Bergwissen: Orientierung mit Apps

Auf geradem Weg in die digitale Abhängigkeit?

Tourenforen & Smartphone-Apps – die Digitalisierung hat den Alpinismus längst erreicht – mit allen Vor- und Nachteilen. Orientierungs-Apps können gerade in nebulösen Situationen eine fantastische Hilfe bieten, aber auch dazu führen, dass man im blinden Vertrauen auf die Technik gehörig in die Bredouille gerät.

Wer mit Orientierungs-Apps arbeiten möchte, sollte sich vorher mit der Funktionsweise vertraut machen, Tracks und Karten runterladen und diese im Offline-Modus speichern. So ist Navigieren auch ohne Netzabdeckung im energiesparsamen Flugmodus möglich (siehe auch Tipps zum Gebrauch von Orientierungs-Apps). Backup zur Smartphone- App in der Hinterhand haben: analoge Karten, „klassisches“ GPS oder Abspeichern der Tour auf mehreren Endgeräten der Tourenpartner*innen.

Tourenplanung per App

Bei der Tourenplanung per App werden Tourdaten wie Länge, Höhenmeter, Höhenprofil, Zeitdauer gleich mitgeliefert, andere wichtige Aspekte hingegen werden nicht abgedeckt: Anspruch & Schwierigkeit, aktuelle Verhältnisse (z.B. Lawinenlage, Wetter, Wegverhältnisse), Faktor Mensch (Wer kommt mit? Wie ist Motivation und Können der Gruppe? Ausrüstung?). Für die Tourenplanung können entweder Vorschläge aus dem Tourenportal der App genutzt oder eigene Routen erstellt werden. Für „Standard-Touren“ wird man meist in den Portalen fündig. Die Qualität der angebotenen Info kann bei Tourenvorschlägen aus der Community stark variieren und subjektiv beeinflusst sein: Der Abgleich mit Karten und Führerliteratur oder weiteren Forenbeiträgen ist wichtig. Alpenvereinaktiv vergibt das alpenvereinaktiv- Siegel für Touren, die von speziell geschulten Nutzer*innen mit Bergsportqualifikation (z.B. Bergführer*innen, Trainer* innen etc.) erstellt wurden und gewisse Standards an Informationsgehalt und -qualität erfüllen. Für Wintersportarten bieten manche Apps die aktuelle, regionale Gefahrenstufe nach Lawinenlagebericht, die Einschätzung der Lawinengefahr muss jedoch selbstverantwortlich vorgenommen werden. Einzig Spezial-Apps wie Skitourenguru oder White Risk bieten für die Winterplanung sogenannte Gefahrenkarten auf Grundlage des LLB. Wer eine eigene Route erstellt, kann dies in der App oder besser in der Desktop-Version tun.

Viele Apps (z.B. Alpenvereinaktiv) erleichtern die Planung, indem Wegpunkte automatisch entlang des bestehenden Wegenetzes zu einer Route verbunden werden. Diese Funktion lässt sich deaktivieren, um z.B. bei der Skitourenplanung abseits der Wege eine Route zu kreieren. Je mehr Wegpunkte man in der Planung setzt, umso präziser kann man anschließend navigieren. Für akkurate Tourenplanung im weglosen Gelände auf Hochtour oder zur Planung einer Skitour ist die Verwendung von hochwertigen Kartenblättern und Hangneigungskarten uneingeschränkt zu empfehlen – auch wenn diese kostenpflichtig sind. Grundlegende Kenntnisse im Kartenlesen sind aber auch hier unerlässlich: keine App warnt, wenn die geplante Skiabfahrt über eine 50 Meter hohe Felswand führt.

Wer am Desktop plant, muss die Tourenplanung auf das Smartphone bringen. In der Regel läuft das über Abspeichern im eigenen Account und anschließender Synchronisation.

Mit App on Tour

Beim Bergsteigen sollten Blick und Aufmerksamkeit nicht auf den Bildschirm eines Smartphones, sondern auf Umgebung, Weg und etwaige Gefahren gerichtet sein. Daher gilt: Nur an neuralgischen Punkten per App navigieren. Dem eigenen Orientierungssinn folgen und die digitale Unterstützung nur zur Bestätigung oder Korrektur der eigenen Entscheidung nützen. So kann moderne Technik helfen, persönliche Fähigkeiten zu verbessern, anstatt sie zu ersetzen. Auch klassisches Kartenlesen (analog) nicht vernachlässigen: Standort mit Karte-Gelände-Abgleich bestimmen und per App kontrollieren. Auch die App-Verwendung lässt sich unterschiedlich gestalten: Wird die gespeicherte Route zur Navigation gestartet, erfolgt eine komplette Führung durch das Gerät inkl. Sprachanweisungen. Das kann beim Biken und Wandern sinnvoll sein und funktionieren (oder auch nerven), im weglosen Gelände gerät man damit schnell an die Grenzen. Hier ist es einfacher, anhand der eingezeichneten Route und angezeigtem Standort zu navigieren. Ist die Karte eingenordet, ist das Ganze deutlich leichter. In der Regel kann diese Funktion aktiviert oder deaktiviert werden.

Bei App-Nutzung im weglosen Gelände gilt: Im Mikrokosmos der Route hat die eigene Einschätzung von Gelände und sinnvoller Route die deutlich höhere Qualität als ein am Schreibtisch geplanter Track – insbesondere bei der Spuranlage durch lawinengefährdetes Gelände. Wer sich vorwiegend mit analoger Karte orientiert und Touren plant, kann Orientierungs-Apps oder GPS als reines Back-Up für schwierige Situationen verwenden. Mit einem Blick auf den Bildschirm den exakten Standort auf der Karte zu sehen, kann ausreichen, um sich über den weiteren Wegverlauf zu vergewissern. Die Track-Aufzeichnung macht als Absicherung für den Rückweg bei schlechter Sicht oder zum Abspeichern und Teilen eigener Touren Sinn. Diese muss aber zu Beginn der Tour aktiv gestartet werden. So oder so: Wer im Blindflug im Nebel mit App navigiert, darf nicht vergessen: Sicht ist zur Gefahrenbeurteilung entscheidend. Nicht alles, was möglich ist, ist sinnvoll – und die Bereitschaft zum Verzicht ist immer noch eine der wichtigsten Fähigkeiten beim Bergsteigen.

Tipps

  • Nachteile und Grenzen der Apps kennen und beachten.

  • Klassische Tourenplanung und Fähigkeiten auf keinen Fall vernachlässigen.

  • Auch die Orientierung per App will gelernt sein.

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