Autofahrer zeigt Mittelfinger aus geöffnetem Fenster
Wer immer mit dem Auto unterwegs ist, kann sich einen Umstieg auf die Öffentlichen schwer vorstellen. Foto: ville/stock.adobe.com
8 Vorurteile entkräftigt

Mit den Öffis in die Berge? Niemals!

In die Berge mit den Öffentlichen? Für viele ein Horrorszenario. Und warum? Weil die Vorurteile bei diesem Thema tief sitzen. Der Zug kommt zu spät, ist zu teuer und Platz für meine Ausrüstung ist da auch nicht… Im Folgenden versuchen wir mit den Vorurteilen aufzuräumen und – falls das mal nicht klappt – zeigen wir euch, wie ihr trotzdem entspannt ans Ziel kommt.

#1 Öffis sind immer zu spät

Das stimmt so nicht! Bayernweit lag die Pünktlichkeitsquote bei Regionalzügen und S-Bahnen 2020 bei 94,1% (Quelle: BEG). Ein Zug gilt bei der DB als pünktlich, wenn er weniger als sechs Minuten nach der im Fahrplan vorgesehenen Zeit eintrifft bzw. abfährt. Der Regionalverkehr weist im Vergleich zum Fernverkehr eine höhere Pünktlichkeit auf. Abgesehen davon: Wie oft steht ihr mit dem Auto an Ampeln oder im Stau und kommt deswegen später an als geplant?

#2 Öffis sind immer voll

Zugegeben, zu den Stoßzeiten kann es in Bussen und Zügen etwas eng werden. Da braucht es manchmal tatsächlich etwas mehr Toleranz. Die gute Nachricht: Überfüllte Transportmittel sind nicht im Interesse der Verkehrsunternehmen, die sich zwar über eine gute Auslastung freuen, aber keine Kund*innen wegen Unzufriedenheit verlieren wollen.

Was kann man also tun? Wenn ihr die Möglichkeit habt, weicht auf Nebenzeiten aus oder fahrt antizyklisch. Wenn ihr am Samstag mal den Zug um 10 statt um 9 Uhr nehmt, werdet ihr den Unterschied merken. Klar ist außerdem, dass in den Zügen von München an den Tegernsee am Wochenende gut was los ist. Wie ihr weniger begangene Ziele findet, erklären wir euch anhand von 12 Tipps im Artikel „Modetouren vermeiden“.

#3 Öffis sind sehr teuer

Wenn überhaupt, dann nur auf den ersten Blick. Was viele vergessen ist, dass die Unterhaltskosten für ein Auto häufig nicht mit in die Überlegungen zu Fahrtkosten einbezogen werden. Parkplatzgebühren, Werkstattkosten, Steuern und Versicherungen – da kommt auch schnell ein hübsches Sümmchen zusammen. In vielen Regionen Deutschlands kann man mit Sparangeboten der Bahn günstig unterwegs sein, egal ob es sich dabei um attraktive Tickets für Gruppen oder Abo-Modelle für Vielfahrer*innen handelt – nachrechnen lohnt sich!

#4 Öffis fahren nicht dann, wenn ich sie brauche

Klar ist, leere Fahrzeuge durchs Land zu schicken, macht keinen Sinn. Deswegen orientiert sich der ÖPNV in der Regel nach dem vorhandenen Bedarf. Häufig sind das der Berufs- oder Schulverkehr. Zwischen diesen Zeiten oder am Wochenende kann es dann schon mal dünn aussehen, gerade was die Fahrpläne von Bussen in ländlichen Regionen betrifft. Vielerorts hat man die Ansprüche von (Tages-)Gästen und Bergsportler*innen aber schon erkannt und die Fahrpläne etwas angepasst. Mit eigenen Bergbussen oder besonderen Ausflugsangeboten gibt es bereits innovative Konzepte, die in Zukunft ausgebaut werden sollen.

