Bergsport im Zeichen des Klimawandels

Lohnt es sich noch, einen Hochtouren-Kurs zu machen?

Die Bilder von schmelzenden Gletschern, die Warnungen vor Steinschlägen und Extremwetterereignissen in den Bergen machen nachdenklich. Wie lange werden unsere Alpen noch so sein, wie wir sie kennen? Worauf müssen wir uns als Bergsportler*innen einstellen? In dieser Podcastfolge begeben wir uns auf die Suche nach Antworten.

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Lohnt es sich angesichts des Klimawandels noch, einen Hochtouren-Kurs zu machen? Ein klares Ja gibt es auf diese Frage vom DAV-Experten Tobias Hipp. Foto: Dörte Pietron

Transkript zur Folge

Angela Kreß:  Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge des Bergpodcasts. Schön, dass ihr wieder mit dabei seid.
Heute blicken wir in die Zukunft. Genauer gesagt in die Zukunft des Bergsports. Die Bilder von schmelzenden Gletschern, die Warnungen vor Steinschlägen und Extremwetterereignissen in den Bergen machen nachdenklich. Wie lange werden unsere Alpen noch so sein, wie wir sie kennen? Worauf müssen wir uns als Bergsportler*innen einstellen? Diese Fragen stellt sich auch Cornelia Kreß und begibt sich in dieser Folge auf die Suche nach Antworten.

Cornelia Kreß: Ich hab letztens bei Instagram ein Posting gesehen von meiner Sektion, da gab es noch freie Plätze bei einem Hochtouren-Kurs. Ich habe mir gedacht, super cool, warum nicht mal aus dem Bergwanderterrain ausbrechen und was Neues ausprobieren? Und dann habe ich an die Meldungen vom letzten Jahr gedacht, wo es ziemlich viele Medienberichte gab, über Steinschläge auf Hochtouren, dass bekannte Routen frühzeitig gesperrt werden mussten, weil sie einfach zu gefährlich wurden. Und auch im Bergbericht wurde gefühlt jede Woche auf das Risiko auf Hochtouren hingewiesen und es hieß immer, man sollte nur mit viel Erfahrung gehen. Die Erfahrung habe ich nicht. Und ich dachte, der Sommer letztes Jahr war besonders. Jetzt hatten wir wieder einen Winter, wo es ziemlich lange kaum Schnee gab, der wieder zu warm war und wo im Februar schon vor Wassermangel in Europa gewarnt wurde.

Kommt jetzt also ein Sommer mit den gleichen Bedingungen auf uns zu? Liegt das alles am Klimawandel und wird es jetzt immer so sein? Was bedeutet das alles für den Bergsport und lohnt es sich für mich jetzt überhaupt noch, einen Hochtouren-Kurs zu machen? Die Frage habe ich einfach mal gegoogelt, aber eine Antwort darauf habe ich nicht so wirklich bekommen. Da kommen dann Infos zu Hochtouren und Kursen, ob ein Kurs generell sinnvoll ist und was ich danach für Touren unternehmen kann. Aber was tut man in der schönen neuen Welt, wenn Google keine Antwort weiß? Richtig, man fragt ChatGPT, und das habe ich gemacht: Lohnt es sich noch einen Hochtouren-Kurs zu machen, habe ich gefragt und die Antwort kam prompt und war ausführlich. Aber wie bei Google hat sie nicht das getroffen, was ich eigentlich wissen wollte. Ich habe also nochmal nachgehakt, ganz konkret wegen Klimawandel. Dabei raus kam das:

Oh Entschuldigung, wenn Sie sich aufgrund des Klimawandels unsicher fühlen, ob es sich lohnt, einen Hochtouren Kurs zu machen, gibt es ein paar Dinge, die Sie berücksichtigen können.

Und dann kommen ein paar Worte zu schmelzenden Gletschern, zum Wetter und was ich selbst zu Klima und Naturschutz beitragen kann. Und zum Abschluss kommt diese Aussage:

Insgesamt ist es wichtig, dass Sie sich über die Auswirkungen des Klimawandels auf Ihre geplante Aktivität informieren und verantwortungsbewusst handeln. Wenn Sie Bedenken haben, ob es sich lohnt, einen Hochtouren Kurs zu machen, kann es hilfreich sein, mit Experten oder erfahrenen Bergsteigern zu sprechen, um deren Meinung und Erfahrungen zu hören.

Ja gut, das ist jetzt immer noch nicht ganz, was ich wissen wollte. Ich brauch also einen Experten – und der sitzt zum Glück gar nicht so weit weg von mir. Ein Stockwerk höher nämlich, mein Kollege Dr. Tobias Hipp. Der ist selber super viel in allen möglichen Disziplinen am Berg unterwegs, ist Geograf und hat seine Doktorarbeit über Permafrost geschrieben. Ich schreib ihm mal.

[tippen] Hi Tobi, Ich hab eine kurze Frage: Lohnt es sich angesichts des Klimawandels überhaupt noch, einen Hochtouren-Kurs zu machen? Okay, um ehrlich zu sein, ich hab mehrere Fragen zu dem Thema. Hättest du Zeit, mir und unseren Podcast Hörer*innen Antworten zu geben?

Die Antwort braucht zwar ein paar Minuten länger als bei ChatGPT, aber dafür gefällt sie mir viel besser. Er hat nämlich Zeit, und zwar gleich morgen Vormittag.

