Zwei Wanderinnen studieren Karte am Berg
Eine Karte bietet zuverlässige Orientierung am Berg. Foto: DAV/Katja Müller

Brauchen wir noch Blattkarten?

Die Welt der Kartenapps und -anbieter wird immer größer. Brauchen wir da überhaupt noch analoge Karten in den Bergen? Diese Frage stellte sich Katja aus der Kartographie und für sie ist die Antwort klar – JA.

Freitag, das Wetter fürs Wochenende schaut gut aus.

Ich bin auf der Suche nach einer Tour in den Bayerischen Alpen. Natürlich gehe ich dafür an den Computer und suche im Internet. Immer wieder ploppen neue Tourenportale auf, von denen ich noch nie zuvor gehört habe. Kann ich diesen Portalen vertrauen? Wer pflegt die Touren hier ein? Und was für Karten dienen als Grundlage? Fragen über Fragen. Ich bin verunsichert, welches Tourenportal ich nutzen soll und welche Kartenbasis ich eigentlich brauche.

Am Abend bin ich bei meinen Eltern eingeladen. Wichtigstes Thema: Wochenendplanung. Meine Mama fragt mich, was ich am Wochenende vor hab und ob ich in die Berge fahren will. Ich berichte von meinen Plänen und der schwierigen Wahl des passenden Ziels. Meine Eltern, beide große Bergfreunde, ziehen einige Wanderkarten raus und legen sie vor mich hin: „Früher gab es kein Internet, da mussten wir uns auch mit den Karten orientieren.“ Ich schlage die Karte von Garmisch auf und schaue mir die Berge und Wanderwege an. Klar, ich könnte mir auch aus den Karten eine Tour raussuchen. Aber was ist besser: Bilder und Höhenprofile im Internet zu begutachten oder einfach mal eine Karte von dem Gebiet seiner Wahl aufzuschlagen und so eine Entscheidung zu treffen.

Tourenplanung mit alpenvereinaktiv. Foto: DAV/Hans Herbig

Warum sollte man so sperrige Blattkarten mit in die Berge nehmen, auf der Straße funktioniert das Navi doch auch super, oder?

In der heutigen Zeit, in der einem das Navi sagt: „In 500 Metern bitte rechts abbiegen“, tun sich viele schwer, eine normale Karte zu lesen und verlassen sich zu hundert Prozent auf ihr Handy. Mit der Orientierung wird’s dann schon schwierig, wenn auf der Karte nicht der eigene Standort mit Blickrichtung angezeigt wird. Zum Glück haben wir ja Handys mit GPS-Signal. Aber was passiert, wenn das Handy keinen Akku oder keinen Empfang mehr hat und es einen nicht mehr durch die Straßen und Berge navigiert? Gut, wenn dann jemand eine Karte im Rucksack hat.

Und doch sind Kartenapps und Tourenportale bequem, die Vorteile nicht von der Hand zu weisen: Das Handy ist auch in den Bergen normalerweise immer dabei und somit auch die App mit der Beschreibung der Tour und dem zugehörigen Kartenausschnitt. Die Richtung und der Standort werden angezeigt, die momentane Höhe, die Blickrichtung und noch vieles mehr. Probleme treten jedoch dann auf, wenn die Tour nicht offline gespeichert ist. Es gibt in den Alpen immer noch viele Gebiete, die keine oder kaum Netzabdeckung haben. Also: Tour und Kartenausschnitt speichern und schon ist die App eigentlich doch perfekt für die Berge, oder etwa nicht?

