Mensch im Winter mit warmer Kleidung und Stirnlampe
Vor allem im Winter essenziell: die optimale Kleidung. Foto: Adobe Stock/EdNurg
Vermeiden - erkennen - behandeln

Unterkühlung am Berg

Obwohl Outdoorkleidung immer leistungsfähiger wird, gibt es nicht weniger Fälle von Unterkühlung am Berg. Mit ein paar Tipps kann man den Körper auch bei kalten Temperaturen warm halten.

Auf Tour verliert der Körper auf unterschiedliche Arten Wärme. Die größten Faktoren sind die Lufttemperatur, also die Wärmeabstrahlung des Körpers an die Umgebung, und die Befeuchtung und Erwärmung der Atemluft. Auch der Wind spielt eine Rolle. Normalerweise umgibt den Körper eine stabile warme Luftschicht als schützende Hülle. Wird sie vom Wind weggeblasen, entsteht der so genannte „Wind-Chill-Effekt“.

Auch bei feuchter Kleidung durch Schwitzen oder Regen verliert der Körper durch das Verdunsten der Feuchtigkeit Wärme, noch schneller kühlt man bei unmittelbarem Körperkontakt mit Schnee, Eis oder Wasser aus.

Was passiert bei Unterkühlung?

Um die Körperkerntemperatur konstant auf etwa 37 Grad zu halten, gibt es verschiedene Arten der Wärmeregulierung. Bei Kälte ziehen sich die Gefäße in Armen und Beinen enger zusammen. Damit wird die Durchblutung gedrosselt, so dass weniger Wärme über die Haut verlorengeht und der Körperkern mit seinen lebenswichtigen Organen warm bleibt. Die Minderdurchblutung kann an den Extremitäten zu Erfrierungen führen, was in diesem Artikel aber nicht vertieft werden soll. Darüber hinaus versucht der Körper durch Muskelzittern zusätzlich Wärme zu erzeugen, was ordentlich Energie kostet. Bei Verletzungen oder starker Erschöpfung besteht deshalb immer Unterkühlungsgefahr, weil die Muskeln sich nicht aktiv bewegen, die Gegenregulation gestört ist und Energiereserven fehlen.

Je niedriger die Körpertemperatur ist, desto langsamer funktionieren alle Prozesse in den Zellen. Was bei Muskeln und Knochen noch eine Zeit lang gut geht, macht sich bei den lebenswichtigen Organen unmittelbar bemerkbar: Unterhalb von 32 Grad kommt es zunehmend zu Beeinträchtigungen der Gehirnfunktionen, der Herztätigkeit, der Atmung und damit in letzter Konsequenz zum Kreislaufstillstand.

„Windel“ fürs Notbiwak: Rettungsfolie längs zusammengefaltet am Rücken unter den Bekleidungslagen (über der Unterwäsche) durchziehen. Über den Kopf ziehen und um den Oberkörper auseinanderfalten. Unteres Ende durch die Beine ziehen. Foto: bergundsteigen

Unterkühlung verhindern

Das A und O ist die richtige Kleidung. Klingt banal, doch die Praxis zeigt: Obwohl es eine immer größere Auswahl an Funktionsbekleidung gibt, haben die Fälle von Unterkühlung am Berg nicht abgenommen. Besonders bewährt ist das Zwiebelprinzip, also mehrere aufeinander abgestimmte Bekleidungsschichten, die man nach Bedarf an- und ausziehen kann. Bei der Auswahl sollte man die Faktoren Kälte, Wind und Feuchtigkeit berücksichtigen, denn der wärmste Daunen-Anorak hilft bei Regen wenig, und die beste Regen-Membran wärmt nicht genug bei Kälte. Auch Ersatzwäsche, Kopfbedeckung und Handschuhe sollten immer im Rucksack Platz haben!

Zur Mindestausstattung einer Notfallausrüstung gehört eine Alu-Rettungsdecke. Sie ist extrem leicht und sehr flexibel einzusetzen: zum Schutz vor Auskühlung einer verletzten Person oder auch als „Körperwindel“ unter der äußersten Bekleidungsschicht am Oberkörper (siehe Abbildung oben). Allerdings sind die Folien nicht besonders reißfest, und wer schon einmal eine Nacht im Notbiwak verbracht hat, wird auf einen Biwaksack nicht verzichten wollen – was leider mittlerweile auch bei größeren alpinen Unternehmungen keine Selbstverständlichkeit mehr ist.

Wie schnell jemand auskühlt, hängt wesentlich von einer ausreichenden Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr ab. Hat der Körper nicht genug Energie zur Verfügung, kann er keine Wärme abgeben. Und wer nicht regelmäßig genügend trinkt, sabotiert die Regulierungsmöglichkeiten seines Kreislaufs. Beides zusammen erhöht das Risiko für Erschöpfungszustände. Bei Kälte sind warme Getränke optimal – auch fürs Gemüt. Und natürlich sollte man nicht nur einen Gipfel-Snack, sondern immer einen kleinen Vorrat an energiereichen Nahrungsmitteln über den unmittelbaren Tourenbedarf hinaus dabeihaben.