#5 Öffis fahren nicht dorthin, wo ich hinwill

Kommt darauf an, wohin ich möchte. Sicher, bis in den letzten entlegenen Winkel komme ich öffentlich nicht unbedingt. Dass sich mit dem ÖPNV aber durchaus viel erreichen lässt, zeigt unter anderem unsere Öffi-Karte. Auch für die letzte Meile, also vom Bahnhof zum Start der Tour, gibt es inzwischen viele Möglichkeiten. Und im Tourenportal alpenvereinaktiv könnt ihr ganz einfach auf öffentlich erreichbare Touren filtern und euch was Schönes aussuchen. Aber Gegenfrage: Muss ich denn auch überall hinkommen oder sollte ich mir nicht auch, wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, bewusst werden, dass ich zu Fuß oder mit dem Rad mehr entdecken und bewusster wahrnehmen kann, als wenn ich motorisiert bis zum Ende der Straße fahre?

#6 Mit den Öffis bin ich nicht flexibel

Warum denn nicht? Natürlich fahren die Öffis nach einem bestimmten Fahrplan, der manchmal enger, manchmal weniger eng getaktet ist. Ist das der Grund, warum Bus & Bahn deshalb als unflexibel wahrgenommen werden? Vielleicht liegt es auch am Gedanken, dass der Bus bei der Rückkehr von meiner Tour im Zweifelsfall nicht auf mich wartet, das Auto am Parkplatz jedoch schon? Andererseits ist man mit dem Auto auch unflexibel, wenn man sich überlegt, dass eine Tour zwangsläufig wieder am Ausgangpunkt enden muss. Die Nutzung von Öffis hat demnach sogar einen Flexibilitätsvorteil gegenüber dem Auto, wenn man keine Rundtouren, sondern Touren mit verschiedenen Start- und Zielpunkten unternehmen möchte.

#7 In den Öffis kann ich keine Bergsportausrüstung mitnehmen

Wir Bergsportler*innen haben in der Regel etwas mehr dabei als die Berufspendelnden und noch dazu sind einige unserer Ausrüstungsgegenstände etwas sperrig: Skier, Mountainbikes, große Rucksäcke, usw. brauchen Platz. Häufig fehlt genau dieser Platz in den Öffis. Die gute Nachricht: Viele Verkehrsunternehmen haben mittlerweile diesen Bedarf erkannt und versuchen ihm (zumindest teilweise) Rechnung zu tragen. In Bayern zum Beispiel unterstützen Fahrradlots*innen der DB die Bahn-Radreisenden in den Sommermonaten. Und auch in den ICE-Zügen der Deutschen Bahn könnt ihr euer Fahrrad mitnehmen. Aber auch im Nahverkehr tut sich einiges: Im DAV-Bergbus der Sektion München & Oberland können Fahrräder mit Reservierung mitgenommen werden. Nach wie vor braucht es jedoch eine gewisse Vorausplanung, um mit großem Gepäck oder viel Ausrüstung ans Ziel zu kommen. Da hilft: Hartnäckig bleiben und das vorhandene Angebot rege nutzen.

# 8 Mit Öffis dauert alles viel länger

Verspätung, Umsteigen, Stopps an verschiedenen Haltestellen – häufig hat man das Gefühl mit den Öffentlichen geht nichts vorwärts. Ist das wirklich so? In manchen Fällen sicherlich, häufig macht es aber doch Sinn, sich vorab zu informieren. Denn der vermeintliche Vorteil des Autos, die Schnelligkeit, kehrt sich schnell ins Gegenteil um, wenn man auf der A8 am Irschenberg oder der B2 vor Oberau im Stau steht. Und auch sonst: Wenn man Autos und Öffis vergleicht, sind die Unterschiede in der Anfahrtsdauer häufig gar nicht so groß wie wir vielleicht denken. Außerdem bietet die Zugfahrt Zeit für ein (zweites) Frühstück, weitere Tourenplanung, nette Gespräche und ganz viel Vorfreude.

Themen dieses Artikels