*

Cornelia Kreß, Mitarbeiterin DAV Cornelia Kreß

Tobi, hi, schön, dass das klappt! Danke, dass du dir die Zeit nimmst. Ich habe so viele Fragen, aber bevor ich anfange dich zu löchern, magst du dich einmal kurz vorstellen?

Tobias Hipp, Mitarbeiter DAV Tobias Hipp

Servus Conny, gerne! Ja, ich bin der Tobias, bin im Ressort Naturschutz beim Bundesverband tätig. Also kümmere mich um die Entwicklungen in den Alpen, Skigebietserschließungen, Wasserkraft-Erweiterungen, mach da die naturschutzfachliche Expertise. Ich glaube, warum ich jetzt hier bin, als Experte, ist dass mein Background eigentlich von der Ausbildung her in der Forschung ist. Ich hab tatsächlich zu Permafrost und Klimawandel promoviert, in Norwegen dazu geforscht. Das ganze Thema Klimawandel, Permafrost, Naturgefahren, Wasser etc. wird einfach jetzt so heiß - wenn man so sagen will - dass wir nicht mehr drum rum kommen - als Alpenverein, als Bergsportler, Privatpersonen - uns damit zu beschäftigen, was da auf uns zukommt.

Cornelia Kreß, Mitarbeiterin DAV Cornelia Kreß

Der Alpenverein bildet ja auch aus in Hochtouren kannst du meine Frage vom Anfang kurz mit Ja oder Nein beantworten? Also lohnt sich's noch einen Hochtouren-Kurs zu machen?

Tobias Hipp, Mitarbeiter DAV Tobias Hipp

Ich glaube tatsächlich, dass ich einfach Ja sagen kann, dass es sich weiterhin dringend lohnt, einen Hochtouren-Kurs zu machen! Vorweg kurz: Ich hab mir auch ein bisschen Gedanken gemacht und das ist jetzt schon eine existenzielle Frage, die wir aufwerfen für einen Bergsportler. Dass wir jetzt tatsächlich an dem Punkt angekommen sind, wo wir uns überlegen müssen, gibt es die Grundlage noch für eine Bergsportart? Wenn man jetzt mal zurückdenkt, da muss ich nicht weit zurückdenken, aber den Gedankengang hatten wir so noch nicht, oder? Da sind wir jetzt. Das macht natürlich schon ein bisschen traurig auf der einen Seite. Aber auf der anderen Seite, zurück zur Frage, warum brauche ich den Kurs noch? Fakt ist, Gletscher gehen zurück, werden dünner. Prognose: Mitte des Jahrhunderts (in den Ostalpen) bis Ende des Jahrhunderts (in den Westalpen) werden die meisten Gletscher weg sein. Das heißt, da könnte man natürlich jetzt sagen, wozu brauche ich noch einen Kurs? Zwei Punkte: Das bedeutet natürlich, dass man schon die nächsten 50, 60, 70 Jahre noch gut im Hochgebirge unterwegs ist. Zum anderen heißt es aber auch, es gibt Veränderungen, also man muss die Tour vielleicht anders planen, man muss sich wirklich intensiv mit den Bedingungen im Hochgebirge auseinandersetzen, wirklich sein Handwerkszeug können. Spaltenbergung zum Beispiel, weil sich einfach vielleicht mehr Spalten bilden. Umso wichtiger ist daher eigentlich diese Ausbildung zu haben, wenn man in Zukunft ins Hochgebirge geht.

Cornelia Kreß, Mitarbeiterin DAV Cornelia Kreß

Warum ich draufgekommen bin, letztes Jahr ab Juni, Juli war gefühlt jede Woche im Bergbericht eine Warnung, dass einige Hochtourenrouten sehr riskant sind und dass man sie nur noch mit viel Erfahrung oder einem Bergführer gehen sollte. Hab ich überhaupt die Chance, diese Erfahrungen noch zu sammeln, wenn ich nicht in den Bergen aufgewachsen bin?

Tobias Hipp, Mitarbeiter DAV Tobias Hipp

Also die Erfahrung wird man sich definitiv noch aneignen können. Da geht’s einfach drum, kleine Schritte zu machen, klein zu starten, einfache Touren auszusuchen, wo auch in Zukunft noch einfache Gletscher sein werden. Das hat sich zu früher nicht wirklich verändert. Was die Herausforderung sein wird - und wahrscheinlich auch Ausbildungsschwerpunkt werden muss - dass man sich viel intensiver mit dem Wettergeschehen, auch im Verlauf der gesamten Saison, auseinandersetzen muss. Wenn man jetzt nur ein Beispiel nimmt: Wir haben jetzt weniger Schnee, es wird sehr viel früher warm, unter Umständen Hitzewellen etc. Die Schneebedeckung auf dem Gletscher ist geringer, dadurch werden auch die Zeitfenster für Hochtouren geringer, in denen man sicher unterwegs ist. Das heißt, das muss man spezifischer abpassen, um sicher unterwegs zu sein. Ansonsten ändert sich nicht viel zu vorher, dass man einfach die kleinen Brötchen backt und sich die Erfahrungen holt.

Cornelia Kreß, Mitarbeiterin DAV Cornelia Kreß

Du hast jetzt Hitzeperioden angesprochen - wäre das eine Wetterlage, die die Gefahren steigert, und gibt es auch andere Wetterlagen, die irgendwie das Risiko erhöhen? Ich kenne es vom Wandern im Waldbereich, dass man nach Sturm gut aufpassen muss wegen Windbruch. Gibts sowas auch bei Hochtouren?

