Kinesiotapes werden im Bereich von Nacken und Schulter angebracht.
Kinesiotapes lassen sich vielfältig einsetzen. Ihre Wirkung entfalten sie bei Bewegung. Foto: Yvonne Burkert
Kinesiotapes

Kleben gegen Schmerzen

Kinesiotapes – die bunten Streifen und Muster an diversen Körperstellen kommen immer öfter zum Einsatz, wenn es zwickt oder der Muskel streikt. Wie sie wirken und was sie können, erklärt die Physio- und Sportphysiotherapeutin Yvonne Burkert.

Bereits in den 1970er Jahren entwickelte der japanische Chiropraktiker Kenzo Kase die Taping-Methode mit einem elastischen Band. Bis dahin kannte man nur das normale feste Tape, das bei Verletzungen die schmerzhafte Bewegung unterbindet: durch die Fixierung, ähnlich wie beim Gips. Kinesiotapes unterstützen dagegen eine neue Philosophie der Heilung: die Aktivierung der Selbstheilungskräfte. Bewegung ohne Schmerzen fördert die Durchblutung, regt den Stoffwechsel an und unterstützt den Abtransport von Entzündungsstoffen.

Kinesiotape besteht aus Baumwollgewebe mit Elastan-Fäden oder Kunstseide. Auf der Rückseite ist ein Acrylkleber aufgebracht, der durch Körperwärme seine Klebekraft entfaltet. Die Dehnbarkeit beträgt zwischen 130 und 180 Prozent – je nach Anbieter. Die Tapes sind hauptsächlich längs-, aber auch schrägelastisch, damit sie der Muskel- und Gelenkbewegung folgen können. Sie sind luft- und feuchtigkeitsdurchlässig und damit ideal für sportliche Aktivitäten. Drei bis vier Tage kann das Tape gut getragen werden, auch Duschen und Schwimmen sind kein Problem –sinnvoll ist allerdings das Trockenföhnen.

Lange kannte man nur feste Tapes. Kinesiotapes unterstützen eine neue Philosophie der Heilung: die Aktivierung der Selbstheilungskräfte durch Bewegung ohne Schmerzen.
- Yvonne Burkert

Ursprünglich gab es vier Kinesiotape-Farben mit jeweils unterschiedlicher Bedeutung. Dabei unterscheiden sich die Tapes nicht in ihrer Stärke oder Dehnbarkeit, die Farblehre in der Kinesiologie gründet in Anlehnung an die traditionelle chinesische Medizin auf der psychologischen Wirkung von Farben, die Einfluss auf den Therapieerfolg haben können. Danach gilt pink als wärmend, anregend und stabilisierend und damit als geeignet nach Verletzungen, wenn sich Muskulatur zurückgebildet hat. Den Farben türkis oder blau wird eine beruhigende kühlende, Energie nehmende Wirkung zugeschrieben, mögliche Einsatzbereiche sind zum Beispiel Schwellungen.

Kinesiotapes gibt es in verschiedenen Farben. Aber anders als z.B: bei Therabändern oder Faszienrollen, haben unterschiedliche Farben nichts mit der Festigkeit oder Dehnbarkeit der Tapes zu tun. Die Farben haben eine psychologische Funktion. Foto: Yvonne Burkert

Hautfarben steht für eine neutrale Wirkung, während die Farbe Schwarz Energie und Willensstärke ausdrücken soll, ein Grund, warum schwarzes Kinesiotape besonders gern im ambitionierten Sportbereich verwendet wird. Mittlerweile hat die Bedeutung der Farben abgenommen, durch die Vielzahl von Anbietern gibt es Kinesiotapes in allen Farben und sogar mit verschiedenen Mustern. Die Praxiserfahrung zeigt, dass auch nicht unbedingt eine vorbestimmte Bedeutung der Farbe den Erfolg bringt, sondern vor allem die persönliche Auswahl der Betroffenen, welche Farbe ihnen subjektiv guttut.

Vor dem Tapen muss die betroffene Stelle frei von Öl- oder Cremeresten sein, damit das Band besser klebt. Je nach Körperregion empfiehlt es sich, vorab die Haare zu entfernen entfernen, weil diese die Klebedauer verkürzen und das Entfernen des Tapes ansonsten sehr schmerzhaft sein kann. Mittlerweile gibt es spezielle, weniger elastische „Sporttapes“, die an höhere Belastungen und stärkeres Schwitzen angepasst sind, dehnbarere „Therapie-Tapes“ oder auch Tapes für empfindliche Haut. Und wann sollte man das Tape entfernen? Nach drei bis vier Tagen und spätestens dann, wenn es anfängt zu „jucken“ – ein deutliches Zeichen dafür, dass die Tragedauer überschritten ist. So lassen sich auch Blasen an der Haut verhindern.