Naja, die ersten Probleme fangen schon bei der Planung zuhause am Handy oder Computer an. Der Bildschirm kann noch so groß sein, die gesamte Wanderung mit allen Details will einfach nicht ganz drauf passen. Es fehlt der Überblick über die Tour, ständig muss man zoomen, um die Details des Geländes zu erkennen oder dann wieder die gesamte Wanderung auf einen Blick zu sehen. Auch auf Tour wird schnell klar: das Smartphone ist vielleicht doch nicht der Weisheit letzter Schluss. Gehen wir mal davon aus, die Karte ist offline gespeichert, der Akku hat gehalten. Nach einem langen Aufstieg stehen wir auf dem Gipfel und erfreuen uns am Panorama. Und jetzt? „Was für einen Berg ist denn das?“, „Und der markante da hinten, ist das nicht der Guffert?“ Mit einer Papierkarte wären diese Fragen schnell geklärt: Blickrichtung und -winkel auf die Karte projizieren und schon muss man nur noch den Gipfelnamen ablesen. Am Handy gestaltet es sich schon schwieriger, da man schnell die Orientierung auf dem kleinen Display verliert oder der heruntergeladene Kartenausschnitt nicht reicht. Klar gibt es auch hier Apps zur Gipfelbestimmung, die gut funktionieren. Jedenfalls solange Akku und Speicher reichen und Netz vorhanden ist...

Wer eine Papierkarte mal komplett vor sich ausbreitet, erkennt die weiteren Vorteile schnell.

Und damit ist nicht nur das Gefühl gemeint, eine Wanderkarte aufzufalten und in den Händen zu halten. Die Informationsdichte auf einer topographischen Wanderkarte ist enorm groß, auch wenn es anfangs oft nicht so wirkt: Felswände, die teilweise im Wald versteckt sind, Quellen und kleine Bachläufe, Wiesen und Wälder, Hütten und Unterstände, Seilbahnen und Hochspannungsleitungen, Gipfel- und Wegkreuze, und noch vieles mehr findet sich bei einer genauen Betrachtung der Karte. Alle Straßen, Wege, Steige und Spuren, ob markiert oder unmarkiert, werden genau wie in der Natur wiedergegeben. Diese detaillierte Darstellung macht eine Orientierung im Gelände wesentlich einfacher.

Und auch die Höhenlinien auf dem Ausschnitt geben zahlreiche Hinweise auf die Gegebenheiten vor Ort. Bergsattel, Gipfel, Täler, Schluchten und einige andere Geländeformen werden so definiert. Umso näher die Höhenlinien aneinander liegen, umso steiler und abschüssiger ist das Gelände. Dort sollte man also besser nicht vom Weg abkommen. Und dann gibt es noch diejenigen, die sich gern mit Kompass oder Planzeiger orientieren. Dies ist tatsächlich nur mit einer Karte in der Hand möglich.

Oben angelangt gibt eine Karte Auskunft zu den umliegenden Gipfeln. Foto: DAV/Wolfgang Ehn

Samstagabend komme ich glücklich und erschöpft von meiner Wanderung nach Hause.

Ich packe meine Sachen aus, unter anderem die Wanderkarte von Papa. Die Auswahl des Ziels ist mir dann doch leichtgefallen. Ich habe die Karte vor mich gelegt und das Gebiet genau angeschaut. Ein Berg hat mir besonders gut gefallen, da der Aufstieg entlang eines Kammes verläuft. Kurz die Tour gegoogelt und entschieden: Das ist sie! Die Karte im Rucksack dabei zu haben, war ein gutes Gefühl. Endlich konnte ich mal einen Tag ohne elektronisches Gerät verbringen, so richtig abschalten. Für mich ist klar: in Zukunft werde ich immer erst eine Karte in die Hand nehmen, bevor ich gezielt nach einem Berg im Internet suche. Und so die Vorteile beider Herangehensweisen miteinander verbinden.

Auf einen Blick

Vorteile App

  • Handy ist immer dabei

  • Touren sind offline speicherbar

  • Standort und Höhe wird meist durch GPS-Signal dargestellt

  • Eigener Track kann aufgezeichnet werden

Vorteile Karte

  • Besserer Überblick über die Wanderung und das Gebiet

  • Einfache Bestimmung von Gipfeln und Tälern

  • Einfache Orientierung durch detaillierte Darstellung der Wege und des Geländes

  • Ausführlichere Informationen in den Karten

  • Kein Internet oder Akku nötig

  • Orientierung mit Kompass und Planzeiger

Bezugsquelle für Alpenvereinskarten

Die Alpenvereinskarten gibt es im DAV-Shop.

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