Im Februar 2023 haben die Skigebietsbetreiber des Pitztaler Glerscherskigebiets erneut Pläne für die Erweiterung auf den Linken Fernerkogel und Mittelbergferner eingereicht. Dadurch startet in eigentlich beendetes Verfahren erneut. Im Oktober 2022 hatte das Amt der Tiroler Landesregierung das Vorhaben "Skigebietszusammenschluss Pitztal - Ötztal" aufgrund mangelhafter Unterlagen offiziell gestoppt, das UVP-Verfahren wurde eingestellt.
Neue Pläne eingereicht - Zusammenschluss durch die Hintertür?
Nun könnte es einen Neustart zu geben: die Skigebietsbetreiber des Pitztaler Gletscherskigebietes haben erneut Pläne für eine Skigebieterweiterung bei der Tiroler Landesregierung eingreicht: eine Gondelbahn mit Talstation Talstation unterhalb der Braunschweiger Hütte im Bereich des Mittelbergferners soll die Scharte östlich des Linken Fernerkogels erschließen. Die Bergstation liegt in Rufdistanz zu den Bergstationen der Bergbahnen Sölden. Von einem Zusammenschluss mit Sölden ist aktuell nicht die Rede, auch liegen den Naturschutzverbänden und NGOs noch keine offiziellen Pläne vor.
Klare Positionierung der Alpenvereine und Naturschutzverbände
Im Schluterschluss mit vielzähligen Naturschutz-NGOs werden sich der Deutsche und Österreichische Alpenverein erneut gegen die Realisierung dieses Vorhaben einsetzen. Identisch zum vorherigen Vorhaben, hätte die Erschließung massive negativen Auswirkungen auf einen sensiblen alpinen Natur-, Lebens- und Landschaftsraum, eine einzigartige Hochgebirgslandschaft würde verloren gehen. In Kombination mit den rasanten Gletscherrückgängen der letzten zehn Jahre und dem prognostizierten Verlust der Gletscherflächen bis Mitte des Jahrhunderts, wäre dieses Vorhaben nicht im Sinne einer nachhaltigen, naturverträglichen oder klimaverträglichen Entwicklung.
Unsere Einwände
Totalverlust einer naturnahen hochalpinen Landschaft
Eine naturnahe und charakteristische alpine Landschaft wird durch den Umfang und die Dimension der Baumaßnahmen komplett technogen überformt. 80 m hohe Seilbahnstützen, exponierte Seilbahnstationen, ein Speicherbecken und künstlich eingeebnete Gletschervorfelder: die Landschaft wird hier unwiederbringlich zerstört.
Abwertung und Verlust alpiner Lebensräume
Für die sensible (hoch-)alpine Flora und Fauna sind Geländekammern wie am Linken Fernerkogel wichtige Lebensräume. Das Vorhaben wird zu einer gravierenden Abwertung und in vielen Bereichen ebenfalls zu einem kompletten Verlust der Lebensräume führen.
Verlust eines (Ski-)Tourengebiets und Hüttenstützpunkts
Aktuell ist das Tourengebiet rund um die Braunschweiger Hütte attraktiv für Mehrtagesgäste und als Tagesziel. Durch die komplette Erschließung des Linken Fernerkogels und der Gletscherflächen wird das Hochtourengebiet gänzlich an Wert verlieren; die Braunschweiger Hütte als Stützpunkt ebenfalls.
Spekulative Pläne und Wirtschaftlichkeit durch Klimawandel und Gletscherrückgang
Bis Mitte des Jahrhunderts wird von den Gletschern im Projektgebiet mehr als die Hälfte der Fläche verschwunden sein, in den darauffolgenden Jahrzehnten werden Mittelbergferner & Co. gänzlich abgeschmolzen sein. Doch genau auf diesem rasant dahinschmelzenden Gletschereis basiert die Planung und das Ablaufdatum des Gletscherskifahrens ist nicht mehr weit entfernt. Ob und mit welchem Aufwand die Pisten trotz abgeschmolzener Gletscher erhalten werden können ist ebenso unklar, wie ob das Skigebiet ohne Gletscher auch noch wirtschaftlich betrieben werden kann.