Tobias Hipp, Mitarbeiter DAV Tobias Hipp

Also der Klimawandel begünstigt ja zum Beispiel dieses Thema Permafrost-, Gletscherrückgang – dadurch entstehen Gefahren. Darau kommen wir vielleicht in einer anderen Frage. Und ja, die Wettersituationen sind tatsächlich entscheidend für sicheres am Berg sein, was jetzt das Hochgebirge angeht. Wir haben es im letzten Sommer gesehen: Hitzewellen, mit Rekordtemperaturen über einen langen Zeitraum, begünstigen das Tauen von Permafrost, begünstigen extremes Abschmelzen von Gletschern, viel Wasser und damit eben auch Naturgefahren. Andere Aspekte sind Extremwetterereignisse, Starkregen, was wir jetzt auch spüren, was immer häufiger kommt, der Wechsel von Trockenheit zu Starkregen. Da habe ich das Thema Murgänge, Überflutungen - und das andere ist natürlich das Thema Hitze. Da geht es auch um mein persönliches Wohlbefinden, dass ich schauen muss, wie lange kann ich denn bei extremer Hitze im Hochgebirge unterwegs sein?

Cornelia Kreß, Mitarbeiterin DAV Cornelia Kreß

OK, du hast jetzt Hitze, Muren, Flut potentiell, als Gefahren genannt. Weitere Gefahren, von denen man regelmäßig hört, sind Steinschläge und Felsstürze. Wie kommts? Wir wissen ja, dass sich die Alpen doppelt so schnell erwärmen wie der globale Durchschnitt. Aber warum konzentriert es sich so auf die Alpen? Du hast ja vorher erzählt, dass du in Norwegen geforscht hast, ist es dort anders?

Tobias Hipp, Mitarbeiter DAV Tobias Hipp

Es ist ein bisschen weniger, es ist sehr regional, das muss man global sehen. Ein Aspekt, warum es sich in den Alpen mehr erwärmt als der Rest der Welt oder in anderen Regionen ist einfach Zufall - Ich sage es so, wie es ist. Das Klima, das Wettersystem, was um die Welt schwirrt und irgendwo gibt es einfach Regionen, die sich stärker erwärmen oder mehr Regen bekommen, weniger Regen bekommen. In gewisser Weise ist da ist da einfach ein bisschen Pech dabei. Berge – spezifisch – ist aber natürlich ein ganz wichtiger Aspekt. Die Alpen stehen als Barriere in der Atmosphäre drin. Das heißt, die blockieren im Endeffekt Wind, Strömungen, erzeugen Turbulenzen. Sie sind wie Dachflächen, die zur Sonne ausgerichtet sind. Wir gehen da bis auf über 4000 Meter, 5000 Meter hoch. Damit erzeuge ich in der freien Atmosphäre Flächen, die sich erwärmen können, die sonst ja gar nicht da wären auf der Ebene - das ist ein zentraler Aspekt, warum Gebirge in der Welt - nicht nur Alpen, sondern global - sich einfach stärker erwärmen und das viel rasanter abläuft.

Cornelia Kreß, Mitarbeiterin DAV Cornelia Kreß

Ich würde gern noch ein bisschen über Steinschläge und Felsstürze sprechen. Ein bekanntes Beispiel in den Alpen ist ja der Hochvogel, der sehr genau beobachtet wird. Ist es auch eine Folge des tauenden Permafrosts und vom Klimawandel?

Tobias Hipp, Mitarbeiter DAV Tobias Hipp

Gerade speziell beim Hochvogel kann man die Verbindung, Klimawandel und Bergsturz, Naturgefahr so per se nicht aufmachen. Bergstürze - die großen Ereignisse, dass wirklich halbe Bergpartien abbrechen - oder auch kleinere Sachen, Felsstürze, sind ein typisches Alpenphänomen, was es immer schon gegeben hat und auch im Prinzip ohne Klimawandel gibt. Wir haben steiles Gelände, Schutt, Hang oder eine Felswand, da ist Hangabtriebskraft da. Dazu haben wir Wettereinflüsse - Regen, Hitze, Temperaturschwankungen - und dann noch final irgendeinen Auslöser, zum Beispiel kleine Erdbeben. Die spüren wir nicht, die misst der Dienst in Innsbruck, ZAMG, und die können Felsstürze dann auslösen, als Trigger. Am Hochvogel haben wir eine geologische Instabilität, Schichten sind in Bewegung. Was dort natürlich dann der Fall ist oder sein wird, ist, dass solche Extremwetterereignisse, die jetzt zunehmen durch den Klimawandel, das beschleunigen. Der andere Aspekt, was Bergstürze angeht, wo wir eine klare Verlinkung zum Klimawandel haben und wo jetzt auch gehäuft Zahlen da sind, dass es zunimmt, ist im Hochgebirge, in dem Bereich, wo Permafrost vorhanden ist und wo Gletscher sich zurückziehen. Man kann sich Permafrost vorstellen wie einen Kleber, wie dauerhaft gefrorenes Eis im Fels, was das zusammenhält. Ganz egal was für ein Material - alles, was da gefroren ist, ist stabil. Die Erwärmung nimmt diese Stabilität aus diesen Felsen oder aus dem Schuttmaterial raus und dann können solche Extremereignisse viel leichter, einen Felssturz, einen Bergsturz oder Steinschlag auslösen. Wenn wir jetzt in eine große Dimension gehen, also Bergsturz - der gesamte Hang, ein gesamter Fels, oder ein Teil vom Gipfel bricht ab - kommt ein anderer Aspekt dazu: der Gletscherrückgang. Das kann man sich vorstellen wie eine Stützmauer, die Gletschermasse liegt quasi am Felsen dran, unten am Wandfuß, und drückt dagegen. Jetzt taut dieser Gletscher ab, die Oberfläche geht runter und jetzt kann sich dieser Fels ausweiten. Man meint immer Fels ist so stabil, aber der kann sich tatsächlich dehnen, mit den ganzen Klüften. Und die Kombi kann dann - wieder mit einem Auslöser wie Erdbeben, Regen - große Felsstürze auslösen. Da ist die Kombi mit dem rasanten Klimawandel mittlerweile ziemlich klar.

