Im Johann-Klettersteig am Dachstein
Perfekte Tritte im Johann-Klettersteig. Der Aufstieg ist aber konditionell fordernd. Foto: Andi Dick
Auf Klettersteigen zum Gipfel des Hohen Dachsteins

Klassiker: Dachstein Super Ferrata

Ein Klettersteig als „alpiner Klassiker“? Nun, an Matterhorn und Eiger sind auch Fixseile verlegt, und der Hohe Dachstein war 1843 immerhin der erste Alpengipfel, der in Eisen gebunden wurde, gesponsert vom Forscher und Erschließer Friedrich Simony. Als höchster Gipfel von Oberösterreich und Steiermark genießt er einen gewissen Kultstatus mit „must have done“-Effekt.

Der Normalweg von der Seilbahnstation (auch das noch!) ist zwar hübsch (und entsprechend besucht), aber nicht wirklich eine alpinistische Herausforderung; die 800 Meter hohe Südwand, deren leichteste Route den vierten Grad fordert, vielleicht zu viel davon. Wie wär’s also mit der „Super Ferrata“, gleich rechts neben der berühmten Südwand? Die Kombination dreier Steige – Anna, Johann, Schulter – sucht unter Klettersteigen tatsächlich ihresgleichen: fast 1200 Meter Drahtseilanstieg, auf großartigem Fels, in saugender Ausgesetztheit, mit Stahlstiften richtig vergnüglich zu klettern statt plump am Drahtseil zu rampfen. Wer die Kondition und Kraft dazu hat, solides Wetter und ordentliche Verhältnisse (Am ausgesetzten Gipfelaufbau sollte man wirklich auf keinen Fall in ein Gewitter geraten!), wird hier garantiert „Klasse“ erleben – also doch irgendwie einen (modernen) „Klassiker“. Und auf jeden Fall eine ernsthafte, großzügige, hochalpine Tour mit Anspruch.

Teilstücke beim Aufstieg zum Hohen Dachstein (2995 m) über die Super Ferrata. Foto: Jörg Bodenbender
Dachstein Super Ferrata: Höhenprofil, Quelle: DAV

Dachstein Super Ferrata: die Teilstücke

1. Teilstück: Zum Anna-Klettersteig

Parkplatz Talstation Dachsteinbahn (1680 m) – Südwandhütte (1871 m) – Einstieg Anna-Klettersteig (ca. 1780 m): T3, 220 Hm ↗, 120 Hm ↘, 1 Std.

Das Warmlaufen ist gemütlich und relativ kurz: Auf dem Wanderweg geht’s zur Südwandhütte, ein Stück runter und dann kurz hinauf zu einer Grotte unter der Wand, wo man Gurt, Klettersteigset und Helm anlegt.

  • Taktiktipp 1: Ein früher Aufbruch ist ratsam: Die Klettersteigstrecke ist außergewöhnlich lang; die Tour ist beliebt, Wartezeiten drohen; nachmittägliche Wärmegewitter sind unbedingt zu vermeiden – und die letzte Talfahrt der Seilbahn ist um 17:10 Uhr (von 2.7. bis 11.9.2022 um 17:30 Uhr).

Die Südwandhütte kann als Quartier für einen sinnvoll frühen Aufbruch dienen. Foto: Andi Dick

2. Teilstück: Anna Klettersteig

Klettersteig Anna zum Mitterstein (2097 m): KS C/D, 340 Hm ↗, ca. 2 Std. Dem Drahtseil folgend, kann man sich nicht verlaufen – wohl aber Kraft lassen. Also lässt sich der erste Steig nutzen, um kraftsparendes Steigen zu üben.

  • Taktiktipp 2: Wer am Mitterstein schon erschöpft ist, nutzt besser die Abstiegsmöglichkeit zur Südwandhütte (Stellen KS A/B, ¾ Std.).