Mobilitätsfrage ungeklärt
Ganz sicher kommen sowohl Pitztal und Ötztal jetzt schon durch die extreme Verkehrsbelastung an Wochenenden und Ferienzeiten an oder über die Belastungsgrenzen. Der Zusammenschluss wird gerade in diesen Ballungszeiten noch mehr Verkehr initiieren. Ein Konzept, wie mit zusätzlicher Verkehrsbelastung umgegangen werden kann, gibt es nicht. Auch sind durch die engen Täler weitere Ausbaumaßnahmen so gut wie nicht möglich.
Schaut der Sommertourismus in die Röhre?
Der absolute Verlierer von allen oben genannten Punkten ist der Sommertourismus. Durch den Verlust der Landschaftskammer am Linken Fernekogel geht ein wichtiger Baustein für eine nachhaltige Tourismusentwicklung im Pitztal verloren. Noch führt der berühmteste Fernwanderweg E5 vom Pitztal via Braunschweiger Hütte auf der sogenannten "Königsetappe" ins Ötztal. Rund 50-70% der E5-Asprianten übernachten dabei nicht auf der Braunschweiger Hütte, sondern in St. Leonhard oder Wenns in Pensionen und Hotels. Der zu erwartende Attraktivitätsverlust des Tourengebiets oben wird negative Auswirkungen im Tal unten haben.
Stellungnahme des DAV und ÖAV zum Erschließungsvorhaben "Skigebietszusammenschluss Pitztal-Ötzal"

Dauerbaustelle Gletscherskigebiet?
Mit dem Bau der Seilbahn und Präparierung der Pisten ist es in einem Gletscherskigebiet leider nicht getan. Aufgrund des Gletscherrückgangs verändert sich das Gelände jedes Jahr auf's Neue: Gletscherspalten tauchen auf, Felsrücken und Felsstufen tauen auf und die Gletscherzunge zieht sich zurück. Wir rechnen mit dauerhaften Baustellen und jährlich wiederkehrenden Eingriffen ins Gelände um das Skigelände immer wieder auf's Neue herstellen zu können: Spalten füllen, Geländestufen abtragen, Ziehwege neu anlegen, Schuttflächen planieren...
Chronik einer Großerschließung
Mai 2015 - Ursprüngliche Unterlagen sind eingereicht
Mai 2019 - Umfangreiches UVP-Verfahren startet: DAV und ÖAV geben gemeinsam eine unmissverständliche Stellungnahme gegen das Vorhaben ab.
Januar 2020 - UVP-Verhandlung wird vertagt: Die Antragsteller verschieben die UVP-Verhandlung um zusätzliche Erhebungen aufgrund der Der Grund: notwendige zusätzliche Erhebungen im Projektgebiet aufgrund der starken Gletscherschmelze. Das Vorhaben ist auf unbestimmte Zeit pausiert.
2020 - 2022: Unmut steigt - Klimawandel wird offensichtlich: In der kurzen Zeit zwischen 2015 und 2019 hat sich die Ausgangslage stark verändert: durch den Gletscherrückgang sind die Pistenflächen aufgrund ausgetauter Felsrippen und Steilstufen nicht mehr wie ursprünglich geplant realisierbar. Es braucht neue Untersuchungen und Pläne. Und auch in der Öffentlichkeit kommt Unmut auf, die Akzeptanz für derart massive Eingriffe sinkt drastisch.
Juli 2022 - Bürgerentscheid in St. Leonhard im Pitztal: Die Mehrheit der Bürger stimmt gegen den Zusammenschluss. Die Antragsteller kündigen an die Pläne nicht erneut einzureichen.
Oktober 2022 - negativer Bescheid, Verfahrensstopp: Die UVP-Behörde der Landesregierung Tirol erteilt negativen Bescheid aufgrund mangelhafter Unterlagen. Das UVP-Verfahren wird damit nicht neu aufgenommen und beendet.
Februar 2023 - Neue Pläne werden eingereicht