

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