Mann fährt auf Mountainbike Forststraße entlang
Wer Einsamkeit sucht, ist zumindest im Frühling im slowenischen Pohorje-Gebirge genau richtig. Foto: Silvia Schmid
Mountainbiken im slowenischen Mittelgebirge

Wilder als erwartet

Eine Mountainbike-Traversale durchkreuzt die einsamen Wälder des Pohorje-Gebirges hoch über Maribor. Den perfekten Kontrast dazu bieten malerische Ausblicke unten, entlang des Drauradwegs, der zurück nach Maribor führt – direkt zur ältesten Weinrebe der Welt.

In Maribor ist der Kulturkalender prall gefüllt, an der Drau scharen sich die Weinberge und direkt am Stadtrand geht es steil bergauf zum Pohorje-Gebirge. Mit der Bergbahn lassen sich die 800 Höhenmeter zur tausend Quadratkilometer großen Hochfläche leicht meistern. Wer oben ankommt, darf sich über Ausblicke freuen: Tief unten erstreckt sich, von der Drau durchschlängelt, Maribor. Richtung Westen reihen sich dicht bewaldete Hügelkuppen – die höchste ist 1543 Meter hoch – bis Dravograd. Eindeutig: „Hochfläche“, nicht „Hochebene“.

Wir verzichten auf die Bergbahn, wählen die Ruhe und suchen im kleinen Vorort Ruše einen Parkplatz. „Ja, das Auto könnt ihr hier stehen lassen“, sagt eine nette Frau. Sie blickt auf unsere Mountainbikes und holt gleich einige Fachleute aus dem Café nebenan: „Tolle Route! Beim Gasthaus macht ihr Pause, die haben die neueste Bike-Karte, holt euch die. Unbedingt!“ Der Gemüsehändler kommt dazu: „Stellt das Auto besser in die Tiefgarage, könnte Hagel kommen.“ Schon türmen sich düstere Wolken auf. Also, Plausch beenden, Auto verstauen und mit vielen guten Tipps ausgestattet zügig zur Ruška koča (1246 m) radeln, wo wir übernachten.

Aufwärmen mit Kachelofen und Yota

Das Sträßchen ist ideal zum „Einradeln“. Schnell verkriecht sich die Sonne. Beim Gasthaus Martnica fallen die ersten Tropfen. Wir halten an und bekommen die Radl-Karte. „Redet ruhig deutsch“, bittet der Wirt. „Wir sind ja Steirer, hier in der slowenischen Steiermark!“ Es regnet nur noch leicht, wir machen uns erneut an die „Arbeit“. Aus Asphalt wird Kies, die Bäume rücken zusammen. Der Regen gibt wieder Gas, Donner grollt in der Ferne. An einer verwaisten Liftstation beginnt der Untergrund zu saugen, das kostet Kraft. Wieder eine Abzweigung. Ist das die richtige Route? Irgendwann kreuzen wir endlich die mit „PT-Schildern“ markierte Pohorje-Traversale (PT), die wir aber gleich wieder verlassen, um zur etwas höher gelegenen Berghütte zu gelangen. Noch ein durchweichter Waldweg, dann schieben wir klitschnass unsere Räder zur Ruška koča. Ein großer Kachelofen verbreitet angenehme Wärme und auf dem Tisch dampft Sloweniens Nationalgericht: Die Yota (Sauerkrautsuppe mit Bratwurst) wärmt uns auf, und kaum sind alle Teller leer, erstrahlen die düsteren Wolken. Ein Regenbogen gewinnt an Farbe und spannt sich von einer alten Kirche bis weit über die Wälder des Pohorje. Ein magischer Moment - wir sind angekommen.

