Blick auf einen Fluss im Nationalpark Inari.
Wilde, unberührte Landschaft findet man zu Hauf in Finnlands Nationalparks. Foto: Klaus Herzmann
Wandern in Finnland

Durch Finnlands Nationalparks

Finnland ist reich an Seen und Wäldern – und Nationalparks. Wer gerne in der Wildnis wandert, wird von Finnland begeistert sein. Klaus Herzmann war in vier der insgesamt 41 Nationalparks unterwegs.

Start in der Stadt: Von Helsinki nach Tampere

Als wäre es nur eine Laune der Natur gewesen, verziehen sich die dunklen Gewitterwolken über Helsinki und tauchen die Hauptstadt in den frühen Morgenstunden in ein bezauberndes Licht. In der Ferne erhebt sich der Dom von Helsinki, das Wahrzeichen der Stadt. Er erinnert mit seinen Säulen und grünen Kuppeln ein wenig an das Weiße Haus oder einen griechischen Tempel. Was uns gleich begeistert: Niemand drängelt in dieser Stadt, die Menschen scheinen hier gelassen zu sein.

Finnland ist zwar beinahe so groß wie Deutschland – hat aber nur 5,5 Millionen Einwohner*innen. Besonders an diesem skandinavischen Land ist die Sprache, die sich fundamental von allen anderen unterscheidet. Nur mit dem Ungarischen hat sie Ähnlichkeiten. Verständigen kann man sich trotzdem, denn man kommt mit Englisch in Skandinavien ziemlich weit.  

Über 40 Nationalparks sind quer über Finnland verteilt. Gleich zwei davon finden wir in unmittelbare Nähe von Tampere, knapp 200 Kilometer nördlich von Helsinki. Tampere ist die drittgrößte Metropole Finnlands und die größte Binnenstadt Skandinaviens. Der Schotte James Finlayson gründete hier einst die erste große Textilfabrik, die zum maßgeblichen wirtschaftlichen Aufschwung beitrug.

Tampere ist aber auch für sein weltweit einziges Mumin-Museum (Comicfiguren der Künstlerin Tove Jansson) und die Kauppahalli bekannt. Hier kann man an kleinen Essenständen internationale Gerichte, aber auch regionale Spezialitäten probieren. Zum Beispiel Mustamakkara! Das ist eine Art Blutwurst, die gebacken und mit Preiselbeersoße serviert wird. Zugegeben, der erste Bissen war zögerlich, zum Schluss wurden es gleich zwei Portionen. 

Nationalpark Seitseminen (Südwesten)

Knapp 80 Kilometer von Tampere entfernt befindet sich der Nationalpark Seitseminen. Das dort zuständige Nature Center Kulomäki informiert aber auch über den Nationalpark Helvetinjärvi. Der liegt knapp 30 Kilometer östlich von Seitseminen.

Auf dem Holzweg? Viele Trails führen durch Moore oder über Seen in den finnischen Nationalparks wie hier in Seitseminen. Foto: Klaus Herzmann

Die Wanderschuhe geschnürt, geht’s direkt auf den Seitakierros-Trail in dem 1982 gegründeten Schutzgebiet Seitseminen. Seen, Teiche, Kiesrücken, dunkle Moore und Sümpfe wechseln sich hier ab.. Die Ruhe ist einfach unbeschreiblich, einzig der Wind in den hoch aufragenden Kiefernwäldern durchbricht die Stille. Über gut angelegte Pfade und teilweise auf Holzstegen erwandern wir den See Pitkäjärvi. Gleich daneben stoßen wir auf eine alte Waldarbeiterunterkunft aus dem Jahr 1920. Eilig ziehen die Schäfchenwolken vorüber und zeichnen dramatische Kontraste mit einer Farbfülle, wie wir sie nur selten zuvor gesehen haben.

Der Kovero-Hof ist ein weiterer Höhepunkt auf diesem Trail. In den restaurierten Gebäuden werden traditionelle Arbeitsmethoden gezeigt. Irgendwie erinnert uns das Ensemble an Bullerbü in Schweden. Ein Wohlfühlort ohne Zweifel, wo wir an dem Brunnen unsere Getränkeflaschen mit kühlem Quellwasser befüllen, bevor es zum Ausgangspunkt zurückgeht.