Wie funktioniert’s?

Wird Kinesiotape richtig angewendet, kann es körperliche Schwachstellen unterstützen, aktivieren und stabilisieren, obwohl wissenschaftliche Beweise dafür bislang fehlen. Für die Wirksamkeit sprechen viele Erfahrungen von Betroffenen und die weit verbreitete Anwendung im Sport und in der Physiotherapie. Das Tape wird grundsätzlich „auf Zug“, vom Ansatz weg auf den gedehnten Muskel oder das betroffene Gewebe geklebt; bei Muskelentspannung wellt es sich leicht auf der Haut. Seine Wirkung entfaltet es dann bei Bewegung, weil sich die Gewebeschichten darunter verschieben und eine Art Dauermassage entsteht. Diese wiederum beeinflusst Schmerzsensoren, stimuliert Muskelkontraktionen, Lymphfluss und Gelenkfunktionen und regt die Durchblutung an.

Kinesiotape wird für den jeweiligen Einsatz zurechtgeschnitten. Vorgeschnittene Tapes sind weniger empfehlenswert, weil sie nicht optimal an die individuellen Körperstellen angepasst werden können. Foto: Yvonne Burkert

Dabei bietet das Kinesiotape nicht nur für sportlich Aktive Unterstützung, auch bei typischen Alltags- oder Bürobeschwerden wie Nackenverspannung, Rückenschmerzen oder dem Mausarm kann es zum Einsatz kommen. Und eine bessere Durchblutung und Anregung des Stoffwechsels durch die Tape-Dauermassage können auch präventiv sinnvoll sein, nach dem Motto: Nicht erst reagieren, wenn der Körper schon ein Problem hat.

Wichtig: Auch wenn es die Tapes bereits in jedem Drogeriemarkt und sogar beim Discounter gibt, sollte man ohne Anleitung nicht einfach selbst Hand anlegen. Denn Laien fehlen die anatomischen Kenntnisse und das Wissen um das Zusammenspiel von Muskeln, Sehnen und Gelenken, eine wichtige Voraussetzung, um ein Tape korrekt und wirkungsvoll anzubringen. Und vor allem Knie-, Schulter- oder Rückenprobleme sehr individuell und damit nicht mit einer pauschalen Beschreibung aus einem Buch oder Video behandelbar. Eine erste Behandlung sollte daher zunächst immer durch geschultes Personal in der Arzt- oder Physiotherapiepraxis erfolgen. Dort können sich Betroffene dann – je nach Körperstelle und Komplexität der Beschwerden – zeigen lassen, wie das Tape richtig aufgeklebt wird. Auch die „Rücksprache“ mit dem eigenen Körper ist wichtig. Tut das geklebte Tape gut oder fühlt es sich unangenehm an? Bei Missempfinden oder Schmerzen ist entfernen angesagt, denn jeder Körper ist anders und reagiert unterschiedlich. Aushalten, weil es heißt, Kinesiotape hilft immer, ist der falsche Weg und Beschwerden sollten therapeutisch abgeklärt werden.

Entscheidend bei der Auswahl des Tapes sind die Klebedauer und die Hautverträglichkeit. Ein qualitativ hochwertiges Tape kostet ab etwa neun Euro, vorgeschnittene Tapes sind weniger empfehlenswert, weil sie nicht optimal an die individuellen Körperstellen angepasst werden können – schließlich sind Körpermaße sehr unterschiedlich. Wer sich die nötigen Handgriffe für seine Problemstelle hat zeigen lassen, kann Kinesiotape zur Vorbeugung oder Linderung von Beschwerden schnell und einfach anwenden: ob im Alltag, vor oder nach dem Sport oder unterwegs auf einer Mehrtagestour.

Anwendungsbeispiel Hallux Valgus

Mit Kinesiotape lassen sich auch Beschwerden durch den häufig vorkommenden Ballenzeh (Hallux valgus) gut und vergleichsweise einfach behandeln, wie folgende physiotherapeutische Anleitung zeigen soll. Vorteil gegenüber einer Schiene: Die Fehlstellung wird korrigiert, gleichzeitig bleibt der Fuß beweglich. Beschwerden beim Hallux Valgus sollten unabhängig davon auf jeden Fall medizinisch abgeklärt werden!

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