Cornelia Kreß, Mitarbeiterin DAV Cornelia Kreß

Bei Gletschern können wir ja sehr deutlich sehen, dass sie zurückgehen: Wir haben Vergleichsfotos, wir haben den Gletscherbericht vom ÖAV, wer mit ein paar Jahren Abstand im gleichen Gebiet unterwegs ist, kann es mit eigenen Augen sehen. Beim Permafrost ist es schwieriger bis unmöglich. Wo ist da gerade die Grenze und wohin wird sie sich verschieben? Kann man das sagen?

Tobias Hipp, Mitarbeiter DAV Tobias Hipp

Das ist natürlich das Spannende, beziehungsweise das Schwierige beim Permafrost: man sieht nix. Das ist einfach ein Temperaturphänomen, das heißt, es ist gefrorener Fels oder Schutt. Momentan gibt es eine starke Veränderung, genauso wie bei Gletschern. Momentan ist die Regel etwa 2800 bis 3000 Meter Höhenlage nordseitig. Es kann auch lokal deutlich niedriger gehen. In Schuttflächen, wir kennen sie im Karwendel oder im Hochgebirge, große Schubkare – da kann Permafrost deutlich tiefer gehen, bis etwa 2400 Meter. In unserem Bereich, gibt es an der Zugspitze noch so eine kleine Permafrost-Linse im Berg drin, die wird weniger, aber das ist in etwa der Unterbereich und diese Untergrenze verschiebt sich momentan natürlich nach oben.

Cornelia Kreß, Mitarbeiterin DAV Cornelia Kreß

Kann man sagen, wie weit nach oben und in welchem Zeitraum? Bei den Gletschern sagt man ja, dass sie bis Mitte des Jahrhunderts größtenteils abgeschmolzen sind. Gibt es solche Prognosen auch für den Permafrost?

Tobias Hipp, Mitarbeiter DAV Tobias Hipp

Da gibt es natürlich eine weite Spanne an Szenarien, weil Permafrost extrem an das Gelände gebunden ist. Aber man geht da schon davon aus, dass es so bis Mitte des Jahrhunderts 500 bis 700 Meter sind, die wir raufgehen. Das muss man sich mal im Relief vorstellen, in der Höhe sind 500 Höhenmeter extrem viel Gelände, das sich über mir erwärmt in den nächsten Jahrzehnten. Also da muss man sagen haben wir wirklich sehr viel vor uns, weil es ist einfach sehr viel Masse, sehr viel steiles Gelände in den Alpen, das dadurch betroffen ist.

Cornelia Kreß, Mitarbeiterin DAV Cornelia Kreß

Und das erhöht ja dann die Wahrscheinlichkeit von Felsstürzen und Steinschlägen. Wird es überwacht, sind es Klimamodelle, mit denen das berechnet wird, wird es gemessen? Und wie verändert sich auch das Monitoring? Also es gehen ja schon sehr große Gefahren davon aus. Beobachtet man das irgendwie?

Tobias Hipp, Mitarbeiter DAV Tobias Hipp

Das ist Modellierung. Das ist natürlich so ein Thema, wo man in die Zukunft schauen kann, wo man gerade solche Zahlen her bekommt. Da kann ich aber natürlich nicht so wirklich spezifisch in ein Tal oder auf einen Wanderweg oder auf eine Hütte schauen. Das heißt, ich kann das tatsächlich messen, ich kann Radar oder Seismik in Boden schicken, dann kann ich das Messen und weiß, da ist Permafrost drin oder nicht. Ich kann die Bewegung messen, wenn ich weiß, wie am Hochvogel, da ist eine Bewegung, die beschleunigt sich, das bedroht eine Hütte oder einen Weg oder andere Infrastruktur, dann wird es vermessen. Dazu muss ich aber vorher wissen, dass sich das in dem Maße bewegt, dass ein Monitoring sich lohnt. Ich kann tatsächlich nicht flächendeckend die gesamten potenziellen instabilen Bereiche der Alpen monitoren oder überwachen, um dann genau rechtzeitig eine Warnung auszuschicken. Das ist leider das Problem mit diesen Gefahren: Dass ich es nicht genau vorhersagen kann, wann da was kommt. Ich kann nicht genau vorhersagen, in welcher Dimension es kommt. Da haben wir eine gewisse Verschärfung der üblichen Alpinen Gefahren, mit denen wir umgehen müssen als Bergsteiger.

Cornelia Kreß, Mitarbeiterin DAV Cornelia Kreß

Das heißt, wenn ich jetzt im Gelände unterwegs bin - man hat ja bei Lawinen zum Beispiel dieses wumm Geräusch, das ein Alarmsignal ist. Gibts sowas auch für Steinschläge? Also wie kann ich mich im Gelände orientieren? Was sind für mich Anhaltspunkte zu sagen: OK, hier wird es zu gefährlich, hier kann ich nicht mehr weitergehen, oder hier brauche ich auf jeden Fall einen Helm oder so - woher weiß ich sowas?

