Blumen an Gebirgsbach mit Ausblick auf Gletscher
In den Zillertaler Alpen. Foto: DAV/Manuel Daum
Zillertal West

Kartenausschnitte von 1930 bis heute

Wer Kartenausschnitte von damals und heute nebeneinander legt, bekommt nicht nur praktische Einblicke in die Entwicklung der Alpenvereinskartographie, sondern lernt auch einiges über die Entwicklung der Alpen und die Anfänge des Naturschutzes. Anhand des Kartenblatts Zillertaler Alpen West nehmen die DAV-Kartographie-Expertinnen und -Experten uns mit auf eine Reise durch die Jahrzehnte.

Der Schlegeisspeicher

Der Schlegeisspeicher im Zillertal ist Teil eines Wasserkraftwerks. Der Bau der Sperre begann 1965, 1970 erfolgte die erste Teilaufstauung. Der auf 1782 Meter gelegene Speichersee bedeckt einen Teil des sogenannten Schlegeisgrunds. Der Schlegeisspeicher wurde auf eine Fläche von 220 Hektar, also ungefähr 300 Fußballfeldern, gestaut und ist bis zu 59 Meter tief. Das Wasser fließt durch einen Stollen zum Kraftwerk Roßhag.

Der Schlegeisspeicher mit Staumauer von der Olpererhütte aus gesehen. Foto: Werner Beer

Kartographische und landschaftliche Entwicklung

Die Karte aus dem Jahr 1930 ist noch das Ergebnis der damals üblichen Steingravur. Die Ergebnisse aus dem Stereographen wurden auf Gravursteine kopiert und anschließend in den Stein graviert. Die stereogrammetrische Auswertung erfolgte durch Richard Finsterwalder, die Geländedarstellung durch Hans Rohn, beide bekannte Kartographen und Vermesser der damaligen Zeit. In der Karte von 1958 zeigt sich der Umstieg auf die Folientechnik; Astralonfolien, die noch per Hand bezeichnet und weiterverarbeitet wurden. Für den Profi ist dies an den nach Fotosatz aussehenden Schriftzeichen erkennbar. Weiteres Expertenwissen: 1958 ergänzte Fritz Ebster – ein weit über die Fachwelt hinaus bekannter Alpenvereinskartograph – den Lageplan der Zillertaler Alpen (West). Gut erkennbar ist auch, wie in den ersten beiden Karten noch dreifarbig (blau – rot – schwarz) gedruckt wurde, später (ab 1975) wurde die Farbgebung differenzierter. Die Walddarstellung zum Beispiel erfolgte in grün – wer genau hinsieht, erkennt, dass die ehemalige Walddarstellung in Form kleiner schwarzer Kringel unter dem Grün erhalten geblieben ist. Ab der Ausgabe 1975 wurden Wanderwege rot eingezeichnet und nummeriert. In Ausgabe 2006 erkennen wir die voranschreitende Digitalisierung in der Kartographie: klare Kontraste, intensivere Farben, eine neue Optik. Hergestellt mit der Software MicroStation, wurde dieser Kartenausschnitt zu einer digitalen Farbdatei zusammengerechnet und musste nicht von der Papierkarte gescannt werden. Ein weiterer Fortschritt in der Darstellung ist die grafische Unterscheidung verschiedener Vegetationsformen: hell- und dunkelgrün wird Wald von Latschen oder Gebüsch abgegrenzt.

Und auch landschaftliche Veränderungen zeigen sich beim Vergleich der Kartenausschnitte über fast acht Jahrzehnte: Eindrucksvoll beweist die Karte über die Jahre einen massiven Eingriff in die Landschaft der Zillertaler Alpen. Schon in der Ausgabe von 1958 war der Ausbau des Schlegeisspeichers vermerkt. Zwar wurde in der Gegend ein Ruhegebiet (RG) ausgewiesen, das den Naturschutz und die Erholung in der freien Natur in den Vordergrund stellt, dennoch ging mit dem Neuaufbau der durch den Speicher gefluteten Dominikushütte sowie der schrittweise Ausbau von Parkplätzen und Bushaltestellen einher.

Der Schlegeisspeicher von 1930 bis heute

Der Waxeggkees-Gletscher

Das Waxeggkees erstreckt sich unterhalb des Großen Möseler (3480 m) über einen Höhenbereich von rund 3300 bis 2400 Meter vom Zillertaler Hauptkamm knapp zwei Kilometer nach Norden. Wie die meisten Gletscher leidet er massiv unter dem Klimawandel: Seit Ende des 19. Jahrhunderts hat er rund zwei Quadratkilometer an Fläche verloren, das sind umgerechnet ca. 280 Fußballfelder. Mit den heutigen 3,2 Quadratkilometern zählt der Waxeggkees dennoch zu den größten Gletschern der Zillertaler Alpen.

Der Waxeggkees-Gletscher von der Berliner Hütte aus gesehen. Foto: Friedrich

Kartographische und landschaftliche Entwicklung

Die kartographische Entwicklung gleicht größtenteils der des Kartenausschnittes vom Schlegeisspeicher. Dennoch gibt es Bemerkenswertes: Offensichtlich wird zum Beispiel der hohe Aufwand, den eine Gletschervermessung mit sich bringt. Daher bleibt der 1929 vermessene Gletscherstand bis zur Version 1975 erhalten. Dann wird in der Karte auch die Stauung unter anderem des Abflusses des Waxeggkees nördlich der Waxeggalm sichtbar; der Stausee gewinnt bis 2006 an Größe. Für die Neuauflage der Alpenvereinskarte Zillertaler Alpen (West) wurde der Gletscher 2018 erneut vermessen. Über die aktuelle Karte (2006) gelegt, zeigt diese Messung die Gletscherschmelze deutlich auf. Natürlich ändern sich durch den Rückgang auch die den Waxeggkees querenden Wege. Interessant ist auch, dass die Darstellung von Bewuchs zwar – wie im Schlegeisspeicher-Ausschnitt ersichtlich – schon möglich war, hier aber 1975 noch sehr sparsam eingesetzt wurde, erst 2006 dann ausgeprägter. Die ab 2006 geänderte Schreibweise des Waxeggkees (vorher: Waxeckkees) ist vermutlich auf eine Angleichung an die amtliche österreichische Karte zurückzuführen. Der Zusatz Kees bedeutet übrigens Gletscher, jedenfalls in Teilen Salzburgs und Tirols. Zu finden ist er daher fast ausschließlich in Gletschernamen.

Der Waxeggkees von 1930 bis heute

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