Illustration unterschiedlicher Karabiner am Fels
Der Schnapper ist häufig die Schwachstelle bei Karabinern. Illustration: Georg Sojer
Karabinerbrüche

Hat's "Klick" gemacht?

Karabinerbrüche sind zum Glück selten – aber es gibt sie, trotz hochfester Metall-Legierungen. Wie das passieren kann, hat die DAV-Sicherheitsforschung untersucht.

Ein Sturz beim Sportklettern in der Halle oder draußen am Fels gehört zum Kletter-Alltag. Abhängig von der Reibung in den Zwischensicherungen und dem Verhalten des Sichernden wirken dabei auf die Umlenkung Kräfte zwischen 2 und 8 kN (entspricht 200-800kg). Karabiner müssen nach Norm (EN 12275) geschlossen und bei Belastung in Längsrichtung eine Bruchlast von mindestens 20 kN aushalten – ein Karabinerbruch beim Sportklettern sollte also eigentlich ausgeschlossen sein. Die 17 gemeldeten Karabinerbrüche der letzten zehn Jahre belegen jedoch das Gegenteil.

Schwachpunkt Schnapper

Der Schwachpunkt der in Expressschlingen verwendeten Karabiner (Typ B: Basiskarabiner) ist der Schnapper, da er nicht verschlussgesichert ist. Durch Felsstrukturen oder durch Verhängen im Haken kann er unbeabsichtigt aufgedrückt werden. Ein offener Schnapper allein führt beim Sportklettern aber kaum zu einem Bruch – denn selbst im offenen Zustand müssen die Karabiner nach Norm mindestens 7 kN aushalten, was bei normalen Stürzen kaum erreicht wird. Erst wenn zusätzlich eine Hebelwirkung auftritt, kann der Karabiner brechen. Die gemeldeten Brüche lassen allesamt eine Schnapper-offen-Belastung in Kombination mit einer Hebelwirkung vermuten. Doch durch welche Umstände kommt es zu dieser Kombination?

Bestandteile eines Karabiners. Illustration: Georg Sojer

Unfallmechanismen nachgestellt

Basiskarabiner unterscheiden sich in puncto Geometrie, Herstellungsart und Verschlusssystem. Trotz dieser großen Vielfalt konnten wir bei mehreren uns vorliegenden Unfallkarabinern wiederkehrende Muster erkennen, etwa markante Kerben oder gleiche Bruchstellen. In unserer Untersuchung haben wir versucht, die zugrunde liegenden Unfallszenarien in einer Testanordnung zu rekonstruieren, um die Bruchmechanismen zu verstehen und Konsequenzen für die Praxis abzuleiten.

Zuerst wurde die Realsituation jedes Unfalls mit dem daran beteiligten Karabiner nachgestellt. Dafür sammelten wir Informationen: Ist der hakenseitige oder seilseitige Karabiner gebrochen? Wo ist die Bruchstelle, wo sind markante Kerben, Schleifspuren und Verformungen? In welches Hakensystem war der Karabiner eingehängt – Klebehaken oder Bohrhaken? Wie war die Expresse eingehängt? Wichtig sind auch die Hakenumgebung, die Sturzhöhe, das  ausgegebene Seil und das verwendete Sicherungsgerät. Erzeugten unsere Versuche die gleichen Beschädigungen wie am Originalkarabiner, nahmen wir an, dass wir die Realsituation gut nachgestellt hatten. Dann sollten auch die gemessenen Bruchlastwerte zur Unfallsituation passen.

Nach dieser Rekonstruktion stellten wir uns die Frage, ob der Bruchmechanismus karabinerspezifisch ist oder unabhängig vom Karabinermodell auftreten kann. Deswegen wurden die ermittelten Bruchmechanismen jeweils an Karabinern mit unterschiedlicher Geometrie und Verschlusssystem getestet: mit Keylock oder Nasenverschluss und mit Draht- oder Aluschnapper.

Karabinerbrüche: Mechanismen und Prophylaxe

Es gibt viele Möglichkeiten, wie sich ein Karabiner im Haken verklemmen kann. Durch die Untersuchung konnten wir einige (sicher nicht alle möglichen) Bruchmechanismen aufdecken. Fünf Abläufe, die zu Unfällen oder Beinahe-Unfällen führten, konnten wir rekonstruieren.

1. "Nasenbruch" bei offenem Schnapper

Dieser Bruchmechanismus betrifft alle Karabiner, die einen Nasenverschluss mit Aluminium- oder Wiregate-Schnapper haben. Im Eifer des (Kletter-)Gefechts kann sich beim Einhängen des Hakens die ausgefräste Nase des Karabiners in der Lasche verhängen und der Schnapper kann nicht mehr schließen. Bei einem Sturz wirkt auf den Karabiner die Kombination von Schnapper-offen-Belastung und Hebelwirkung – kaum ein Karabiner hält dann mehr als 2 kN. Markant ist bei diesen Unfallkarabinern die Kerbe, die die Hakenlasche in die Nase stanzt. Achtet man darauf, den Karabiner vollständig einzuhängen, kann man dieses Bruchrisiko leicht umgehen.