Tobias Hipp, Mitarbeiter DAV Tobias Hipp

Das ist eine super gute Frage mit sehr vielen möglichen Antworten. Aber es gibt sicherlich ein paar Basics. Grundlage der Basics ist wie du gesagt hast, der Kletterhelm. Soll ich den aufziehen oder nicht? Unabhängig davon, ob hier erhöhte Steinschlaggefahr ist oder nicht, wenn ich mich unter Felswänden bewege, wäre das für mich so ein Basic Helm drauf, so oder so. Wenn ich jetzt im Gelände bin, kann ein Hinweis sein, dass ich zum einen Steinschlag sehe oder höre. Dann weiß ich: hier ist Aktivität. Und dann muss es für mich schon mal ein Signal sein, das muss jetzt nicht zwingendermaßen nur dieser eine Stein gewesen sein, da könnte was nachkommen. Der andere Aspekt, wo man schauen kann, wenn ich eine Schutthalde quere - die sind ja deswegen da, weil dort ein Steinschlaggebiet ist. Wenn der verwittert ist, grau, Flechten, Moos drauf, dann weiß ich, das ist alt. Wenn ich dann aber in diesem in diesem grauen Gelände hellen gelben, frischen Fels liegen sehe, weiß ich: hier ist Aktivität. Selbiges Problem: Dann weiß ich nicht, war das gestern, war das vor einer Woche, war das vor drei Monaten - so schnell wird ein Fels nicht dunkel. Aber ich weiß, hier ist eine aktive Steinschlagzone, sprich: ich mache jetzt nicht meine Brotzeitpause neben diesem Steinschlagbereich, setze mich da hin und genieß die Sonne, sondern dann ist klare Ansage: Helm sowieso - hab ich eh schon auf - und gehe dann durch diese Zone durch und mach woanders an einem sicheren Punkt Halt. Wo ich noch sensibel sein muss, ist sowas wie Wetterextreme. Wenn ich in der Hitzewelle unterwegs bin, muss ich mir wirklich überlegen, gehe ich jetzt unter diese Nordwand, wo man schon von Alpenvereinaktiv zum Beispiel weiß, hier hats was gegeben, oder hier gibts eine Warnung oder irgendwas - dann ist diese Hitzewelle natürlich ein schlechter Zeitpunkt. Oder extremer Starkregen löst natürlich Steinschlag in den Bereichen aus. Da ist dann Vermeiden, Tour umplanen, gegebenenfalls abbrechen, ganz wichtig.

Cornelia Kreß, Mitarbeiterin DAV Cornelia Kreß

Das heißt gerade, wo wir wirklich sehr, sehr viel Regen haben, ist vielleicht keine gute Zeit?

Tobias Hipp, Mitarbeiter DAV Tobias Hipp

Aktuell muss man mit Sicherheit vorsichtig unterwegs sein im Hochgebirge. Wir haben jetzt sehr viel Schnee bekommen oder kriegen aktuell im Hochgebirge nochmal richtig viel Schnee – das ist fast schon wieder eine hochwinterliche Situation. In niedrigen Lagen regnet es aber extrem viel. Das heißt, hier kommt eine Kombi zusammen, dass wir gerade extrem viel Wasser bekommen. Das Thema Murgänge, Wildbäche, die plötzlich anschwellen, ist jetzt schon da.

Cornelia Kreß, Mitarbeiterin DAV Cornelia Kreß

Andersrum: Wie lange müsste denn eine stabile, gute Wetterperiode anhalten, dass ich sagen kann, jetzt ist es relativ sicher? Also eine relativ niedrige Nullgradgrenze auch im Sommer, nicht zu viel Regen - reicht es, wenn es zwei Wochen so ist, oder braucht es zwei Monate? Gibt es eine ungefähre Faustformel, woran man sich orientieren kann?

Tobias Hipp, Mitarbeiter DAV Tobias Hipp

Das ist ganz schwierig, das pauschal zu sagen. Ein ganz signifikanter Parameter ist die Nullgradgrenze. Wenn die im Hochsommer irgendwo auf 3000 Meter ist, dann sind wir im normalen Bereich, im sicheren Bereich für Hochtouren, weil ich weiß, da wirds nachts kalt, ich hab keine extreme Hitze, da kann ich agieren. Aber wenn wir eine Nullgradgrenze haben im Juni, Juli, August, auf über 5000 Meter, wie wir es im letzten Sommer hatten, dann weiß ich, dass ich eigentlich in allen Bereichen, die in irgendeiner Form steinschlaggefährdet sind, schwierige Normalrouten sind, erhöhte Gefahr per se herrscht.

Cornelia Kreß, Mitarbeiterin DAV Cornelia Kreß

Das war das Problem letztes Jahr mit dem Gletscherbruch, oder?

Tobias Hipp, Mitarbeiter DAV Tobias Hipp

Letztes Jahr hatten wir die Rekordwerte von der Nullgradgrenze, es war einfach über lange Zeit extrem heiß, extrem trocken. Das heißt, da beim Marmolata Gletschersturz konnte viel Wasser in den Gletscher fließen - der hängt auf so Felsplatten, ist steil - und dann kam es zu diesem Abbruch. Parallel aber war es letztes Jahr tatsächlich so, dass ganz viele Normalwege gesperrt waren oder es eine klare Empfehlung gab, sie nicht zu gehen. Am Mont Blanc, der Normalweg, da gibt es dieses typische Couloir, diese Rinne, die man queren muss - dort ist in solchen Hitzeperioden ganz klar, dass dort Steinschlag kommt. Die Frage ist da nicht mehr, kommt da was runter, sondern in solchen Hitzewellen kommt da was runter!

