Zwei Männer machen Selfie mit Gipfelkreuz
Geschafft: Marc und Thomas am Zugspitzgipfel. Foto: Thomas Schiller
Über die Eisenzeit auf die Zugspitze

Eine Pilgerfahrt in die Vertikale

Mit 50 Jahren nochmal in eine große Wand einsteigen, wenn man das nicht von Jugend an gewohnt ist, kostet schon etwas Überwindung. Marc Eichhorn will es wissen und wagt mit Bergführer Thomas die Tour durch die Riffelnordwestwand auf die Zugspitze.

Von: Marc Eichhorn

Hemingway soll einmal gesagt haben, dass es genau drei Sportarten gibt: Stierkampf, Autorennen und Bergsteigen. Der Rest wären nur Spiele.

Dieses unbestätigte, testosterondurchwirkte Bonmot des Großschriftstellers, Großwildjägers und Großtrinkers aus Oak Park (Illinois) wirkt heute etwas aus der Zeit gefallen, erklärt aber vielleicht, warum er im Winter 1944, im Alter von 45 Jahren, noch einmal Drillich und Stahlhelm überwirft, um in eine der letzten Schlachten des ausgehenden Zweiten Weltkriegs zu ziehen: das Gemetzel im Hürtgenwald. Ein Stück Midlifecrisis wird wohl darin gesteckt haben. Diese Angst, die vor allem Männer mittleren Alters beim Blick auf das Zurückliegende erfasst und sie dazu antreibt, Dinge zu tun, die für Außenstehende nur schwer nachvollziehbar sind. Noch einmal ins Stahlgewitter, wird er sich vielleicht gedacht haben, nochmal einen großen Kriegsroman schreiben, noch einmal Ausbruch, Abenteuer, intensives Leben.

Viele Männer in diesem, in meinem Alter kaufen plötzlich Sportwagen und Motorräder oder verschwinden für Monate auf den Jacobsweg nach Santiago de Compostela. Ich bin da eher bei Hemingway, hege allerdings keine Leidenschaft für Tierquälerei oder Motorengeheul. Meine Pilgerfahrt geht in die Vertikale.

Nun kann niemand ernsthaft behaupten, dass im Felsklettern oder Bergsteigen irgendein tieferer Sinn liegt. Messner nannte sich einen “Eroberer des Nutzlosen”. Aber irgendetwas treibt die Menschen dort hinauf, ungeachtet aller objektiven Gefahren. Ich selbst versuche mich seit meinem zweiundvierzigsten Lebensjahr in diesem Sport. Das Konditionstraining im Winter fällt mir von Jahr zu Jahr schwerer. Dieser heutige Tag wird noch den Beweis erbringen, dass die Quälerei nicht umsonst war.

In die Steilabbrüche der Nordwand

Grainau. Sechs Uhr am Morgen. Der Wecker klingelt. Nach unruhigem Schlaf wache ich auf, steige aus dem Bett und gehe ans Fenster. Ein Traumtag! Die Felsen um die Gipfelstation der Zugspitz-Seilbahn glühen golden vor einem azurblauen Himmel in der Morgensonne. Darunter liegen die Steilabbrüche der Nordwand dunkel und abweisend im Schatten. Mir ist flau, weil ich eine ungefähre Ahnung davon habe, was heute noch vor mir liegt. Ich ziehe mich an, würge eine Schale Müsli runter, die ich mir von zuhause mitgebracht habe, weil der Frühstücksraum erst ab 8:00 Uhr öffnet. Clevererweise habe ich die Milch vergessen. Mit Mineralwasser geht es aber auch…irgendwie. Dann noch zwei Powerriegel hinterherschieben und Traubenzucker. Unbedingt den Tank auffüllen, auch wenn der Körper sich sträubt. Als ich fertig gepackt habe, schleiche ich mit dem Rucksack über der Schulter aus der Pension. Das Dorf schläft noch. An der Loisachstraße sammelt Thomas mich mit dem Auto auf.

