Beim Lead-Klettern müssen die Zwischensicherungen selbst eingehängt werden
Beim Lead-Klettern müssen die Zwischensicherungen selbst eingehängt werden. Foto: DAV/Thomas Schermer

Was ist Leadklettern?

Lead, also das Klettern mit Seil, wird auch als Vorstiegs- oder Schwierigkeitsklettern bezeichnet. Es ist die traditionellste Disziplin des Kletterns. Hier geht es darum, eine definierte Route in einer vorgegeben Zeit möglichst sturzfrei zu durchklettern – beziehungsweise höher als die anderen Starterinnen und Starter zu kommen.

Seit mittlerweile über 30 Jahren hat sich das Leadklettern als Wettkampfsportart etabliert – 1989 ging der erste Weltcup über die Bühne. Zu Beginn fanden die Wettkämpfe noch am Fels statt, beim „Rockmaster“ im italienischen Arco beispielsweise, einem der ältesten Sportkletterwettkämpfe überhaupt. Inzwischen aber werden Wettkämpfe in Hallen an bis zu 20 Meter hohen Kunstwänden durchgeführt. Für diese Disziplin ist vor allem Ausdauer und Kraft nötig. Daneben sind eine ausgefeilte Technik und eine gute Taktik gefragt, um an der Weltspitze mit klettern zu können. Zunehmend sieht man bei den Leadwettkämpfen aber auch spektakuläre Sprünge oder Bewegungen, wie die „Figure Four“, bei dem mangels Tritt das Bein über den Unterarm gehängt und aus dieser Position weitergezogen wird.

Das Niveau beim Leadklettern ist mittlerweile sehr hoch, bei den Deutschen Jugendmeisterschaften beispielsweise sollte die männliche Jugend A den 9. UIAA-Grad beherrschen. Bei der Deutschen Meisterschaft der Senioren liegen die Schwierigkeiten bereits bei UIAA 10/10+, international sogar noch höher: Bei den Weltcups werden Touren bis zum UIAA-Grad 11-/11 geklettert.

Regeln

Grundsätzlich gilt: Je höher ein Wettkämpfer klettert, umso besser. Die gemessene Höhe wird in Zahlen ausgedrückt: "42" bedeutet zum Beispiel, dass eine Athletin bis Griff 42 kam und diesen auch halten konnte. Das ist bereits ein sehr gutes Ergebnis: Routen sind typischerweise zwischen 40 und 50 Griffen lang. "42+" zeigt wiederum an, dass der Teilnehmer noch weitergreifen und den nächsthöheren Griff erreichen, aber nicht mehr festhalten konnte. Das beste Ergebnis ist aber keine Zahl, sondern ein Wort "Top". Es bedeutet, dass der Kletterer die gesamte Route klettern und das Seil in den oberen Umlenker einhängen konnte. Das Wunschergebnis aller Teilnehmer!

Die Routen im Wettkampf müssen die minimale Länge von 15 Metern haben. In der Qualifikationsrunde gibt es zwei Touren, im Halbfinale und Finale jeweils eine. Bei diesen müssen im Vorstieg alle Zwischensicherungen selbst eingehängt werden. Geschieht das nicht, wird die Kletterin oder der Kletterer spätestens dann aus der Wand geholt, wenn sie oder er die darauffolgende Exe geklippt hat. Gewertet wird in diesem Fall die Höhe, von der aus sie oder er die vergessene Zwischensicherung noch hätte einhängen können.

Im Wettkampf wird in zwei Modi geklettert: In der Qualifikation im Flash-Modus, das heißt, die Starter wissen bereits zuvor, wie die beiden Touren geklettert werden sollen. Sie können sich ein Video anschauen, in dem diese vorgeklettert werden. Im Halbfinale und Finale wird dann im „Onsight“-Modus geklettert, also ohne zuvor jemanden in der Route gesehen zu haben. Die Starter haben nicht die Möglichkeit, aus den Fehlern der anderen zu lernen oder sich anzuschauen, wie eine schwierige Stelle gelöst wird. Das „Onsight“ gilt als „Königsdisziplin" des Kletterns.

Bereits eine Stunde vor dem Halbfinale und dem Finale müssen die Kletterinnen und Kletterer in eine Isolationszone (Iso). Die Zeit in der Iso nutzen die meisten, um sich noch einmal aufzuwärmen, sie dehnen sich oder machen Yoga. Auch die mentale Vorbereitung und die Fokussierung auf den Start gehören dazu.