Allerbester Dachsteinkalk erfreut auch schon im Anna-Klettersteig – samt hilfreichen Trittstiften. Foto: Andi Dick

3. Teilstück: Zum Johann Klettersteig

Mitterstein – ca. 2090 m – Einstieg Johann Klettersteig (ca. 2180 m): T4, 90 Hm ↗, 30 Hm ↘, ca. ½ Std.
Über einen teils luftigen Grat tänzelt man hinüber zum Kar unter den Dachstein-Südwänden. Rechts geht‘s hier hinunter zur Südwandhütte, links zum „Johann“. Spät in der Saison kann das Schneefeld ausgeapert sein und Schutt mit Wegspuren freigeben, früh im Jahr und am Tag stellt es hartgefroren eine gefährliche Rutschbahn dar.
Taktiktipp 3: Im Schneefeld und auch am Gletscher können je nach Verhältnissen Steigeisen und Pickel nötig sein. Der Dachstein ist ein hochalpiner Gipfel, die Super Ferrata kein Sportklettersteig! Die örtlichen Bergführerbüros geben Auskunft und nötigenfalls kompetente Begleitung.

Egal ob Hartfirn oder Rollsplitt: Der Verbindungsweg zum Johann-Steig kann heikel werden. Foto: Andi Dick

4. Teilstück: Johann Klettersteig

Johann-Klettersteig zur Dachsteinwarte/Seethalerhütte (2741 m): KS D/E, 560 Hm ↗, ca. 4 Std.
Der „Johann“ führt streckenweise quasi senkrecht hinauf zur Dachsteinwarte. Der Einstiegsüberhang wurde gezielt als Test konzipiert: Nur wer sich hier kraftsparend nach oben bringt, wird auch den Rest genießen. Beeindruckend: der atemberaubende Aufstieg am „Plattenpfeiler“ und manch luftige Querung im oberen Teil – und womöglich die Beobachtung von Basejumper*innen.

Johann-Steig: großer Genuss über grüner Tiefe – falls Bewegungstechnik und Bizepsdicke stimmen. Foto: Andi Dick

5. Teilstück: Schultersteig

Schultersteig zum Dachstein (2995 m): KS A/B, 280 Hm ↗, 30 Hm ↘, ca. 1 Std.
Gemütlich schlendert man auf dem Gletscher zum Einstieg am Ostgrat. Das abtauende Eis legt jährlich mehr Fels frei; die örtlichen Bergschulen ergänzen die Drahtseile und halten die Randkluft übersteigbar. Der Gipfelanstieg folgt in leichter Kraxelei dem Grat, quert dann leicht absteigend in Gipfelfalllinie und zieht direkt hinauf; mit Wartezeiten ist zu rechnen.

  • Taktiktipp 4: Die Gipfeletappe nur angehen, wenn kein Gewitter droht und genug Puffer im Zeitplan ist – hier kommen auch die Normalwegmenschen dazu.

Auch der Schultersteig zum Gipfel zieht sich noch – auf plattigem Band nach rechts zur Gipfelfalllinie. Foto: Andi Dick

6. Teilstück: Abstieg

Abstieg über Gletscher und Gjaidsteinsattel (2640 m) zur Seilbahn Hunerkogel (2687 m): KS A/B, 60/80 Hm ↗, 370/390 Hm ↘, 1 ½ Std.
Für den Abstieg zur Seethalerhütte bieten sich zwei Optionen: auf dem Aufstiegsweg (Gegenverkehr!) oder über den „Randkluftsteig“ (falls nicht gesperrt); bei diesem sind am Gletscher meist Steigeisen nötig und Spalten drohen (Seil!). Von der Hütte führt eine Schneeraupenspur mit kurzem Gegenanstieg zur Seilbahn-Bergstation.

  • Taktiktipp 5: Wer die letzte Bahn verpasst hat oder die Tour „by fair means“ machen mag, erreicht über den „Hunerscharten-Klettersteig“ (KS A/B) die Südwandhütte und den Ausgangspunkt (1 1/2 Std.)

Auf der Pistenraupenspur ist die Tour bald vorbei; Rückblick auf den Schultersteig, der von rechts zum Vorgipfel zieht. Foto: Andi Dick

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