Die Straßen sind noch leer, als wir uns auf den Weg Richtung Zugspitzbahn machen. Foto: Marc Eichhorn

Eine gute dreiviertel Stunde später steigen wir zusammen mit drei Wanderern am Riffelriss aus der Zahnradbahn, die durch den Tunnel weiter auf das Zugspitzblatt fährt. Thomas ist mein Bergführer. Er ist froh über die kurze Zugfahrt, weil er 46 Führungstage in den Westalpen hinter sich hat. Mit der Bahn haben wir uns zwei Stunden langweiligen Fußmarsch durch den Wald erspart. Seine Füße werden es ihm danken, meint er. Als der Zug im Tunnel verschwindet, springen wir über die Gleise und nehmen den schmalen Pfad, der im Dickicht der Latschenkiefern verschwindet. Die Wanderer schauen uns verdutzt hinterher. „Wo gehen die hin?“ steht in ihren fragenden Gesichtern geschrieben. Nicht allzu steil führt der Weg in Serpentinen bergauf durch mannshohes, dichtes Gestrüpp. Hin- und wieder blitzt zwischen den Ästen das beinahe karibische Türkisblau des Eibsees mit seinen Inseln hervor. Die Latschen werden kleiner, verschwinden schließlich ganz. Baumgrenze. Noch ist das Gelände nicht schwierig. Weglos geht es über mäßig steile Schrofen weiter. Wiesen und Geröll. Eine kurze, ausgesetzte Stelle mit einem rostigen Stahlrohr. Dann sind wir am Anseilplatz unter der alten Sprengseilbahn angekommen.

Wir starten mit Blick auf unsere heutige Aufgabe. Foto: Marc Eichhorn

"Wandern wäre ja auch ein schönes Hobby"

Hier beginnt die „Eisenzeit“. Das ist der Name unserer Kletterroute, die sich anfangs am Weg der Tunnelbauer von vor rund hundert Jahren orientiert und sich später im Gewirr der zerklüfteten Nordwand verliert. Der Name ist Programm. Überall liegt und hängt verrosteter Metallschrott herum. Der Fels ist selten kompakt, meist eher bröselig. Die Wegfindung ist schwierig. Vierzehn Tage später wird genau das einem Kletterer zum tödlichen Verhängnis. Ich bin froh, dass ich mit Bergführer unterwegs bin.

Am Kurzseil führt mich Thomas über ein ausgesetztes Band. Überhaupt nicht mein Gelände und schon gar nicht meine Sicherungsmethode. Geht aber nicht anders. Also muss ich da durch. Wandern wäre ja auch ein schönes Hobby, denke ich, während ich versuche nicht nach unten, sondern auf den Weg zu schauen. Zum Glück hängen hier und da noch die verrosteten Drahtseile der Tunnelbauer. Viele Felshaken sind schon aus der Wand gebrochen und baumeln lose am Draht. Einen Sturz würden sie nicht aufhalten, aber es ist ganz gut für den Kopf, irgendwas anfassen zu können. Am Ende des Bandes kommt die erste Steilstufe. Trittstufen haben die Tunnelbauer hier in den Fels gehauen, fast wie im Herrn der Ringe. Eine steile Stiege hinauf auf die Schulter des Berges. Es ist leicht ausgesetzt, aber immer noch keine Schwierigkeit, die mir Angst bereiten würden.

Ausgesetzt! Ohnehin so ein komisches Wort aus der Bergsteigersprache. Es bedeutet wohl für jeden etwas anderes und lässt sich schlecht abschließend definieren. Darin steckt immer Angst: Die Angst, den Halt zu verlieren, in bodenlose Abgründe zu stürzen, die Angst zu sterben. Die Berge kennen objektive Gefahren: Steinschlag, Lawinen, Wettersturz, Blitzschlag. Ausgesetztheit ist keine davon. Ausgesetztheit ist sehr individuell. Was für den einen bereits gefährlich steil ist, kann für einen anderen ein genussvoller Bergweg sein.

Ausgesetzt ist ein Begriff, der eine Grenze beschreibt, die sich nur im Kopf befindet. Es ist das Ende der Komfortzone.

Etwa zur Hälfte der Steilstufe wartet die „Harakiri-Leiter“. Eine verbeulte, verbogene Stahlleiter, die lose in einer steilen Verschneidung hängt. Einer meiner ersten Angstpunkte, der sich aber vor Ort in Nichts auflöst. So schlimm ist es gar nicht. Das Ding wackelt zwar, aber es wird nicht ausreißen. Alles gut. Noch ein paar Meter weiter und wir können auf dem kleinen Sattel, auf dem ein alter Lichtmast steht, kurz pausieren. Der Blick hinunter ist gigantisch. Doch wir müssen weiter. Bisher war es mehr eine exponierte Wanderung. Die eigentlichen Schwierigkeiten liegen noch vor uns.