2. Lasche verklemmt sich zwischen Schnapper und verschlussseitigem Steg

Diesen Bruchmechanismus konnten wir nur bei der Salewa-„Hot G2“-Keylock-Expresse beobachten und nachstellen. Die drei Unfallkarabiner sind im verschlussseitigen Radius gebrochen und zeigen eine auffällige Kerbe circa einen Zentimeter hinter der Nase auf der Innenseite des verschlussseitigen Steges. Auffallend bei diesem Modell ist der große Winkel zwischen tragendem Schenkel und verschlussseitigem Steg. Wird der Karabiner nicht vollständig in den Haken eingehängt, klemmt der Keylock-Aluschnapper die Hakenlasche zwischen sich und dem verschlussseitigen Steg ein. Durch die Hebelwirkung und die Schnapper-offen-Belastung können die Karabiner bei rund 2 kN brechen. Salewa hat reagiert und die Karabinergeometrie beim neuen Modell „Hot G3“ verbessert. Auch diesen Bruch kann man durch sorgfältiges Einhängen verhindern.

3. Belastung des Schnappers durch die Expressschlinge

Zu diesem Mechanismus liegt nur eine Unfallmeldung vor: Die Schlinge verhängt sich am Schnapper und öffnet diesen unter Zug. Damit das möglich ist, muss die Schnapperöffnung nach oben gedreht sein – begünstigt wird das durch Aufliegen des Karabiners auf einem Griff oder Felsvorsprung. Zeigt der Schnapper zudem noch in Kletterrichtung, kann die Schlinge zum Schnapper hochrutschen. Beim Sturz legt sie sich dann über den Schnapper und dieser verbiegt sich oder bricht. Dieses Szenario ist zwar mit allen Verschlusssystemen nachstellbar, setzt aber viele ungünstige Umstände voraus. Achtet man auf die Einhängerichtung und die nähere Hakenumgebung, lässt sich das Risiko reduzieren. Erschließer sollten diese Gefahr beim Setzen von Bohrhaken berücksichtigen.

4. Verkanten zwischen Haken und Wand

Dieser Bruchmechanismus wurde nach einem Unfall 2012 untersucht und veröffentlicht (siehe DAV Panorama 04/2012). Der Karabiner verklemmt sich dabei zwischen Wand und Haken. Dadurch wirkt beim Sturz ein Hebel auf den Karabiner, der zusätzlich den Schnapper aufdrückt. Bei dieser Belastung bricht der Karabiner bei 2,5 kN. Begünstigt wurde das Verklemmen des Karabiners durch die Gummifixierung, die am hakenseitigen Karabiner angebracht war. Dieser sollte aber frei beweglich sein, möglichst in einem recht großen Schlingenauge. So kann sich die Schlinge frei im Karabiner bewegen und die Gefahr wird reduziert, dass sie ihn durch die Seilbewegung in eine ungünstige Position schiebt oder sich selbst verhängt. Auch hier ist das Mitdenken von Erschließern und Sanierern gefordert!

5. Seil verklemmt sich zwischen Nase und Schnapper

Seilseitige Karabinerbrüche sind sehr selten und gaben uns lange Rätsel auf. Die entsprechenden Unfallkarabiner sind im verschlussseitigen Radius gebrochen, zeigen aber sonst keinerlei Spuren von Gewalteinwirkung. In der dynamischen Fallprüfanlage des Instituts für Fördertechnik und Logistik der Universität Stuttgart konnte die Bruchursache geklärt werden: Wenn sich das Seil beim Einhängen zwischen Schnapper und Verschluss verklemmt und zusätzlich die Gummifixierung in Richtung Schenkel verrutscht (der Karabiner hängt dann „schräg“), brechen die Karabiner bei einem Sturz zwischen 2 und 3 kN – egal, welches Verschlusssystem. Auch hier sollte man beim Einhängen darauf achten, dass der Schnapper vollständig schließt, sich das Seil also nicht zwischen Schnapper und Verschluss einklemmt.

Hat’s „Klick“ gemacht?

Karabinerbrüche sind zum Glück selten, da viele ungünstige Umstände zusammenkommen müssen. Der Karabiner muss nicht nur falsch positioniert sein – man muss auch noch hineinstürzen. In keinem der untersuchten Fälle konnten wir ein produktionsbedingtes Materialversagen als Ursache feststellen.

Fazit

Wer Karabinerbrüche vermeiden will, sollte als Grundvoraussetzung kontrollieren, dass der haken- wie der seilseitige Karabiner vollständig geschlossen eingehängt sind – ein nur im Schnapper verklemmter Karabiner hält keinem Sturz stand. Dabei helfen Auge und Ohr (ein sich schließender Karabiner macht „Klick“). Vor dem Start in die Tour checkt man, ob die hakenseitigen Karabiner (gerade Schnapper) sich im „freien“ Auge der Exe befinden, die seilseitigen (gekrümmte Schnapper) im fixierten. Ein Verkanten des Karabiners an Griffen oder Vorsprüngen kann man vermeiden, indem man in den ungünstig gesetzten Haken eine Reepschnur (mit Dyneema oder Kevlarkern) oder Bandschlinge fädelt und den Karabiner darin einhängt. Achtet man rechtzeitig auf den weiteren Routenverlauf und hängt die Expresse mit der Schnapperöffnung entgegen der Kletterrichtung in den Haken, kann der Schnapper nicht durch den Seilzug an die Wand gedrückt werden. Karabiner mit hoher Schnapper-offen-Festigkeit senken ebenfalls das Risiko. Will man an neuralgischen Punkten das Aufdrücken des Schnappers hundertprozentig verhindern, kann man zwei Expressen gegengleich einhängen oder Exen mit verschlussgesicherten Karabinern verwenden.

Die Untersuchung führte Verena Stoll während ihres Praktikums in der DAV Sicherheitsforschung durch. Unterstützt wurde sie dabei von Julia Janotte, Florian Hellberg und Christoph Hummel.