Wandergruppe auf Cornwalls Küstenwanderweg
Klippe runter, Klippe rauf – damit lassen sich an Cornwalls Küste ganze Tage verbringen. Öde wird es trotzdem nie. Foto: DAV/Christine Frühholz
Cornwall Rail & Hike

Wandern wildromantisch

„My god, what a land!”, schwärmte schon die Schriftstellerin Virginia Woolf von Cornwall. „Indeed!“ wird bekräftigen, wer dort war. Und einen ganz besonderen Dreh bekommt die Reise nach England mit der Bahn.

„Cornwall, wie schön! Rosamunde Pilcher!“ Eine häufige Reaktion derer, die noch mit klassischem Fernsehen sozialisiert sind. Und gleich im zweiten Satz versichern, dass sie Pilcher-Verfilmungen natürlich nicht der schmonzettigen Liebesgeschichten wegen sehen, sondern einfach nicht genug bekommen können von den schönen Bildern. Da ist was dran, Cornwall geizt nicht mit seinen landschaftlichen, häufig gegensätzlichen Reizen: Steile Klippen und liebliche Weidelandschaft, weiße Sandstrände und geheimnisvolle Moore. Obendrauf gibt es herzliche Menschen, rustikale Pubs und allerhand florale Designs auf den Zimmertapeten. Rund 200.000 Deutsche zieht es Jahr für Jahr in den Südwesten Englands, schätzt der regionale Tourismusverband.

Auf die Insel mit der Bahn? Funktioniert!

Ganz klar: Pilcher-Filme werden nur im Sommer und bei strahlendem Sonnenschein gedreht, der Realitäts-Check für britisches Wetter Mitte September kommt heute Abend. Jetzt ist es Mittag in Köln und es regnet. Mit einem Interrail- Ticket in der Hand – das war seit dem Abi nicht mehr der Fall –, geht es nach Brüssel und weiter mit dem Eurostar unter dem Ärmelkanal hindurch in die britische Hauptstadt. Auf die Insel mit dem Zug statt im Flieger? Das funktioniert bestens, sofern man sich ganz bewusst auf eine längere Anreise einlässt und diese mit interessanten Zwischenetappen garniert, die für sich genommen schon die Reise wert sind.

Etappe eins: London. Mit sommerhaften Temperaturen und strahlendem Sonnenschein zeigt sich die Weltmetropole am nächsten Morgen. Ideale Bedingungen für Sightseeing – in einer ausgedehnten Tageswanderung streift man an fast allen bekannten Sehenswürdigkeiten vorbei. Und doch ist alles anders dieser Tage. Die Queen ist gestorben, nicht nur am Buckingham Palace strömen die Menschen zusammen und legen Blumen nieder. Und das Polizeiboot, das mit Blaulicht und einer irren Geschwindigkeit unter der Tower-Bridge hindurchrast, ist kein James-Bond-Dreh.

Ausflug ins Moor

Etappe zwei: die Hügel des Dartmoor. Tags darauf geht es raus aufs Land. Vom Bahnhof Paddington bringt uns ein fast menschenleerer Regionalzug in drei Stunden in die Hafenstadt Plymouth, den Ausgangspunkt einer Tour ins Dartmoor. Schon kurz nach London zeigt, sich, welche Vorzüge Bahnreisen haben kann. Wir rollen gemütlich nach Südwesten, draußen ziehen unendliche, von Hecken, Büschen oder Steinmauern umgebene Weiden vorbei, auf denen sichtlich zufriedene Wiederkäuer bedächtig vor sich hin grasen. Typischer kann sich englische Landschaft nicht darbieten. Im Innern nähert sich eine überaus freundliche Zugbegleiterin mit Snacks und Getränken und ihr „Anything to drink, my Dear?“ heißt einen endgültig herzlich willkommen in Good Old England.

Doch warum eigentlich ein zweiter Zwischenstopp, wenn es doch nach Cornwall gehen soll? Weil die Fahrt direkt von London einen weiteren Reisetag ohne Wandern in der Natur bedeuten würde. Und auf dem Weg von der Hauptstadt an die Küste bietet das Dartmoor in der Grafschaft Devon genau das; zeitlich geht sich die Halbtageswanderung mit Hilfe eines Taxitransfers aus. Wenig bekannt ist der rund 10.000 Quadratkilometer große Nationalpark, am ehesten vielleicht noch in Zusammenhang mit Arthur Conan Doyles „Hund von Baskerville“, der hier sein Unwesen getrieben hat. Sanfte Hügel, dazwischen immer wieder Schafe, Rinder und die berühmten Dartmoor-Ponys. Außer dem leichten Nieselgeräusch ist es still, eine Auszeit für Ohren und Augen, hin und wieder richtet sich die Aufmerksamkeit auf Ruinen aus der Bronzezeit. Klick, Klick – ein eigentümliches Geräusch bringt uns zurück in die Gegenwart. Neben dem Weg ein Zaun, dahinter eine Gruppe Soldaten. Sie hocken auf dem Boden und stecken Patronen in die Magazine ihrer Sturmgewehre. Neben ihnen riesige Marschrucksäcke. Die Jungs werden wohl gleich deutlich weniger entspannt wandern.