Eine Erste folgt kurz nach dem Lichtmast. Die brüchige Wandstelle hinter der großen Nische. Zehn Meter senkrechter Fels. Zum Glück nicht sehr ausgesetzt und auch mit Zustiegsschuhen gut kletterbar. Überhaupt übersteigt die Route nie den vierten Schwierigkeitsgrad. Unterschätzen darf man die Eisenzeit aber nicht. Man bewegt sich ständig im Absturzgelände, die Sicherungspunkte sind rar gesät, die Felsqualität oft unterirdisch. Brüchige Platte, brüchige Stufe, loses Geröll, steiler Schotter, schottrige Bänder. Begriffe, die in der Tourenbeschreibung recht häufig vorkommen und bei denen sich mir eigentlich die Nackenhaare aufstellen. Das ist nicht mein Terrain. Warum habe ich mich darauf eingelassen? Komischerweise hatte ich diese Art von Gedanken nur am Vorabend. Jetzt in der Wand bin ich fokussiert. Ich prüfe Tritte und Griffe bevor ich sie belaste. Meine Augen, Finger und Füße suchen und finden die richtigen Punkte. Das gibt mir Sicherheit. Die Bewegungen werden fließender, leichter. Ich bin nur noch im Jetzt und im Hier. Lynn Hill, die berühmte amerikanische Kletterikone, hat einmal vom Klettern als „moving meditation“ gesprochen. Heute bekomme ich eine ungefähre Ahnung davon, was sie gemeint hat, wenn Denken und Handeln eins werden.

Nach der brüchigen Wandstelle kommen die Tunnelfenster. Hier haben die Bergleute von einst den Bau der Zahnradbahn voran getrieben. Wir schauen uns das alte Gebäude aus Beton an, dass sich in eine Felsnische kauert. Bierflaschen liegen herum, verrottendes Holz, Metallschrott. Was muss das für ein Arbeitsleben gewesen sein hier oben auf fast 2400 Metern. Am Ende von Tunnelfenster IV machen wir Rast. Einen Apfel, zwei Riegel. Mehr bekomme ich nicht runter trotz der Anstrengungen und es liegen noch fast zweidrittel des Weges vor uns.

Blick auf den Eibsee durch eines der Tunnelfenster in der Eisenzeit. Foto: Marc Eichhorn

Nach den Tunnelfenstern geht es weiter über Rampen. Später eine etwas unangenehme Plattenquerung im dritten Schwierigkeitsgrad. Dann wieder eine kurze leichte Rampe. Ein kleiner Talkessel öffnet sich. Auch ein Dreier, der gequert werden muss. Es gibt nur drei Sicherungspunkte. Sehr weit auseinander. Stürzen ist hier – trotz Seilsicherung – verboten, denke ich, als ich sehe wie das Seil ca. zehn Meter frei in der Luft bis auf die andere Seite des Kessels hängt. Danach muss eine Stelle von fünf Metern im zweiten Grad ebenfalls ohne Sicherung abgeklettert werden und im Anschluss folgt direkt die zweite Vierer-Stelle über eine brüchige Stufe. Volle Konzentration. Ich habe gar keine Chance über meine Angst nachzudenken. Zurück kann ich ohnehin nicht mehr. Raus geht’s hier nur noch nach oben.

Die Geschichten von draußen

Immer wieder schicken uns DAV-Mitglieder und andere Bergbegeisterte E-Mails mit tollen Geschichten und Erlebnissen von draußen in die Redaktion. Es sind Geschichten aus den Bergen oder anderswo in der Natur. Mit der Online-Rubrik "Geschichten von draußen" schaffen wir eine Möglichkeit, all diese Geschichten und Erlebnisse zu teilen. Und alle, die lieber lesen als schreiben, finden hier Unterhaltung, Inspiration und vielleicht schon Planungsgrundlagen für die eigene nächste Tour. Die Geschichten ersetzen keine individuelle und sorgfältige Tourenplanung.