Gewitterstimmung und Regenbogen an einer alten Kirche neben der Ruška koča. Foto: Silvia Schmid

Wie anders sieht die Welt in der milden Morgensonne aus! Freundlich leuchten „frischgeschlüpfte“ Buchen, bergauf-bergab rollen wir durch einen märchenhaften Urwald. Dick mit Moos überwucherte Felsen wechseln sich ab mit bleichem Altholz und dunklen Tümpeln. Zartgrüne Frühlingsboten sprießen eifrig zwischen glasklaren Bächen. Plötzlich ist die Luft von feinem Flirren erfüllt. Blüht da was? Nein, die vermeintlichen „Samen“ haben Flügel. Millionen winziger Mücken feiern gerade Geburtstag. Sie beißen nicht, sie stechen nicht, doch ab jetzt sind sie überall.

Wald, Schafe und endlich Ausblick

Auf gut beschilderten Forstwegen kommen wir schnell voran Richtung Rogl, einem der „Hotspots“ des Pohorje. Die Sonne ist wieder hinter Wolken verschwunden, als wir im letzten Moment ein „PT-Schild“ entdecken. Der Pfeil weist sehr scharf nach links, in einen matschigen Pfad. Wir bremsen abrupt. Kann das sein? Ja, es ist so. Dann ein tiefes Bachbett. Von der Brücke sind nur noch bizarr verdrehte Eisenträger übrig, ein Unwetter riss hier kürzlich alles andere weg. Wir ziehen die Schuhe aus, schultern die Bikes und waten durchs Wasser. Ausgeschwemmte Wege, viel loses Geröll und zum Teil knackig-steile „Schnapper“ machen die nächsten Stunden spannend – und anstrengend. Was vorher noch ein beschauliches Dahingleiten auf breiten Wegen war, wird nun zur „echten“ Mountainbike-Tour, die auch Orientierungssinn verlangt. Mal stehen wir vor riesigen, ausführlichen Hinweistafeln, dann finden wir nicht den kleinsten Wegweiser. Doch die Bike-Karte ist gut und sorgt dafür, dass wir nicht vom rechten Weg abkommen. Langsam sehnen wir uns im dichten Wald nach blühenden Wiesen und etwas Weitblick.

Nach viel Wald sehnt man den Ausblick übers Land regelrecht herbei. Foto: Silvia Schmid

Dann endlich: Eine Weide! Schafe! Ausblicke! Der Mann, der im Garten vor dem Bauernhaus arbeitet, gehört zu den ersten Begegnungen heute. Wir genießen den Moment der Weitsicht, bevor die Traversale wieder bergauf in den Wald führt. Das Skigebiet Kope ist der dritte „Höhepunkt“ des Pohorje-Gebirges. Ein kleines, verwittertes Holzschild verhindert, dass wir zu früh ins Tal düsen. Ein steiler, steiniger Steig. Nun ist Schieben angesagt. Ob das der richtige Weg ist? Dann lichtet sich der Wald, wir stehen auf einer glattrasierten Skipiste. Bei der Bergstation beseitigen zwei Mitarbeiter die Reste der gerade vergangenen Ski-Saison. Das „PT-Schild“ zeigt nach unten – dorthin, wo wir gerade herkommen. Nein, nein, nein, nicht alles wieder zurück! Doch die Liftarbeiter geben lachend Entwarnung, auch in unserer Richtung geht es weiter und bald stehen wir auf unserem letzten „Gipfel“. Ganz hinten, in den Wolken, am Ende der schier endlosen Hügelketten erahnen wir unseren Ausgangspunkt. Umso deutlicher erkennen wir das Ziel: Unten glitzert die Drau verheißungsvoll in der Sonne.

