2_regenwandern.gif
Tipps für den Winter

Spaß bei schlechtem Wetter

Tja, so ist es halt: Ein tourentaugliches Zeitfenster und gute Verhältnisse kommen nicht immer zur gleichen Zeit. Bei Sauwetter, Schneemangel oder Lawinengefahr könntest du "eigentlich" die Chance nutzen, den persönlichen Klima-Verzicht zu "üben" und mal nicht in die Berge zu fahren. Schließlich gibt's auch zuhause und Indoor schöne Optionen, ob Kletterhalle, Fitness-Einheit oder Kulturelles.

Aber du musst dich nicht unbedingt abschrecken und ausbremsen lassen: Mit etwas Kreativität – und vielleicht auch Leidensbereitschaft – sind auch bei schlechten Bedingungen gute Aktionen möglich. Und sei es, dass du dir statt eines Gipfelzieles ein Lernziel setzt und bewusst ein theoretisches oder praktisches Thema trainierst, das du sonst außer acht gelassen hättest (VS-Suche, Spuranlage…). Wichtig ist generell, noch defensiver zu planen als ohnehin.

Was genau sinnvoll ist, hängt auch davon ab, welche der Bedingungen "schlecht" ist: das Wetter, die Schneequalität oder die Lawinensituation? Wenn mehreres davon zusammenkommt oder wenn ein Faktor so richtig mies ist und nicht nur suboptimal, kannst du immer noch die Reißleine ziehen und "nein, danke" sagen.

Das Wetter ist schlecht? Vielleicht auch nur die Kleidung!

Klamotten-Check: Ja, das ist endlich die Gelegenheit, dein teures Zeug zu testen. Wozu hast du es sonst angeschafft? Nur, um den Hund auszuführen – vorausgesetzt, du kriegst ihn hinter dem Ofen hervorgetrieben? Nix wie raus ins echte Leben!

Allerdings gilt es zu bedenken, dass "schlechtes Wetter" nicht ohne Grund so genannt wird. Die Sicht ist gestört, also auch die Orientierung und Balance, Spuren sind kaum zu sehen oder schnell zugeschneit und verweht, die nassen Klamotten (nobody's perfect, auch keine 600-Euro-Jacke) kleben auf der Haut, der Wind zerrt an den Augenbrauen und den Nerven – also plane lieber zwei Portionen kleiner als eine, wenn du rausgehst.

Selbst-Check: Mit jeder Schlechtwetter-Tour bekommst du eine Rückmeldung, wie gut deine persönliche Resilienz gegen Kälte, Nässe, Wind und andere Widrigkeiten ist. Du musst ja nicht beim Spazierengehen Schneebälle in den Händen kneten, um die Finger abzuhärten fürs Winterklettern, wie einst die Bergsteigerlegende Hermann Buhl, wenn er seine Freundin besuchte (die wird sich gefreut haben an den kalten Griffeln…). Doch es kann sich auch richtig geil anfühlen, gegen den Schneesturm anzukämpfen wie Rambo in Kanada. Tipp: Die Skibrille macht's erträglicher. Aber wenn schon der Hals kratzt, muss es vielleicht doch nicht sein.

Berge anders(wo) erleben: Bei schlechtem Wetter werden Berge nicht nur anspruchsvoller und gefährlicher; man trifft auch nicht mehr so viele Menschen (nicht ohne Grund…). Sogar Modetouren sind jetzt einsam – naja, fast: Narrische gibt's immer, schau in den Spiegel. Die wichtigste Frage beim Blick in den Spiegel heißt allerdings: Hast du's wirklich drauf? Die zweite könnte heißen: Müssen es die richtigen Berge sein? Schlechtes Wetter bringt original hartes Bergfeeling an den Stadtrand oder ins Mittelgebirge – und spart damit Stress und Emissionen der Anfahrt.

Spuranlage: Eine einfühlsam ins Gelände geschmiegte Aufstiegsspur mit gleichbleibender Neigung ist die Visitenkarte für Skitourenfans. Nur: Wann kann man das schon üben? Eigentlich immer, nur tut man's kaum, weil die eingelaufene Trasse halt gemütlicher ist. Jetzt musst du's tun, weil der Schneefall die bestehende Spur zugeweht hat. Oder du hast Energie übrig, weil du sicherheitshalber eine kürzere Tour gewählt hast. Also probier's mal aus. Großzügige Geländeausnutzung funktioniert natürlich nur bei guter Sicht. Im Nebel kannst du eher nach innen spüren und fühlen, ob deine Spur breit genug für gute Balance ist und angenehm geneigt für lockeres Gehen.

