Rosengartengruppe mit Vajolettürmen und Gartlhütte.
Die Vajolettürme (rechts) in der Rosengartengruppe. Unterhalb des Delagoturms steht die Gartlhütte. Foto: Jörg Bodenbender
Kletterroute im Rosengarten

Klassiker: Delagokante - Vajolettürme

Es gibt nicht viele Touren, die im vierten Schwierigkeitsgrad über eine ausgesetzte Linie auf eine spektakuläre Felsnadel führen. Die Delagokante am gleichnamigen Turm im Rosengarten ist eine grandiose Bergfahrt in tollem Ambiente, bei der man sich auch als „Normalo“ für einen Moment wie ein Bergprofi fühlen kann.

Giovanni Batista Piaz, wegen seiner kuhnen alpinistischen Leistungen und seiner zahlreichen Erstbegehungen auch „il diavolo delle Dolomiti“ genannt, eroberte diese teuflisch gute Linie im Jahre 1911 mit Irma Glaser und Francesco Jori. Dass sich die Tour mittlerweile herumgesprochen hat und die Griffe und Tritte etwas an Rauigkeit verloren haben, tut der Sache keinen Abbruch. Allerdings sollte man wahrend der Hauptsaison von Juni bis September nicht damit rechnen, die einzige Seilschaft in der Route zu sein. An Wochenenden im August steht man am Einstieg gerne mal in einer Warteschlange.

Wie sechs spitze Dornen ragen die Vajolet-Türme in den Himmel, eingebettet in die bizarren Felsformationen der Rosengartengruppe der westlichen Dolomiten zwischen dem Tierser Tal, dem Eggental und dem Fassatal. In der Kletterszene sind vor allem der „Delagoturm“, der „Stabelerturm“ und der „Winklerturm“ bekannt, der „Nordturm“, der „Hauptturm“ und der „Ostturm“ zählen aufgrund der geringeren Felsqualitat deutlich weniger Begehungen.

Die Vajolettürme (links) im Rosengarten-Massiv. Foto: Jörg Bodenbender

Die Delagokante am gleichnamigen Turm ist sicherlich das Schmuckstück dieser einzigartigen Felsformation und wahrscheinlich die am häufigsten begangene Kletterroute der gesamten Berggruppe. Fünf Seillangen sind zu bewältigen, hauptsächlich auf der Südseite, doch immer wieder kommt man mit der messerscharfen Südwestkante in Berührung. In der zweiten Seillänge hängt man zwischendurch sogar direkt an der Schneide – ein Fuß links, ein Fuß rechts schaut man dabei ehrfürchtig in das 1500 Meter tiefer gelegene St. Zyprian im Tierser Tal. Doppelte, mit Ketten verbundene Klebehaken an den Ständen auf bequemen Bändern sowie eine für Dolomitenverhältnisse üppige Anzahl an geschlagenen Zwischenhaken sorgen für Wohlfühlatmosphäre.

Routenverlauf der Delagokante an den Vajolettürmen. Foto: Sven Schmid

Delagokante - Stück für Stück

1A Zustieg von der Kölner Hütte über Klettersteig via Santnerpass zur Gartlhütte

3 Std. 30 Min., 660 Hm ↗

Von der Frommeralm (1743 m) an der Nigerstrase nimmt man entweder die Seilbahn oder einen Wanderweg zur Kolner Hutte (1:10 Std., 594 Hm). Von der Kolner Hutte geht es uber den Santnerpass- Klettersteig (B/C, Stellen 1) zur Santnerpasshutte (2734 m) und von dort hinab zur Gartlhutte (3:30 Std., 660 Hm).

1B Zustieg von Pera di Fassa zur Gartlhütte

3 Std. 30 Min., 1300 Hm ↗

Landschaftlich ebenfalls reizvoll ist der Zustieg aus Osten, von Pera di Fassa. Anfangs geht es über Wanderwege durch das Val de Vaiolet (Liftnutzung möglich, siehe Karte), vorbei an der Gardecciahütte zur Vajolethütte. Von dort steigt man über einen mit Drahtseilen versicherten Steig hinauf zur Gartlhütte. Zwischen Juni und Oktober fährt ein Taxibus von Pera di Fassa zur Gardecciahütte.

2 Klettertour

1 Std. 45 Min., 100 Hm ↗

Von der Gartlhütte geht es über einen kleinen Steig hinauf zum südwestlichen Punkt des Fußes des Delagoturms auf ein Felsband mit dem ersten Standhaken (15 Min.).

1. Seillänge: Stets rechts der Kante haltend steigt man die steile Wand empor, eine Lochformation wird links umgangen. Mehrere Schlaghaken weisen den Weg hinauf zum zweiten Stand auf einem Band nahe der Kante.
↗30 m/IV+

2. Seillänge: Auf Messers Schneide sehr ausgesetzt und nahezu senkrecht für rund 10 m nach oben, bevor man wieder nach rechts zurück in die Wand wechselt. Ein Riss bringt einen auf ein weiteres Band zum dritten Stand.
↗ 25 m/IV

3. Seillänge: Wieder zurück zur Kante, von der nach wenigen Metern ein Riss nach rechts abzweigt, der einen geradlinig auf das nächste Band zum vierten Stand bringt.
↗ 22 m/IV

4. Seillänge: Nun verlässt man die Kante nach rechts und folgt der sich allmählich nach hinten neigenden Wand über eine Verschneidung zum fünften Stand.
↗ 25 m/IV

5. Seillänge: Wieder zurück am Grat folgt man einer letzten Verschneidung und über einfache Blockkletterei geht es zum höchsten Punkt des Turmes.
↗ 20 m /III

3 Abstieg

1 Std. 45 Min.

Auf der Ostseite des Delagoturmes befindet sich der erste Abseilhaken. Von hier aus in die Lücke zwischen Delagoturm und Stabelerturm abseilen. Mit einem 50m-Einfachseil insgesamt fünf Mal abseilen (20 m, 20 m, 20 m, 20 m, 25 m), 50 m-Halbseile ermöglichen es, zwei Seillangen zusammenzufassen. Die Haken sind teilweise nicht ganz einfach zu finden, alpiner Spürsinn ist von Vorteil.

Der Mensch zum Berg

Giovanni Battista „Tita“ Piaz (1879 - 1948), auch „Teufel der Dolomiten“ genannt, war ein italienischer Bergführer und Bergsteiger aus Pera di Fassa. Nicht nur das „Piazen“, das Klettern in Gegendrucktechnik, erinnert an sein bergsteigerisches Leben, er hinterließ der Nachwelt auch über 50 alpine Kletter- routen. In über 100 Rettungseinsätzen half er verunglückten Bergsteigern aus der Not.

Giovanni Battista „Tita“ Piaz, der das Wort „unmöglich“ im Fels nicht akzeptierte. Foto: DAV-Archiv

Mut bewies er aber auch jenseits der Berge, als er mit der Machtergreifung der Faschisten in Italien in die Opposition ging und 1944 zum Tode verurteilt wurde. Nach seiner Befreiung wurde er zum Bürgermeister seines Heimatdorfes gewählt, er kämpfte für die Freiheit und gegen die Nöte seiner Mitbürger*innen. Piaz starb am 5. August 1948 durch einen Sturz vom Fahrrad.

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