Nationalpark Helvetinjärvi (Südwesten)

Wir sind auf dem Trail von Haukanhieta nach Helvetinkolu unterwegs. Eine Wanderung, die über Stock und Stein führen soll und wegen so manchem Anstieg doch ein Minimum an Kondition abverlangt – so steht’s zumindest auf der Informationstafel am Ausgangspunkt. Die erste Steigung nehmen wir sportlich, wandern über Holzstege, die von üppigen Moosen und Sträuchern flankiert werden. Ziel ist Helvetinkolu, die Höllenschlucht.

Immer wieder finden wir auch alte Hütten tief im Wald. Foto: Klaus Herzmann

Wir streifen einige kleine Seen in idyllischer Lage. Wundern muss man sich nicht, denn Finnland ist schließlich das seenreichste Land der Erde. Nach drei Stunden liegt er dann vor uns, ein wahres Naturschauspiel von steilen Felswänden umringt: der Höllensee zur gleichnamigen Schlucht. Hier ragen die Felsen, die sich über Millionen von Jahren durch Bewegungen tief im Inneren der Erde gebildet haben, über 40 Meter in die Höhe. Ein Ort, von dem sich schon Maler wie Akseli Gallen-Kallela oder der Dichter Johan Ludvig Runeberg im 19. Jahrhundert haben inspirieren lassen.

Am kleinen Infocenter trinken wir einen Kaffee und beschließen spontan, eine weitere Wanderung zu unternehmen. Der Trail führt nach Luomajärvi, durch die ältesten Bäume im Nationalpark Helvetinjärvi.

Schöne Aussichten gibt es genügend und als wir Luomajärvi erreichen, ärgern wir uns, dass wir unser Leichtzelt und den Schlafsack nicht eingepackt haben. Denn hier könnten wir wunderbar übernachten, es gibt sogar eine Feuerstelle! Aber wir machen uns auf den Rückweg. Gut, dass es im finnischen Sommer nicht wirklich dunkel wird...

Nationalpark Petkeljärvi (Osten)

Der Petkeljärvi Nationalpark bei Ilomantsi ist nicht nur der älteste und kleinste Park in Finnland, sondern auch der am weitest östlich gelegene im Land. Besonders während des Sommers, wenn die Natur zu explodieren scheint, hält es in den hellen Nächten kaum einen finnischen Naturmenschen in seinen vier Wänden. Uns natürlich auch nicht!

Ausgangspunkt ist hier das Nationalparkcenter Petraniemi. Wir entscheiden uns zuerst für die Rundwanderung Kuikan Kierros. Es geht über armdicke Wurzeln hinweg auf einem sandigen Pfad in die Bucht Kokkolahti mit grandiosen Weitsichten. Der Trail führt auf einen Kamm, der zwei Seen voneinander trennt und uns geradewegs in Richtung des Flusses Tuomipuro begleitet. Hoch gewachsene Sandkiefern wiegen sich im Wind – es ist märchenhaft schön hier. Wir kreuzen einen anderen Trail und stapfen leicht bergan auf einem Naturpfad zum See Pieni Joutenjärvi. Sumpf und Moorlandschaften gehen hier Hand in Hand, bis wir zum kristallklaren Wasser des Kuikkalampi-Sees gelangen. Den schmückt ein kleiner Strand, der zum Baden einlädt.

Für die Nacht haben wir uns allerdings etwas außerhalb einquartiert, in einem grandiosen Ruheort inklusive traditioneller Sauna.

Auf unserer Reise besuchen wir auch die Stadt Ilomantsi. Die orthodoxe Elias-Kirche zählt zu den größten und schönsten in Finnland. Im Freilichtmuseum Parppeinvaara werden seltene Ausgaben der "Kalevala" bewahrt. Das ist ein Epos der finnischen Mythologie, die meist mündlich überliefert wurde. Elias Lönnrot hat die Kalevala im 19. Jahrhundert zusammengestellt. Sie zählt zu den wichtigsten literarischen Werken in finnischer Sprache und beschreibt neben den karelischen Traditionen auch die nationale finnische Identität.