Orientierung: Schlechte Sicht und verwehte Spuren fordern auch deine Orientierungsfähigkeiten stärker – und bieten dadurch Gelegenheit, sie bewusst zu trainieren. Das gelingt kaum auf einer ausgefahrenen Modepiste, eher abseits des Üblichen. Vielleicht kannst du sogar im nicht zu steilen, nicht zu dichten und nicht von Raufußhühnern bewohnten Wald per GPS ein Kartenziel (Hüttchen, Funkmast…) ansteuern. Im richtig dichten Nebel kannst du das klassische Gehen mit Kompass nach Marschzahl üben – das kann sogar in Stadtnähe möglich sein, etwa übers freie Feld zwischen zwei Wegkreuzungen.

Alternativen: Ok: Museum, Fitnesscenter oder Kletterhalle magst du einfach nicht oder nicht schon wieder. Aber wie wär's denn mit dem Härtetest in der Kletterhalle? Will sagen: im Außenbereich! Bei Wind, Schneetreiben und Kälte fühlen sich auch Plastikgriffe ganz schön "wild" an. Deine Wetterschutzklamotten kannst du auch hier testen. Und ein bisschen für den echten Alpinismus trainieren: Wie klettert sich's mit Handschuhen, Mütze und Daunenanorak? Oder gar mit Bollerstiefeln statt Kletterpatschen? Manche Kletterhallen haben outdoor sogar einen Bereich, in dem man das Mixedklettern mit Eisgeräten und Steigeisen ausprobieren kann. Da wird das Bistro mit Kaffee oder Pizza dann doch zum Sehnsuchtsort …

Der Schnee ist schlecht? Es muss nicht immer Skitour sein!

Auf der Piste? Oft genug haben wir's erlebt in den letzten Wintern, dass der Schnee nicht gereicht hat für befriedigende Tourenerlebnisse. Zum Glück, könnte man sagen, gibt's Pistengebiete, die auch die Skitouren-Klientel willkommen heißen und Frau Holle sogar mit Kanonenkraft auf die Sprünge helfen. Allein sein wirst du dort nicht; gelegentlich sind sogar mehr Leute im Aufstieg als im Lift. Und Tiefschneefreuden brauchst du natürlich auch nicht zu erwarten. Aber eine Fitnesseinheit im Freien, womöglich sogar mit Einkehr am "Gipfel" und nach Feierabend – wenn "Skitourenabende" angeboten werden. Die Regeln einzuhalten, die DAV und Pistenbetreiber vereinbart haben, sollte Ehrensache sein; Verstöße stören den Frieden und gefährden im schlimmsten Fall dich oder andere. [Skitouren auf Pisten / Pistenskitouren: Was darf man wo?]

Zu Fuß? Den Pistentrubel magst dir nicht antun? Aber der Schnee reicht halt nicht für eine gute Skitour? Dann ist er vielleicht so niedrig, dass du auch einfach zu Fuß gehen kannst. Winterwandern ist gerade auf den klassischen Voralpenbergen und im Mittelgebirge extrem beliebt geworden, die typischen Anstiege sind die meiste Zeit gespurt (außer wenn doch mal richtig viel Schnee kommt). Aber Achtung: Spätestens wenn die eh schon hartgetretene Spur ein bisschen Sonne abbekommt und antaut, kann sie zu einer Eispritsche gefrieren. Und auch wo keine Absturzgefahr besteht, kann die Landung auf den Handgelenken oder dem Po, wenn es "die Füße wegzieht", ganz schön schmerzhaft werden. Spikes oder Grödel gehören dann ins Gepäck – und eine Stirnlampe, weil das Gehen auf Schnee langsamer ist als im Sommer und die Tage kürzer. Außerdem musst du, anders als bei der Skitour, auch fürs "runter" ordentlich Zeit einplanen. Es sei denn, das Gelände taugt für eine fröhliche Abfahrt mit Rodel, Zipfelbob oder ähnlichem Gerät. Die können eine Tour sogar zum Selbstzweck machen: Dann ist nicht der Gipfel das Ziel, sondern die Rodelbahn.

Mit Schneeschuhen? Wenn der Schnee zum Wandern doch zu tief ist – also ab ca. 20-30 cm – und für eine Skitour trotzdem nicht gut, weil abgeblasen oder bruchharschig, dann schlägt die Stunde der Schneeschuhe. Außerdem ermöglichen sie Menschen, die eben nicht Skifahren können, das Erlebnis Bergwinter: Ob im Mittel- oder Hochgebirge, kannst du mit ihnen Gipfelziele erreichen, aber auch einsame Schneewelten erkunden. Wenn du deine eigene Route legst, kannst du gleichzeitig Geländeeinschätzung und Orientierung trainieren.