Cornelia Kreß, Mitarbeiterin DAV Cornelia Kreß

Du hast vorhin gesagt, wir haben aktuell noch mal eine Hochwinter-Situation im Hochgebirge - das lässt ja für die Hochtouren-Bedingungen in diesem Sommer vorsichtige Hoffnungen wecken. Wie wahrscheinlich ist es, dass sich so eine Situation wie vom letzten Sommer wiederholt? Wie oft müssen wir in Zukunft damit rechnen, dass ein Sommer einfach extrem kritisch wird?

Tobias Hipp, Mitarbeiter DAV Tobias Hipp

Auch eine Frage, die man nicht sehr leicht verallgemeinern kann, aber grundsätzlich ist eine Hauptauswirkung vom Klimawandel - neben der Temperatur - die Zunahme von Extremwetterereignissen und Wetterschwankungen. Und das wird uns beschäftigen. Die Situation wie letzten Sommer war extrem. Sicher ist, dass sie so in der Konstellation öfter vorkommen wird. Die Kombi war da ein trockener, schneearmer Winter, warme Temperaturen, also hohe Schneegrenze, auch insgesamt wenig Schnee und dann ein extrem schneller Übergang in den Sommer, in die Hitzewelle rein, wo es dann auch extrem trocken war und kein Niederschlag kam. Eine bisschen ähnliche Konstellation hatten wir diesen Winter genauso, also da waren die Schneemengen auch 30 bis 70 Prozent unterm Normal. Die Hoffnung, wie du sagst, ist jetzt, dass wir im Hochgebirge zumindest wieder im Klimamittel sind, weil wir jetzt im Frühjahr wirklich viel Schnee bekommen haben. Momentan schaut es gut aus. Wir wissen aber natürlich nicht, was in drei, vier Wochen ist. Wenn es jetzt umschlägt, sofort in den Hitzesommer rein, ist der Effekt auch sehr schnell wieder dahin und wir kommen wieder dahin, wo mit extremer Gletscherschmelze, extremen -rückgängen und Naturgefahren, Steinschlag die Hochtouren-Bedingungen schwierig werden. Da müssen wir noch abwarten - ist ein bisschen eine Glaskugel natürlich.

Cornelia Kreß, Mitarbeiterin DAV Cornelia Kreß

Du hast schon das Stichwort Wasser gebracht. Was uns beim DAV ja auch immer mehr beschäftigt und was letztes Jahr ein großes Thema war, ist der Wassermangel - nicht nur im Tal, sondern auch auf den Hütten, die zum Teil ja früher schließen mussten und wirklich Probleme hatten. Welche Auswirkungen müssen wir für die Infrastruktur erwarten? Kann es sein, dass Hütten komplett schließen müssen und hat es auch Auswirkungen auf die Wege? Du hast gesagt, manche Normalwege waren nicht mehr begehbar. Wieviel kommt da auf uns zu?

Tobias Hipp, Mitarbeiter DAV Tobias Hipp

Ich glaube, da kommt schon einiges auf uns zu! Wir müssen da auch selber noch eine tiefergehende Abschätzung starten. Grundsätzlich war die Kombination vom letzten Sommer, so dass sehr viele Quellen von Hütten einfach schlicht und ergreifend versiegt sind oder nicht mehr genug da war. Da gibt es viele Faktoren: Gletscher gehen zurück und plötzlich ist der Zufluss von Gletscherwasser nicht mehr gegeben, weil Wasser kann halt nicht bergauf fließen. Dann einfach allgemein Trockenheit, das Grundwasser was im Berg ist, das ist halt dann einfach nicht mehr da. Andere Hütten haben Wasser von Schneefeldern, kleinen Gletscherresten, die dann plötzlich weg sind. Ein anderes Thema - aber vielleicht ist es auch ganz gut, dann da in dem Zuge ein bisschen wieder „Back to the roots“ zu schauen, was brauchen wir denn eigentlich auf der Hütte? Dass wir in Hitzewellen Duschen haben auf Hütten - die wurden ja eh geschlossen - ist dann wahrscheinlich nicht mehr zeitgemäße Klimaanpassungsmaßnahme. Bisschen größer gedacht, was Wasser angeht, ist es natürlich so, dass wir mit dem Rückgang von Gletschern da auch in eine spannende Zukunft schauen. Wenn ich jetzt zum Beispiel nach Vent gehe - klassischer Hochtouren-Ausgangspunkt - das Wasser, was dort in den Flüssen runter rauscht im Sommer, im Juli und August, das ist zu 60 bis 70 Prozent Gletscherwasser. Das heißt, wir haben jetzt noch eine Weile diesen Wasserlieferant, aber wenn der Gletscher oben dann so klein ist, dass er das nicht mehr liefert, dann fehlen dort etwa 60 Prozent an Wasser. Wenn dann die Kombi kommt mit der Hitzewelle, ist es so, dass wir in den Alpen, wo wir eigentlich mit Wasser gesegnet sind und uns bis jetzt über Wasserknappheit nicht so viele Gedanken machen müssen, in Zukunft Engpässe kommen könnten.