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Gegen Ende jedes Jahres wird über die besten Geschichten abgestimmt – die Autor*innen der Gewinner-Storys dürfen sich über einen tollen Gutschein freuen.

Schrecksekunden im Schuttfeld

Plötzlich werden meine Finger taub. Der Fels ist kalt. Ich bin das nicht gewohnt. Eine Rinne führt 50 Meter im dritten Grad steil nach oben. Zupacken ist angesagt. Mit klammen Fingern eher unschön. Ich puste, ich reibe, ich knete. Das Taubheitsgefühl bleibt. Die ersten Meter in der Rinne fühlen sich komisch an, etwa ab der Hälfte tauen die Finger langsam wieder auf. Am Stand ist dann wieder alles OK.

Weiter geht es über schottrige Bänder und Rampen. Die Gipfelstation scheint zum Greifen nahe, aber darunter ist eine gewaltige Wand. Die Größenverhältnisse sind verschoben. Wir kommen gut voran und immer näher zu der Stelle, vor der ich mich am meisten gefürchtet habe: Das steile Schuttfeld.

„Längerer Abschnitt ohne Standplätze“ heißt es in der Routenbeschreibung euphemistisch. In Wahrheit ist hier eine breite, extrem abschüssige Schotterfläche zu überqueren, die nach einigen Metern in einen bodenlosen Abgrund abbricht. Keine Felsen, an denen man sich festhalten könnte. Keine festen Stufen oder Tritte. Nur loses Geröll. „Jetzt tief in den Schotter treten. So. Siehst du?“, sagt Thomas und zeigt mir, wie dieser Alptraum zu überwinden ist. Wir gehen wieder am Kurzseil. Wenn ich falle, ist er vermutlich auch mit dabei. Schritt für Schritt, denke ich, trete dann tief in das lose Geröll, versuche den Druckpunkt zu erspüren. Hält das Schotterpaket unter meinen Füßen? Immer wieder sacke ich ein. Schrecksekunden. Im Nachhinein würde ich sagen, dass ich mich noch nicht mal zu atmen getraut habe. Dann sind wir auf der anderen Seite. Geschafft. Ich habe wieder festen Fels zwischen den Händen. Ein beruhigendes Gefühl.

Es folgen noch zwei wirklich schöne Seillängen in einfacher Kletterei an festem Fels und mit tollen Tief- und Ausblicken. Noch die letzten Meter, dann stehen wir zum ersten Mal in der Sonne. Wir sind raus aus der Nordwand! Das Ende der Eisenzeit.

Auch wenn der Ausblick zum Staunen einlädt: An vielen Stellen in der Eisenzeit ist Konzentration angesagt. Foto: Thomas Schiller

Auf dem Riffelgrat machen wir erstmal Pause. Vor uns öffnet sich das Höllental, aus dem ein drahtseilversicherter, sehr beliebter Klettersteig auf die Zugspitze führt. Wir sitzen in der Sonne. Genießen den Tag. Essen und Trinken. Ich hab’s geschafft, denke ich, was sich bald als Irrtum herausstellen wird.

Anders als es das Auge uns weismachen will, ist die Gipfelstation nicht zum Greifen nahe. Dreihundert Höhenmeter sind es noch. Die wie an einer Perlenschnur aufgereihten Menschen auf dem Klettersteig und das Klackern ihrer Karabiner weisen uns den Weg.

Thomas seilt mich 50 Meter in den Klettersteig ab. „Geh schon mal vor“, ruft er. „Ich hole dich schon ein.“ Ein paar freundliche Herren im Klettersteig nutzen unser Abseilmanöver, um eine kurze Pause zu machen. „Kommt ihr aus der Eisenzeit?“, fragt einer. „Hört sich komisch an“, denke ich, beantworte aber dann die Frage und bedanke mich, dass er mich vorgelassen hat. Ich binde mich aus dem Seil, rufe Thomas noch ein fröhliches „Seilfrei“ zu und folge dann dem Klettersteig.

Anfangs verzichte ich auf des Klettersteigset. Der Steig ist in diesem Abschnitt nicht schwierig und selten ausgesetzt. So spare ich viel Zeit. Die anderen lasse ich schnell hinter mir. Es geht gut voran, denke ich, aber irgendwie will der Gipfel nicht näher kommen. Langsam geht mir die Puste aus.

