Zugspitzmassiv mit Eibsee
Zugspitzmassiv mit Eibsee. Foto: Jörg Bodenbender
Der neue alte Weg auf die Zugspitze

Klassiker: Eisenzeit

Sie ist ein Gigant aus Kalkgestein, ein letzter Rückzugsort von Gletschern in Deutschland, einzigartig in ihrer Gestalt, ein magischer Anziehungspunkt für Bergbegeisterte und Reisende aus aller Welt und zugleich ein steinernes Sinnbild der Kontraste – die Zugspitze.

Erreicht man die Südseite der Zugspitze über einen flachen und verhältnismäßig einfachen Zustieg durch das Reintal, so scheint ihre Nordseite auf den ersten Blick unüberwindbar. Ihr durch Beton, Glas und Stahl durchzogener Gipfel wird an guten Tagen wie ein Vergnügungspark von tausenden Menschen belagert und auf der Sonnenterrasse neben dem Gipfel in knapp dreitausend Metern Höhe wird Kaffee und Kuchen serviert. Doch nur wenige Meter davon entfernt stürzt die nahezu senkrechte Nordwand bedrohlich in die Tiefe – abweisend, schattig, kalt und scheinbar menschenleer.

Durch dieses Terrain zieht sich im Schatten des Trubels einer der spektakulärsten und abenteuerlichsten Wege hinauf auf Deutschlands höchsten Berg: die Eisenzeit. Die Tour hat sich in weniger als zehn Jahren zum Klassiker entwickelt, inzwischen wird sie gerne begangen, nicht wenige nehmen hierfür die professionelle Führung einer Bergschule in Anspruch.

Vermutlich wird nur ein kleiner Teil der Passagiere in der Gondel von Grainau hinauf zum Gipfel beim Blick durchs Fenster verstehen, was Bergsteiger*innen antreibt, sich dieser gewaltigen Bergflanke auszuliefern. Dabei ist die Eisenzeit viel mehr als nur eine reine Klettertour. Mit ihrem Routenverlauf über den alten Versorgungssteig und Stollenlöcher aus den 1920er Jahren, die für den Bau der Zugspitzbahn errichtet wurden, begibt man sich auf eine Entdeckungsreise, auf einen Trip in die über 90-jährige Vergangenheit der Zahnradbahn.

Die Eisenzeit ist eine Entdeckungsreise: Überbleibsel aus der Zeit des Baus der Zugspitzbahn. Foto: Sven Schmid

Unterstände und Reste von Steiganlagen zeugen von dem kühnen Bauunternehmen. Die Route kombiniert fantastische Tiefblicke ins Alpenvorland und auf den smaragdgrün leuchtenden Eibsee mit luftigen Kletterpassagen und einem Hauch von Abenteuer. Auf diesem historischen Weg lässt sich tatsächlich noch Neues entdecken, an einem Berg, an dem man schon alles zu kennen glaubte. Wenngleich sich die technischen Schwierigkeiten in Grenzen halten und der vierte Schwierigkeitsgrad nur an wenigen Stellen abverlangt wird, sollte die Tour nicht unterschätzt werden. Die Wegfindung ist an einigen Stellen nicht eindeutig und auch der Fels birgt immer wieder brüchige Überraschungen. Doch wer diesen Herausforderungen gewachsen ist und nach über acht Stunden und gut 2100 Höhenmetern den Gipfel erreicht, der hat sich Kaffee und Kuchen im Münchner Haus redlich verdient!

Zustieg zum Bergführerweg Eisenzeit auf die Zugspitze. Foto: Sven Schmid

Über die Eisenzeit auf die Zugspitze – Stück für Stück

Zustieg von der Haltestelle Eibsee Zugspitzbahn

2 ½ Std., 880 Hm

Von der Haltestelle Eibsee Zugspitzbahn geht es auf dem Wanderweg Nr. 821 in Richtung Südwesten, teilweise auf einem Pfad durch den Wald, teilweise in einer waldfreien Schneise. Auf etwa 1520 Metern Höhe zweigt man vom Wanderweg Nr. 821 nach links (Südosten) ab und geht zur Haltestelle Riffelriss. Wenige Meter unterhalb des Tunneleingangs werden die Gleise gequert und man folgt dem Wanderweg zur Riffelscharte. Serpentinen führen durch einen sich nach oben hin allmählich lichtenden Wald. Bevor der Weg aus der Latschenzone herausführt und ein Schuttfeld quert, verlässt man diesen nach rechts und geht auf undeutlichen Spuren steil den Hang hinauf. Am Ende des Grasrückens folgt man einem kleinen Steig entlang eines etwa zehn Zentimeter dicken Kabels entlang der senkrechten Wand steil nach links hinauf zur Sprengseilbahn (1880 m). Spätestens hier ist das Tragen des Helmes geboten.