Die Wände bei Deutschen Meisterschaften müssen mindestens 15 Meter hoch sein. Foto: DAV/Thomas Schermer

Ablauf eines Wettkampfs

Nominierung:

Bei internationalen Wettkämpfen werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch die Bundestrainer nominiert. Beziehungsweise haben sich bei Qualifikationswettkämpfen einen Platz für den Start bei einem Weltcup gesichert. Anders ist das auf nationaler Ebene: Bei der Deutschen Meisterschaft sind die Athletinnen und Athleten des Bundeskaders automatisch startberechtigt. Auch sind die Deutschen Meister aus dem Vorjahr gesetzt. Dazu kommen noch jeweils acht Starterinnen und Starter aus den drei Regionen Nord-Ost, Süd und West, diese müssen sich bei den jeweiligen Landesmeisterschaften qualifizieren.

Wer einen Fehler macht, stürzt ins Seil. Foto: DAV/Thomas Schermer

Qualifikation:

Damen und Herren starten nicht gemeinsam, sondern zeitversetzt in zwei verschiedenen Wettkämpfen – und aufgeteilt in zwei Gruppen. Bei beispielsweise 100 Startern versuchen sich 50 an der ersten Qualitour, die anderen 50 an der Zweiten. Der 51. der Startliste ist der erste Starter in der zweiten Qualitour. Nach einer Pause, die mindestens 50 Minuten dauern muss, geht es für ihn dann als Ersten in der anderen Qualitour weiter. Die Startreihenfolge wird bei den Lead-Weltcups ausgelost. Jeder Athlet hat für eine Tour sechs Minuten Zeit. Nach Ablauf dieser Zeit kann er zwar noch weiterklettern, allerdings werden die dann gemachten Züge nicht mehr gewertet. Die beiden Touren werden anders bewertet, das heißt, dass es für die gleiche Höhe nicht unbedingt die gleiche Punktezahl gibt. Das kann bedeuten, dass ein Starter, der in einer Tour relativ weit vorne lag, in der anderen dagegen eher hinten, nach der Quali einen besseren Platz einnimmt, als ein Konkurrent, der sich bei beiden Touren im Mittelfeld platzierte. Für die nächste Runde, das Halbfinale, qualifizieren sich bei den Damen und bei den Herren die jeweils besten 26 Kletterinnen und Kletterer aus der Qualifikation.

Halbfinale:

Im Semifinale, das am Tag nach der Qualifikation stattfindet, wird eine Tour geklettert. Hier ist der 26. nach der Quali der erste Starter, die Erstplatzierte nach der Quali dann die letzte Starterin. Kurz vor dem Start haben die Athletinnen und Athleten sechs Minuten Zeit, sich gemeinsam die Route anzusehen und sich die Griffabfolgen einzuprägen. Manche benutzen dafür auch ein Fernglas. Dann geht es wieder zurück in die Iso und die Athletinnen und Athleten werden einzeln aufgerufen. Auch im Halbfinale hat jede Kletterin und jeder Kletterer sechs Minuten Zeit, um die Tour möglichst zu toppen. Damen und Herren starten in dieser Runde parallel. Die jeweils acht Besten sind dann im Finale dabei. Haben zwei oder mehr Kletterer die gleiche Höhe erreicht, ist das Vorrundenergebnis entscheidend: Der Bessere aus der Quali positioniert sich im Halbfinale auf dem vorderen Platz.

Die Routen verlangen teils sehr komplexe Bewegungen. Foto: DAV/Thomas Schermer

Finale:

Damen und Herren starten hier zeitversetzt, also in zwei Finals. Auch hier gibt es wie im Halbfinale eine Tour, die vor dem Beginn gemeinsam sechs Minuten lang besichtigt werden kann. Der Achtplatzierte nach dem Halbfinale ist dann als Erster am Start. Maximal sechs Minuten hat er Zeit, um die Route möglichst zu toppen, dann ist der nächste Starter an der Reihe. Diejenige oder derjenige, der am höchsten kommt, gewinnt. Bei Gleichstand zweier Kletterer wird das Vorrundenergebnis mit berücksichtigt, das heißt, derjenigen, der dort besser war, erhält die bessere Platzierung. Sollte es auch im Halbfinale einen Gleichstand gegeben haben, so entscheidet die benötigte Kletterzeit im Finale: Der Schnellere liegt vorne.

Amtierende Deutsche Meister sind bei den Damen Frederike Fell (DAV Freising) und bei den Herren David Firnenburg (DAV Rheinland-Köln). Die diesjährige Deutsche Meisterschaft wird am 9. November in Hilden ausgetragen.

Edelrid stattet den Nationalkader Klettern und Bouldern des DAV aus. Foto: DAV/Marco Kost

Themen dieses Artikels