Bevor ich unsicher werde, hänge ich dann doch das Klettersteigset ein. Jetzt ist es nur noch Quälerei. Monoton setze ich einen Fuß vor den anderen. Keinen Blick mehr für die wilde Schönheit des Höllentals. Immer wieder muss ich kurz stehen bleiben, durchschnaufen und weiter, immer weiter. Irgendwann auf halber Strecke holt Thomas mich leichtfüßig ein. „Geh ruhig schon vor“, sage ich. „Schon gut. Wir gehen zusammen hoch“, meint er. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit. Aber irgendwann sind wir dann doch oben.

Reise zu sich selbst

Ich war schon auf einigen Bergen in den vergangenen acht Jahren, aber anstehen, um auf den Gipfel zu kommen, musste ich noch nie. Leute in kurzen Hosen und Sandalen, Frauen mit Handtaschen. Viele Selfiesticks. Wenn man nach fünfeinhalb Stunden aus der Einsamkeit der Nordwand kommt, ist das schon ein sehr krasser Wechsel. Kurz überlege ich, auf das Gipfelfoto zu verzichten. Dann denke ich: „Ne, jetzt hast du dich hier hochgeschleppt, da kommt es auf die fünf Minuten auch nicht mehr an.“

Geschafft: Marc und Thomas am Zugspitzgipfel. Foto: Thomas Schiller

Irgendwann später sitzen wir zusammen drinnen bei Würstel und Bier. Reden so dies und das. Den Urlaub, die Kinder, die Schule. Mein Kopf leer und voll zugleich. Während der Talfahrt mit der Gondel, kann ich nochmal einen Blick in die Nordwand werfen. Ganz fassen kann ich es immer noch nicht.

War’s das jetzt? Habe ich erreicht, was ich wollte? Bin ich stolz über den Gipfelsieg am höchsten Berg Deutschlands im fünfzigsten Lebensjahr? OK, ich hab’s geschafft. Ist es ein gutes Gefühl? Ohne Frage! Aber Gipfelsieg? Ich habe nicht den Berg besiegt, sondern nur meine eigene Angst. Was zählt das?

Irgendwann später fragt mich jemand, ob das am Gipfel nicht ein Adrenalinrausch gewesen sei. Nein, war es nicht. Klettern hat nichts mit Adrenalin zu tun. Wer beim Klettern Adrenalinausbrüche bekommt, ist in Schwierigkeiten. So viel habe ich gelernt in den vergangenen Jahren. Es geht um die Kontrolle der Bewegung, das Erlebnis der Natur und die Konzentration auf das Wesentliche. Eine kleine Reise zu sich selbst. Klettern ist ein anderer Aggregatzustand des Daseins. Vielleicht eine Pilgerfahrt.

Zwei Wochen später habe ich die Angst vergessen und denke schon darüber nach, welchen Berg, welche Route ich im nächsten Jahr angehen könnte. Die große Zinne? Die Vajolet Türme? Vielleicht was im Wilden Kaiser? „Verrückt!“, sagen manche. „Wirklich oben bist du nie“, hat Reinhard Karl mal dazu gesagt. Mehr Worte braucht es nicht.

Über den Autor

Marc Eichhorn ist 51 Jahre alt, Ingenieur, kommt aus dem Westerwald, ist verheiratet und hat drei tolle Töchter. Seit knapp 10 Jahren klettert er in der DAV Sektion Siegerland, geht aber auch gerne mit Freunden wandern. Er hat recht spät zum Klettersport gefunden, kann sich aber ein Leben ohne ihn inzwischen gar nicht mehr vorstellen. Auf Instagram berichtet er von seinen Touren. Die Eisenzeit nahm er mit dem Bergführer seines Vertrauens, Thomas Schiller, in Angriff.

Der Autor Marc Eichhorn. Foto: Marc Eichhorn

Infos zur Eisenzeit

Mittelschwere bis anspruchsvolle Klettertour (III. - IV. Schwierigkeitsgrad UIAA). Die Klettertour Eisenzeit erfordert eine sehr gute Kondition für Klettertouren von bis zu 10 Stunden Länge sowie für Auf- und Abstiege bis 2000 Höhenmeter pro Tag. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind obligatorisch, genauso wie Klettererfahrung bis zum IV. Schwierigkeitsgrad Fels UIAA im Nachstieg.

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