Schotter und Fels: Zustieg zum Stollen der Eisenzeit. Foto: Sven Schmid

Zustiegssteig zum Stollen (Tunnelfenster IV)

2 ½ Std., 470 Hm

Auf Höhe der mit Blech verkleideten Baracke der Sprengseilbahn (nicht die Holzbaracke westlich des Zustiegsweges!) zieht ein Steig auf einem Band flach nach rechts, hier und da weisen Steinmännchen und Trittspuren den Weg. Nach dem Passieren einer Schuttrinne folgt man einem markanten Band durch die teilweise senkrechte Wand, die an einigen Stellen über den Steig ragt. Alte Seilreste, rostbraune Eisenkrampen und verbogene Erdanker entlang des Weges bestätigen, dass man sich auf dem richtigen Pfad befindet. Wo sich die Wand allmählich nach hinten neigt und wieder flacher wird, macht der Pfad eine beinahe 180-Grad-Wendung nach links. Stets dem leichtesten Weg folgend, geht es in kleinen, zum Teil in den Fels geschlagenen Serpentinen an Eisenschrott vorbei hinauf zur „Harakiri-Leiter“ (2190 m, Bohrhaken davor und dahinter).

Klettereinlage über die Harakiri-Leiter. Foto: Sven Schmid

Wir halten uns weiter leicht links und erreichen einen alten Strommasten mit Strahlern (2250 m). Am Strahler biegt der Steig leicht nach rechts ab und führt unter eine große Felsnische, wo eine etwas brüchige Klettereinlage (IV-, ein Bohrhaken, darüber hinaus jedoch keine Sicherungsmöglichkeiten) zu überwinden ist. Wir folgen wieder rechts haltend dem Steig und erreichen über eine kleine Eisenleiter ein Tunnelloch, das wir aber nicht betreten, sondern links liegen lassen. Nach einer kurzen Querung steigen wir über eine Leiter ein paar Meter ab und erreichen nach wenigen Metern das Tunnelfenster IV (2350 m). Der Weg führt uns durch den Stollen mit mehreren Fenstern bis zu einer Absperrung. Hier endet der Tunnelbauersteig und die eigentliche Kraxelei beginnt.

Relikte aus alter Zeit: durch den Tunnelbauersteig. Foto: Sven Schmid

Kletterweg zum Gipfel

3 ½ Std., 650 Hm

Über eine Stufe mit Eisenbügeln erreicht man eine nach rechts ziehende Rampe (I). Nach etwa 50 Metern steigt man an einem Bohrhaken etwa einen Meter ab (II) und folgt dem Band weiter nach rechts. Ca. zwanzig Meter später steigt man etwa auf Höhe eines Normalhakens senkrecht nach oben (II) zu einem mit Bohrhaken versehenen Standplatz (2380m). An dieser Stelle ist gut auf die Orientierung zu achten. Im IIer Gelände geht es in einer Links-Rechts-Kombination weiter hinauf, dann verlässt man einen nach links oben ziehenden Riss nach rechts, um eine Platte zu queren (III+, mehrere Bohrhaken). Nach einem weiteren Stand geht es rund zwanzig Meter auf einem ansteigenden Band in leichter Kletterei (max. II) bis zu einem weiteren Stand vor einer großen Schlucht. Diese durchquert man und klettert auf der anderen Seite über bröselige Platten (III, BH), hinauf, zuletzt in leichtem Ier Gelände, bis man einen Stand mit einer Sanduhrschlinge erreicht. Hinter dem Stand steigt man etwa fünf Meter ab (II) und gelangt zu einem weiteren Stand. Nun folgt die zweite Schlüsselstelle, eine etwas brüchige Stufe (IV-) und anschließend eine steil nach oben ziehende Rinne (III). Bohrhaken und ein Normalhaken weisen den Weg und bestätigen, dass man sich auf dem richtigen Weg befindet.

Die Eisenzeit ist geschafft - vom Grat seilt man zum Höllental-Klettersteig ab. Foto: Sven Schmid

Nun geht es für etwa hundert Meter über schottrige Bänder (mehrere Bohrhaken), den ersten und den zweiten Sporn und eine Rampe hinauf, die schließlich in einem großen und steilen Schuttfeld endet. Man steigt das Schuttfeld empor und quert auf etwa 2580 Metern nach rechts in den Fels (I-II), dann unterhalb eines schwarzen Wulstes bis zu einem Stand. Nun folgen zwei schöne Seillängen (III- und III) hinauf bis zum Grat (2680 m).

Hinter dem Grat steigt man auf der Südseite etwa zehn Meter zu einem kleinen Pfeilerkopf ab und seilt von dort hinab zum Höllentalklettersteig (1 x 25 m und 1 x 15 m), über den man schließlich den Gipfel der Zugspitze erreicht.

Der Mensch zum Berg: Josef Naus

Sein eigentliches Ziel, die Vermessung des Gipfels der Zugspitze für den Topographischen Atlas von Bayern scheiterte an schlechtem Wetter und fehlender Sicht, doch dafür stand der Vermessungsingenieur Josef Naus aus Lechaschau/ Tirol am 27. August 1820 auf Deutschlands höchstem Gipfel, vermutlich als erster Mensch. Begleitet vom Bergführer Johann Tauschl aus Partenkirchen und einem Assistenten erreichten sie den Westgipfel über das Reintal. Im Jahr 2016 – knapp 200 Jahre später eröffneten Michael Gebhardt, Till Rehm und Karen Thirlwell den Bergführerweg „Eisenzeit“ auf die Zugspitze.

Joseph Naus gelang am 27. August 1820 zusammen mit seinem Messgehilfen Maier und dem Bergführer Johann Georg Tauschl die Erstbesteigung der Zugspitze. Illustration: ÖAV/Archiv