Cornelia Kreß, Mitarbeiterin DAV Cornelia Kreß

Das heißt, der Bergsport ist nicht das einzige Gebiet, das betroffen sein wird. Ich würde aber trotzdem gerne nochmal zurückgehen zum Bergsteigen und dich fragen, was du schon erlebt hast. Hast du schon mal live Steinschlag mitbekommen? Du bist ja selbst viel im Gebirge unterwegs, hast du da Erfahrungen gemacht?

Tobias Hipp, Mitarbeiter DAV Tobias Hipp

Ja natürlich, ja, ich hab schon die eine oder andere Erfahrung gemacht, was wahrscheinlich normal ist, wenn man im Hochgebirge unterwegs ist. Der klassische Steinschlag beim Klettern im Hochgebirge. Was ich aber schon gespürt habe, klassisches Beispiel Rochefort Grat, Dent du Géant, im Chamonix-Becken, wo es einen Wärmeeintrag hatte in diesen großen Schutthang, der da hoch führt zum Grat. Da hatten sowohl die Bergführer, die unterwegs waren, und ich persönlich wirklich ein ungutes Gefühl, weil sehr viel in Bewegung war, du hast es gehört, du hast es gesehen, du wusstest, dieser Hang ist einfach nicht mehr wirklich gut beieinander. Da sind dann auch teilweise im Nachbarbereich kühlschrankgroße Bereiche runtergekommen. Das hat mir natürlich schon ein bisschen die Augen geöffnet, zu sagen, man muss da extrem sensibel drauf schauen, zum Beispiel wie kalt war die Nacht? Wir hatten das Problem, dass es einfach in der Nacht nicht klar war, dass Wolken da waren und es nicht wirklich durchgefroren ist. Aber im Großen und Ganzen muss ich sagen, dass ich bis jetzt ganz gut, verschont, durch mein Bergsteigerleben gekommen bin.

Cornelia Kreß, Mitarbeiterin DAV Cornelia Kreß

Ziehst du für dich schon Konsequenzen? Also sagst du zum Beispiel auf manchen Touren, wow okay, obwohl ich viel Erfahrung habe, mache ich es gar nicht mehr oder nehme mir auch einen Bergführer?

Tobias Hipp, Mitarbeiter DAV Tobias Hipp

Also ich muss sagen, dass ich noch einige Ziele auf meiner To-do-Liste für den Bergsport habe, die ich wahrscheinlich runternehmen muss – oder die schon runter sind. Da gibt es zum Beispiel recht bekannte Begehungen am Glockner: die Pallavicini-Rinne, da ist es einfach so, dass man die früher relativ gut mit einer Befahrung machen konnte mit Ski, kurzer Abseiler oben rein von der Scharte. Mittlerweile ist es so, dass jetzt zwei, drei Seillängen an Schutt und instabilen Fels entstanden sind, weil das Eis rausgegangen ist. Oder auch klassische Nordwandrouten am Glockner. Da ist einfach das Eis so weit raus geschmolzen, dass es gefährlich wird, nicht mehr möglich ist, oder nur noch an ganz wenigen Tagen möglich ist. Ich muss mich zum Beispiel auch beeilen, mit dem Biancograt – auch so ein Klassiker, den ich noch nicht gemacht hab. Das ist aus meiner Sicht schon ein bisschen traurig - schade, dass wahrscheinlich manche Sachen tatsächlich nicht mehr gehen werden.

Cornelia Kreß, Mitarbeiterin DAV Cornelia Kreß

Wenn das jetzt schon zumindest vereinzelt Hochtouren und Skihochtouren trifft, wie schaut‘s denn bei extremeren Disziplinen aus? Zum Beispiel Eisklettern - würdest du da sagen, da sind wir jetzt schon so weit, dass es sich fast nicht mehr lohnt anzufangen, oder sagst du da auch, ok es gehen vielleicht manche Sachen nicht mehr, aber im Großen und Ganzen wird schon noch einige Jahre Einiges machbar sein?

Tobias Hipp, Mitarbeiter DAV Tobias Hipp

Ich sehe es da grundsätzlich auch so wie beim Hochtouren-Kurs, dass man deswegen jetzt nicht das das Hobby, die Leidenschaft oder diese Disziplinen an den Nagel hängt. Klar ist natürlich, beim Eisklettern, das muss man so sehen, diese talnahen Eiskletter-Möglichkeiten - von uns in München ausgesehen, jetzt Oberammergau oder so - das wird ganz schwierig, da ist einfach die Erwärmung klar zu spüren. Klar, die Tage, wo sich das Eis noch aufbaut, wird es geben, auch in den nächsten Jahren wird es die geben. Man muss dann wirklich schauen, wann ist es soweit, und dann wird es ein kurzes Zeitfenster sein.

Cornelia Kreß, Mitarbeiterin DAV Cornelia Kreß

Wenn wir in die andere Richtung gehen, auf den ersten Blick ein bisschen weniger vom Klimawandel betroffen ist das Wandern. Gibt es da trotzdem schon Auswirkungen? Wir hatten es ja vorhin schon: Hütten, die vielleicht zum Teil zumindest später im Jahr nicht mehr uneingeschränkt verfügbar sind, wir hatten die Hitze – ist das ein Thema?