Der Forstweg fühlt sich an wie Samt – bald sausen wir durch Blumenwiesen, Obstbäume stehen in voller Blüte und mit einem Schlag sind sämtliche Mücken verschwunden, ihre Party ist beendet. Wir verlassen die Pohorje-Traversale und wählen den direkten Weg ins Tal, vorbei an einer mächtigen Buche mit ausgehöhltem Stamm. Woher nimmt sie nur die Kraft, standhaft zu bleiben? Im milden Sonnenschein überqueren wir die Drau und erreichen das kleine Dorf Muta. Gleich neben der ältesten Kirche Sloweniens ist unser Gasthaus, das sich als ein liebevoll behütetes „Privat-Museum“ entpuppt. „Dieses Haus hat noch nie etwas verloren“, verrät uns der Wirt, während seine Frau in der Küche Köstlichkeiten kocht. Wir sind die einzigen Gäste, essen von alten Zinntellern, trinken aus bunten Weingläsern und sinken zufrieden ins altertümliche Bett.

Immer wieder verläuft der abwechslungsreiche Drauradweg entlang kleiner asphaltierter Straßen. Foto: Silvia Schmid

Immer den Fluss entlang?

Nach den einsamen Wäldern gestern bilden die blühenden Gärten entlang der Drau den perfekten Kontrast. Mal verläuft der Drauradweg direkt am Wasser, dann wieder etwas erhöht, in guter Aussichtsposition. Pferde und Esel weiden neben der kleinen Straße, dann führen die Wegweiser wieder Richtung Pohorje, ins Hinterland. Landschaftlich ist dieser Ausflug bergauf ausgesprochen lohnend. In kleinen Weilern wird gehackt, geschnitten und gesät. Bald ist das Anstrengendste geschafft. Die Abfahrt auf der schmalen, stark befahrenen Straße ist rasant, doch auch hier nimmt man in Slowenien Rücksicht.

Liebliche Aussichten auf der Rückfahrt nach Maribor entlang der Drau. Foto: Silvia Schmid

Zurück an der Drau geht es ein Stück flussaufwärts, zum Fala-Kraftwerk. Seit 1918 liefert das inzwischen unter Denkmalschutz stehende älteste Drau-Wasserkraftwerk zuverlässig Strom. Über die Staumauer gelangen wir ans Nordufer. Ja, das slowenische Hinweisschild mit dem Gesperrt-Zeichen haben wir schon gesehen. „Die Durchfahrt ist nachts gesperrt“, glauben wir zu verstehen und radeln weiter zur Brücke zurück nach Ruše. Doch dann ist Endstation. „Keine Chance“, sagt ein Einheimischer, „die Brücke ist zurzeit weg“. Das haben uns die netten Leute vom Café vorgestern leider nicht verraten. Die nächste Überquerung ist 14 Kilometer entfernt, in Maribor. Erst kurz vor der Stadt können wir die vielbefahrene Hauptstraße verlassen. Doch dann folgen wir dem wunderschönen Radweg direkt zur angeblich ältesten Weinrebe der Welt. Über 400 Jahre hat sie auf dem Buckel, sie steht voll im Saft und wird von Gästen aus aller Welt entsprechend gehuldigt. Wir überqueren endlich die Drau und sausen auf der „Radl-Autobahn“ zurück nach Ruše, wo sich schon wieder dicke Wolken türmen und das kleine Café heute leider geschlossen ist.  

Information

Touristisches Informationszentrum

Maribor-Pohorje (umfassende Infos, auch zu Bike- und Wandermöglichkeiten)
Tel. 00386/22 34 66 11
tic@maribor.si
visitmaribor.si

Radkarte mit allen Informationen zum Download unter visitmaribor.si

Drauradweg

Pohorje-Traversale (original)

Bergstation Maribor/Bellevue bis Koča pod Kremžarjevim (75 km, 1420 Hm)

3-Tages-Rundtour

Ruše – Pohorje-Traversale – Drauradweg – Ruše


1.Tag: Ruše (309 m) – Ruška koča (1246 m) (14 km, 950 Hm)

2. Tag: Ruška koča (75 km, 1310 Hm) – Muta (315 m)

3. Tag: Muta – Ruše (52 Km, 950 Hm)

Themen dieses Artikels