Dabei gibt es allerdings zwei Fallen. Zum einen ist abseits gesicherter Pisten und Wege immer die Lawinengefahr (s.u.) zu berücksichtigen – Lagebericht einholen, angepasste Tourenplanung und -durchführung, Notfallausrüstung … Zum anderen kannst du mit Schneeschuhen in einsame Waldbereiche vordringen, die zwar sehr reizvoll sind, aber vor allem gefährdeten Tieren wie Auerhahn und Birkhuhn als Wohnung dienen. Wenn du sie störst, müssen sie fliehen, was sie lebenswichtige Energie kostet, denn im Winter finden sie kaum Futter. Also: Hirn an, Augen auf – und auch mal "nein, danke" sagen.

Die Lawinengefahr ist erhöht? Der Spaß soll kein Loch haben!

Mit Lawinen ist nicht zu spaßen. Sie sind kein Schicksal, sondern meist hast du dein Glück (oder Unglück) selbst in der Hand: Rund 90 Prozent der Lawinentoten haben die Lawine, die sie verschüttet hat, selbst ausgelöst. Wenn du dich nicht sehr gut auskennst, ist spätestens ab der Warnstufe 3 ("Erheblich") des Lawinenlageberichtes eine Pistentour, Winterwanderung oder Schneeschuhexkursion im Tal die sicherere Option.

Du hast einen Lawinenkurs gemacht, viel darüber gelesen und viel Erfahrung unterwegs – und "A bissl was geht immer"? Ok, dann geh mit Gott; eine exakte Tourenplanung ist deine beste Lebensversicherung. Zur Tourenauswahl findest du auf der Website skitourenguru.ch Touren im gesamten Alpenraum, klassifiziert mit einem aktuellen Lawinenrisiko, das anhand der Verhältnisse nach anerkannten Methoden berechnet wurde. Die DAV-Snowcard hilft bei Tourenauswahl, -planung und -durchführung. Und wenn du mal einen Lawinenkurs bei deiner Sektion oder einer Bergschule mitmachst, erfährst du noch jede Menge Wissenswertes, über das du dann an Tagen wie diesen froh bist. Das Motto heißt: Man lernt nie aus.

Du traust deiner Risiko-Einschätzung nicht so recht? Dann kannst du die Gelegenheit nutzen, Neues zu lernen und zu trainieren. Etwa im tiefen Schnee in flachem, ungefährlichem Gelände mal ausprobieren, wie mühsam das Spuren ist – und wie hilfreich eine gut angelegte Spur. Oder du findest einen licht bewaldeten, nicht zu steilen Hang, in dem du mit Kanada-Feeling freeriden kannst – Achtung: Keine Tiere aufscheuchen, also zumindest ausgewiesene Ruheräume meiden!

Auch um mit deinen Freunden die Notfallmaßnahmen nach Lawinenabgang zu üben, ist jetzt eine gute Zeit. Packt ein angeschaltetes(!) LVS-Gerät in einen Rucksack oder Seesack, stopft ihn mit Kissen oder Daunenjacken aus und vergrabt ihn – schon kann die Suche beginnen. Noch relativ einfach ist die "Grobsuche", die Annäherung nach dem ersten Signalempfang. Spannend wird's dann bei der Feinsuche und der Punktortung mit Sondieren – aber gerade da lassen sich lebensrettende Minuten sparen, wenn man es gut geübt hat. An einer "Sonden-Bar" kannst du dein Feingefühl mit der Sonde üben; in Gruppenszenarien, womöglich mit mehreren "Verschütteten", Strategien entwickeln. Und wenn schon die Schneedecke brisant geschichtet ist, kannst du mal an einer ungefährlichen Stelle (kleiner Hang, flacher Auslauf) hineingraben und schauen, was dir die weißen Kristalle zu erzählen haben.

Oder mal was ganz ausgeflipptes, wenn schon keine große Tour möglich ist? Bei ausreichend Schnee kannst du ein Iglu bauen, eine Schneehöhle oder ein "Panzerknacker-Biwak" – und dann nicht unbedingt drin übernachten (das ist nicht ohne weiteres erlaubt). Aber zumindest zwei Stunden reinsitzen, Tee kochen und erfahren, wie sich das anfühlt.

"Schlechte Bedingungen" sind nicht die Zeit für die großen Unternehmungen. Aber du kannst hier vieles ausprobieren, was deinen Handlungsspielraum und Komfortbereich bei ernsteren Touren deutlich erweitert.

Themen dieses Artikels