Tobias Hipp, Mitarbeiter DAV Tobias Hipp

Also beim Wandern habe ich, wie du sagst, nicht dieses hochalpine Gefahren-Thema, oder weniger Steinschlag, Murgänge und so weiter. Gleichzeitig ist da der Klimawandel schon auch da, gerade die Hitzewellen - das ist eine Belastung für den Körper, die man vielleicht so noch nicht gewohnt ist. Das heißt, dann muss ich schauen wie lang geht die Tour. Wetterwechsel betrifft das Wandern natürlich genauso. Man kommt als Wanderer wahrscheinlich auch mal über die Waldgrenze oder in den Felsbereich. Und der andere Aspekt ist natürlich, dass alpine Gefahren in den Wander-Bereich reingehen können und sich dieses Ausmaß durch den Klimawandel erweitert. Bei Querungen von Gräben, wo Murgänge, Schlammströme runtergehen, muss ich mir als Wanderer genauso bewusst sein, dass da von oben was kommen kann.

Cornelia Kreß, Mitarbeiterin DAV Cornelia Kreß

Das heißt, zusammengefasst kann man sagen, dass eigentlich für alle Disziplinen gilt, dass die Tourenplanung immer wichtiger wird und sich vor allem auch ausdehnt - zum einen zeitlich, dass sich das Wetter nicht nur an dem einen Tag im Blick hab, sondern auch davor schon; und auch räumlich, dass ich nicht nur meine eigene Tour im Blick habe, sondern auch was geht im Nachbartal ab?

Tobias Hipp, Mitarbeiter DAV Tobias Hipp

Sehe ich tatsächlich so! Wenn wir uns Skitouren anschauen: Skitouren-Planung ist eine Sache, die man auch lernt, dass man idealerweise nicht nur an dem Tag in den Lawinenlagebericht schaut, sondern eigentlich ein bisschen die Saison mitverfolgt und dann im Kopf hat, da hat sich irgendwann die Schwachschicht gebildet und die ist noch da. Und so ist es beim Hochtourengehen im Hochgebirge eigentlich auch: Ich muss verfolgen, wie hat sich denn die Temperatur entwickelt, weil es ist ein Unterschied, ob vor drei Wochen die ganze Wärme in den Berg gegangen ist, weil es eine riesen Hitzewelle von 40 Grad im Tal und 0 Grad auf 5000 Metern gab. Zur Entwarnung, sag ich jetzt mal, ist es aber auch so, dass beim Wandern solche klaren Gefahrenzonen, wo ein Murgang ins Tal gehen kann, im allermeisten Fall ersichtlich sind.

Cornelia Kreß, Mitarbeiterin DAV Cornelia Kreß

OK, aber beim Hochtourengehen haben wir jetzt eine komplexere Tourenplanung, Steinschläge, Felsstürze, tauenden Permafrost, wir haben Wassermangel, der unter Umständen manche Stützpunkte schwieriger macht. Trotz dieser ganzen Problematiken - bleibst du bei deiner Einschätzung vom Anfang: Ja, es lohnt sich noch, ein Hochtouren-Kurs zu machen?

Tobias Hipp, Mitarbeiter DAV Tobias Hipp

Ich bleib dabei, ganz klar! Wir haben jetzt sehr viele Sachen auf einmal aufgezählt, die sich jetzt bündeln, und da muss man, glaube ich, auch vorsichtig sein, dass man jetzt kein Schreckensszenario aufmacht, dass die Alpen zugrunde gehen. So ist es nämlich nicht. Es wird schwieriger, es wird sensibler, es wird mehr passieren, das glaube ich zweifelsohne. Es wird sich die Landschaft verändern, damit der Bergsport. Aber ich glaube, man kann damit ganz gut umgehen und planen. Es wird wahrscheinlich Bereiche geben, die sind nicht mehr attraktiv, weil die Tour auf den Gipfel halt vom Gletscher gelebt hat. Dafür gibt es noch andere Regionen, wo es sicherer bleibt. Also ich glaube, man muss einfach wissen, was passiert und dementsprechend handeln. Wovon man sich sicher verabschieden muss, ist einfach zu sagen, ich mache das immer noch so, wie ich es früher gemacht hab, weil dann wird es wahrscheinlich einfach gefährlich. Den anderen Aspekt, den wir natürlich als Naturschutzverband, als Bergsteiger, als Individuum immer im Kopf haben sollten, ist natürlich weiter Druck zu machen in Richtung Regierung, Politik, Industrie, dass die Klimaziele eingehalten werden müssen. Ich sehe da leider immer noch nur Willensbekundungen, die hier und da ein bisschen ernster werden, aber wir sind nach wie vor noch nicht auf dem Weg, wo wir sagen, wir haben die Maßnahmen umgesetzt oder sind konkret dabei, sie umzusetzen, um die Klimaziele zu erreichen. Und da haben wir natürlich massiv Arbeit und extremen Zeitdruck.

Cornelia Kreß, Mitarbeiterin DAV Cornelia Kreß

Schöne Schlussworte: Es bleibt viel Arbeit zu tun, aber es bleiben auch schöne Perspektiven für den Bergsport. Vielen Dank, Tobi, für deine Zeit und dein Wissen.

Tobias Hipp, Mitarbeiter DAV Tobias Hipp

Sehr gerne!



Angela Kreß: Ein klares Ja gibt es vom DAV-Experten Tobias Hipp also auch weiterhin für das Bergsteigen in all seinen Facetten! Und die erwähnten schönen Perspektiven für den Bergsport wünschen wir uns und euch natürlich auch für diese Saison! Genießt eure Touren und kommt immer gesund zurück.
Beim Bergpodcast geht es beim nächsten Mal auf eine ganz besondere Reise in die Vergangenheit, wir freuen uns, wenn ihr dann wieder mit dabei seid! Bis dahin, Tschüss und auf Wiederhören!

Shownotes

Alle Folgen des Bergpodcasts gibt es hier.

Sounds in dieser Folge: zapsplat.com

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