Bevor wir diese wunderbare Region verlassen, steht noch der Track vom Nationalpark Center Petraniemi nach Möhkö auf dem Programm. Die vielen Infotafeln entlang des Pfades geben einen Einblick in die Geschichte dieser Region. Höhepunkt auf diesem Trail ist unbestritten Möhkö. Das hier geförderte Eisenerz machte den Ort einst bekannt. Heute finden regelmäßig kulturelle Veranstaltungen und Festivals statt. In der Eisenhütte Pytinki kann man industriegeschichtliche Relikte, militärhistorische Objekte und diverse Ausstellungen bestaunen.

Nationalpark Inari - Nördliches Lappland (Norden)                                                                               

Nordfinnland ist das Reich der Sami und der Rentiere. Zum Einstimmen besuchen wir das Northern Lappland Nature Centre Siida in Inari. Die samische Kultur ist allgegenwärtig und wird hier beeindruckend in Ausstellungen dargestellt. Hier, im Herzen der von Stille geprägten Landschaft, liegt der Inarisee oder Inarijärvi, wie die Einheimischen sagen. Gäbe es nicht so viele Wanderwege, hätte man kaum die Chance, in die unzugängliche Landschaft vorzudringen. So schützen die Parks nicht nur den Naturreichtum, sondern machen ihn auch auf besonders sanfte Weise dem Menschen zugänglich. Für die Sami ist der Inarisee heilig. An seinen Ufern und auf den Inseln finden sich noch heute historisch wichtige Orte.

Der Höhepunkt dieser Wanderung ist der Weg hinauf zum Otsamo-Fjäll. Gegenüber dem Northern Lappland Nature Centre Siida starten wir bei Nieselregen auf einem Pfad, der flussaufwärts zu einer Hängebrücke führt. Durch luftige Kiefern- und Fichtenwälder erreichen wir später die Raststelle Laurin laavu. Hier gibt es einen Unterstand, Trockentoiletten, eine Feuerstelle mit Holzvorrat und Bänke – vorbildlich.

Der Pfad windet sich mal etwas ansteigend, mal abfallend quer durch den Wald. Links donnert ein Wildfluss durch das Idyll. Rentiere stehen völlig unbeeindruckt im Wald, heben nur kurz ihren Kopf und fressen dann genüsslich weiter. Wir bestaunen die riesigen, mit Flechten bewachsenen Findlinge, die noch aus der Eiszeit stammen. Weiter geht’s über einen steilen, felsigen Weg, der auf ein Plateau führt. In der Ferne erkennen wir bereits die Hütte auf dem Otsamo-Fjäll.

Eine Stunde später stehen wir auf 418 Metern – und damit auf der höchsten Erhebung der Region. In der Schutzhütte mit Bollerofen machen wir es uns gemütlich, breiten den Tagesproviant aus und machen Pause. Auch wenn das wechselhafte Wetter nicht mitspielt, die Aussicht auf den Inarisee und die Fjälls Muotkatunturi und Joenkielinen ist dennoch wunderbar.

Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg zur Wildniskirche am See Pielpajärvi. Abenteuerlich schlängelt sich der Pfad durch das Gehölz. Immer wieder eröffnen sich grandiose Blicke über kleine, von üppigen Gräsern überwucherte Seen und Tümpel. Welch ein herrlicher Flecken Erde das doch ist, denken wir. Als wir den mystisch anmutenden Wald verlassen, erblicken wir eine kleine Ansammlung von Holzhütten. Noch bis 1887 boten sie dem damaligen Pfarrer der Kirche ein Zuhause.

Linker Hand schlagen kleine Wellen an das Ufer. Gegenüber, am Rand einer großen Freifläche, erblicken wir die Wildniskirche Pielpajärvi. Hier haben einst die Einwohner*innen von Inari über Jahrhunderte hinweg die Wintermonate verbracht. Die Holzkirche wurde 1760 erbaut und ist eines der ältesten Gebäude in Nordlappland. Bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert wurde sie regelmäßig genutzt. Aber auch heute finden hier zu Ostern und während des Mittsommerfestes Gottesdienste statt. Der außergewöhnliche Ort besitzt eben nicht nur historische Bedeutung.