Zitronenbaum vor Fachwerkhaus
Der Württemberger Weinradweg bietet schon fast mediterranes Ambiente. Foto: Joachim Chwaszcza
Württemberger Weinradweg

Steile Lage, feine Strecke

Durch südliche Weinberge radeln und den Sommer genießen, nicht in der Toskana, sondern vor der Haustüre und mit klimafreundlicher Anreise – das klingt nach einem perfekten Radkurztrip. Joachim Chwasczca (Text und Fotos) hat den Weinradweg im „Ländle“ geteschtet.

Frühmorgens das Fahrrad in den ICE packen (München-Stuttgart 2 h 17 min, Frankfurt-Stuttgart 1 h 30 min, Köln-Stuttgart 2 h 10 min), dann von Baden-Württembergs Hauptstadt noch zehn Minuten mit der S-Bahn nach Esslingen fahren und die Tour auf dem Württemberger Weinradweg kann beginnen. Der schlängelt sich insgesamt 382 Kilometer von Rottenburg nach Niederstetten. Die Königsetappe mit etwa 90 Kilometern verläuft von Esslingen nach Heilbronn und folgt streckenweise dem geschmeidigen Neckarradweg. Mehr Wein geht fast nicht, und hat man den Stuttgarter Kessel hinter sich gelassen, wird es auch fahrradtechnisch sehr fein.

Weinberge heißt: kräftig in die Pedale steigen

Vor dem Start noch einen Cappuccino in Esslingen, dann geht es erst einmal steil los. Der Neckarradweg folgt dem Fluss – der Weinradweg aber führt in die Hänge. Also heißt es kräftig in die Pedale steigen und hinter der Frauenkirche der Route folgen. Sollte es für den Anfang doch zu steil und zu viel Kopfsteinpflaster sein, kann man sich ja wie früher die Weingärtner auf einer der steinernen „Gruhbänke“ ausruhen und den Blick über das geschäftige Neckartal genießen. Bald ist die erste Steigung geschafft und es folgt eine der „Besonderheiten“ auf dem Radweg: So ganz schlüssig ist er nicht immer ausgewiesen. Lieber den alten Bergsteigerspruch „nicht an Höhe verlieren“ berücksichtigen. Die Beschilderung führt nach unten, der Verstand sagt „oben bleiben“. Runter geht es schnell zur Hauptstraße nach Obertürkheim, während man oben entspannt durch die Weinberge radelt, durch Trollinger-, Lemberger-, Riesling- und Schwarzrieslingtrauben. Die Weinzeilen malen das Landschaftsbild. Die Strecke bis Fellbach ist Weinradeln vom Allerschönsten. Die Blicke verlieren sich in den Weingärten.

Attraktiver Panoramablick auf den Neckar. Foto: Joachim Chwaszcza

Und weil die Wege allesamt befestigt sind, läuft es rund. Ob mit dem Rennrad oder Mountainbike, mit oder ohne Kinderanhänger, es rollt dahin, und spätestens im schicken Verkaufsraum der Fellbacher Kellereien angelangt, kommen südliche Urlaubsgefühle auf. Eine kleine Degustation mit Winzersekt hält die Beine fit. In Fellbach scheiden sich die Geister oder Interessen. Wer an der Route des Weinradwegs festhalten will, folgt der Schleife ins Remstal nach Weinstadt und fast wieder zurück nach Fellbach. Die gut 25 Kilometer sind allerdings etwas mühsam und von der Autobahn geprägt. Die Alternative: der direkte Weg Richtung Bad Cannstatt und Neckar. Dort ist Schluss mit den Anstiegen, und ein paar Neckarkurven weiter verliert sich auch die Stuttgarter Geschäftigkeit. Jetzt rollen die Radl entspannt flussabwärts, und man kann Strecke machen oder am Fluss bummeln, mal links, mal rechts. Immer wieder ziehen ellenlange Schleppkähne flussauf- und -abwärts. Ein spannendes Begleitprogramm für den familientauglichen Radkurzurlaub: Schritt halten mit Lastkähnen oder einfach mal in die Schleusen gucken.

So geht Weinradeln

In romantischem Ambiente rollt es sich durch die Neckarauen und durch historische Ortskerne mit liebevoll restaurierten Fachwerkhäusern. Am Neckar entlang heißt auch an steilen Weinbergen entlang. Die senkrechten Abbruchkanten des Muschelkalks bieten ideale Voraussetzungen für den Anbau in Steillagen. Spätestens in Besigheim, das 2010 zum schönsten deutschen Weinort gewählt wurde, lohnt es sich, einen Pausentag einzulegen. Vermeidet man das Wochenende, ist es geruhsamer. Die Winzereigenossenschaft Besigheimer Felsengartenkellerei liegt am Fuß der Steillagen und kann inzwischen mit so vielen Prämierungen glänzen, dass nicht mehr die einzelnen Goldmedaillen auf der Webseite genannt werden, sondern ganz profan deren Zahl: 19. Die Palette der Weine und Sekte ist außergewöhnlich, die Qualität top. Rot oder weiß, trocken oder feinherb, als Wein, Secco oder Sekt. Die Kulinarik in Besigheim kommt auch nicht zu kurz. Im Restaurant in der Altstadt oder beim Italiener am Markt auf die Hand schmeckt’s gut.

Spannendes Felslabyrinth für Jung und Alt: die Hessigheimer Felsengärten mit ihrer Abbruchkante. Foto: Joachim Chwaszcza

Besigheim und die benachbarten Hessigheimer Felsengärten sind ebenfalls einen Tag wert. Ob man durch die Felsengärten wandern, zum Bouldern oder Klettern gehen, sich nach dem Radeln anderweitig sportlich betätigen oder mit den Kindern auf Entdeckungstour gehen will: die Felsengärten sind ein absolutes Muss auf dieser kurzen Urlaubstour im Süden. Die Exkursion abschließen sollte man in einer der nahen Besenwirtschaften. So geht Weinradeln. Am nächsten Tag rollt man dann stressfrei nach Heilbronn und steigt in die Bahn nach Hause. Oder man radelt weiter: Am Neckar entlang nach Heidelberg oder im steten Auf und Ab dem Württemberger Weinradweg folgend. Egal. Die Toskana kann warten.