Entspannte Schafe im Dartmoor, sonst rührt sich hier nicht viel. Foto: DAV/Christine Frühholz

Dann doch lieber Fish & Chips und ein Pint in einem gemütlichen Pub, von denen es in Plymouth einige gibt. Die größte Stadt an der englischen Südküste war lange Zeit der wichtigste Hafen des British Empire, heute lässt sich nicht nur hier erkennen, dass Großbritannien neben Corona und Russlands Krieg in der Ukraine auch unter dem Brexit zu leiden hat. Plymouth liegt direkt an der Grenze zu Cornwall. Mit der Bahn rollen wir am nächsten Morgen noch einmal gute zwei Stunden westwärts in die charmante Kleinstadt Penzance, die Basisstation für die kommenden Tage. Der Hafen ist klein, umso länger dafür die Strandpromenade mit dem größten Meerwasserpool Großbritanniens.

Auf dem South West Coast Path

Von hier aus geht es mit einem kurzen Taxi-Shuttle oder dem Land’s End Coaster das erste Mal auf den berühmten South West Coast Path, den mit über tausend Kilometer längsten durchgängig markierten Wanderweg Englands. Startpunkt ist Land’s End, Englands westlichster Zipfel, doch was nach A… der Welt klingt, entpuppt sich als Disney-Park: Imbissbuden, Selfie-Spots, 4-D-Kino. Und doch ist es wie fast überall: Ein paar hundert Meter weiter lichtet sich der Andrang und gen Süden ist der Weg frei für ein mehrstündiges Auf und Ab entlang der spektakulären Steilküste. Es ist stürmisch, am Himmel gibt es ein dramatisches Wolkenspiel und das Meer peitscht gegen die Klippen. Dazwischen immer wieder unglaublich schöne Buchten mit feinem Sand. Wer Strände liebt und im Sommer ein bisschen Glück mit dem Wetter hat, bekommt hier Karibikfeeling ganz ohne Flugreise-Dilemma.

Karibikfeeling ganz ohne Flugreise-Dilemma
Fast schon mondän, auf jeden Fall mediterran: das hübsche Künstlerstädtchen St. Ives. Foto: Karen Grüneberg

Dass es sich in Cornwall auch jenseits der Küste ganz wunderbar wandern lässt, beweist tags darauf der St. Michael’s Way, Teil der alten Pilgerroute von Irland nach Santiago de Compostela in Galicien. St. Ives, der Ausgangspunkt der Tagestour, ist gut mit Bahn oder Bus erreichbar, in der hübschen Kleinstadt mit ihren weißen Sandstränden und den palmenbewachsenen Promenaden lohnt sich ein zweites Frühstück mit Scones oder den typischen, herzhaften Cornish Pasties, gefüllten Teigtaschen. Zunächst durch schicke Wohngebiete geht es immer mehr mitten hinein in die englische Kulturlandschaft.

Schmale Pfade durch dichtes Gebüsch, vorbei an romantischen Cottages – Pilcher eben! – und immer wieder über sattgrüne Viehweiden. „Bull in Field“: Schilder geben hier freundlicherweise Auskunft, wenn statt ein paar trägen Schafen Stiere am Start sind. Einige Stunden später öffnet sich der Blick Richtung Meer, schon von weitem ist das Tagesziel zu sehen: St. Michael’s Mount, das Wahrzeichen von Cornwall. Pittoresk ragt die kleine Gezeiteninsel aus dem Wasser – genau wie das berühmtere Pendant in der Normandie. Bei Ebbe ist sie über einen Damm zu Fuß erreichbar.

Bahnwandern Cornwall mit dem DAV Summit Club

  • 9 Tage, technisch leichte, aber fordernde Tageswanderungen, Trittsicherheit und Kondition für Gehzeiten bis 5 Std.

  • Bahnanreise mit dem ICE über Köln nach Brüssel und mit dem Eurostar nach London

  • Unterkunft in komfortablen ****- und ***- Hotels und Bed & Breakfast

  • Ein Tag Sightseeing in der Weltmetropole London

  • Einsame Hochmoorlandschaft im Dartmoor

  • Spektakuläre Küstenwanderungen in Cornwall

Preis: Ab € 1.995 pro Person inkl. Bahnfahrt ab/bis Deutschland

Reisecode: UKRAIL

dav-summit-club.de

Termine: 2.6.-10.6.2023, 7.7.-15.7.2023, 8.9.-16.9.2023

Steilerer Anstieg auf die nächste Klippe...einige werden noch folgen. Foto: DAV/Christine Frühholz

Szenenwechsel an die Nordwestküste Cornwalls, wo einer der spektakulärsten, aber auch anstrengendsten Etappen des South West Coast Paths von Port Isaac nach Tintagel wartet. Ein Auf-und-Ab-Marathon über schmale Steige, teils mit Stufen angelegt. Fünf bis sechs Stunden sind für die rund 15 Kilometer veranschlagt, bei Nässe ist Vorsicht angesagt. Viele Flüsse münden hier ins Meer, die einige tiefe Einschnitte in die Klippen gegraben haben. Von dort unten geht es immer wieder ordentlich steil hinauf auf die hohen Klippen, wo als Belohnung Aussichten warten, an denen man sich nicht sattsehen kann: Raues Meer in tiefblau bis hell türkis, schroffe Felsen, wilder Farn, das typische Heidekraut und verträumte Fischerdörfer mit den weiß getünchten Häusern.

„Krönender“ Abschluss ist Tintagel Castle oder besser das, was von ihm übriggeblieben ist. Spektakulär genug, schließlich soll hier der legendäre König Artus geboren sein. Eine andere Legende besagt, dass Merlin bis heute in einer Höhle unter der Ruine lebt. Historie oder Mythos – sei’s drum: Wer in Cornwall unterwegs ist, taucht ein in eine Landschaft, die verzaubert. Ganz ohne Tafelrunde, Druiden oder Herzkino? Indeed!

Themen dieses Artikels