Prävention: gute Planung!

Viele Unterkühlungsfälle lassen sich auf eine schlechte Tourenplanung zurückführen. Es gibt mittlerweile auf allen Kanälen ortsgenaue und für einige Tage im Voraus recht zuverlässige Wetterprognosen – man muss sich nur vorher und nicht erst während der Tour informieren. Dann kann man auch schon vorab sichere Rückzugsmöglichkeiten einplanen oder gegebenenfalls ein anderes Ziel wählen. Und natürlich muss man das eigene Leistungsniveau und das der Tourenpartner berücksichtigen, denn Erschöpfungszustände und Blockierungen enden häufig mit einer Unterkühlung.

Aufgrund der guten medizinischen Prognose bei einem Kreislaufstillstand „nur“ durch Unterkühlung gilt die Regel: „Niemand ist tot, bevor er wiedererwärmt und tot ist!“ Wenn nämlich die Körpertemperatur absinkt, werden die Zellen in eine Art „Tiefschlaf“ versetzt, so dass Betroffene den dadurch verursachten Kreislaufstillstand relativ lange ohne bleibende Schäden überstehen können.

Wichtig ist:

  • Risikobewusstsein entwickeln und entsprechend vorausschauend planen

  • Vorab Ausrüstung checken – gilt für die ganze Gruppe

  • Plötzliche Erschöpfungszeichen und Symptome von Unterkühlung bei Tourenpartnern frühzeitig erkennen und notwendige Schritte einleiten

  • Kenntnisse aneignen, um ein Notbiwak zu bauen (siehe auch bergundsteigen.at )

Vier Stadien der Unterkühlung: erkennen und handeln

Stadium I: Körperkerntemperatur bis zu 32 Grad

Symptome:

  1. Ungetrübtes Bewusstsein. 

  2. Die Betroffenen sind immer ansprechbar, möglicherweise etwas aufgeregt oder leicht verwirrt.

  3. Muskelzittern, hoher Puls und beschleunigte Atmung.

Was tun?

  1. Das Wichtigste – wie in allen anderen Stadien auch: weitere Auskühlung verhindern.

  2. Nur in diesem Stadium darf sich der Unterkühlte aktiv bewegen und warme Getränke (am besten gesüßt) zu sich nehmen.

  3. Je nach äußeren Bedingungen, Ausrüstung und Gesundheitszustand kann man dieses Stadium Stunden bis Tage überstehen.

  4. Kälteschutz durch zusätzliche Kleidung, Rettungsdecke oder Biwaksack.

  5. Windgeschützte Stelle aufsuchen.

Stadium II: Moderate Hypothermie: Körperkerntemperatur unter 32 bis 28 Grad

Symptome:

  1. Beginnende Bewusstseinstrübung.

  2. Die Betroffenen sind schläfrig und apathisch, aber noch ansprechbar.

  3. Meistens kein Muskelzittern mehr, flache Atmung, unregelmäßiger Puls.

Was tun?

  1. Spätestens jetzt den Rettungsdienst alarmieren.

  2. Betroffene horizontal lagern und so wenig wie möglich bewegen! Sonst wird kaltes Blut aus der Peripherie in den Körperkern geschwemmt und es kann in kürzester Zeit zum Kreislaufstillstand („Bergungstod“) kommen.

  3. Falls Material vorhanden, „Hibler-Wärmepackung“ anwenden: Wärmepackung, feucht-heiße Tücher oder warme Flaschen auf den Rumpf legen (kein direkter Hautkontakt) und mit Kleidung, Aludecke und Biwaksack abdecken.

Stadium III: Körperkerntemperatur zwischen 28 und 24 Grad

Symptome:

  1. Betroffene sind bewusstlos und nicht mehr ansprechbar.

  2. Puls und Atmung sind unregelmäßig und sehr schwach.

  3. Atem- und Kreislaufstillstand kann jederzeit eintreten.

Was tun?

  1. ​​​​​​​Siehe Stadium II

Stadium IV: Körperkerntemperatur unter 24 Grad

Symptome:

  1. Atemstillstand.

  2. Körper ist kalt und leblos.

Was tun?

  1. Sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen (Herz-Druck-Massage und Mund-zu-Mund/Nase-Beatmung im Verhältnis 30:2 mit einer Frequenz von 100/min) beginnen.

  2. Diese wenn möglich weiterführen, bis medizinische Hilfe vor Ort ist. Wenn unvermeidbar, sind einige  Minuten Unterbrechung zum Transport möglich.