Von wegen Unkraut!

Kräuterwandern

Brennnessel, Löwenzahn und Co. werden oft als Unkraut bezeichnet. Damit tut man den Pflanzen aber Unrecht. Vieles, was am Wegesrand, im Garten oder in den Wäldern wächst, kann man essen. Angela Kreß nimmt euch in dieser Podcastfolge mit auf ihre Wanderung mit der Kräuterexpertin Astrid Süßmuth. Auf dem Weg sammeln sie Kräuter und Pflanzen für ihre Gipfelbrotzeit. Astrid gibt viele Tipps, wie man essbare Pflanzen erkennen kann, zu was sie besonders gut schmecken und erklärt, worauf man beim Kräutersammeln achten muss.

Was ihr beim Kräuterwandern unbedingt beachten solltet:

  • Unerfahrene sollten nur mit Expert*innen sammeln. Manche essbaren Pflanzen können mit giftigen Gewächsen verwechselt werden. Deshalb: Nur sammeln, was man sicher erkennt.
    Einige essbare Pflanzen eignen sich besser für Anfänger*innen, weil sie recht leicht zu erkennen sind, z.B. Gänseblümchen, Brennnessel oder Löwenzahn.

  • In Natur- und Landschaftsschutzgebieten ist das Sammeln verboten! Bitte lasst die Natur dort unberührt.

  • Außerhalb von Natur- und Landschaftsschutzgebieten ist das Sammeln erlaubt. Es gilt aber die Handstraußregel. Man darf also nur eine Handvoll sammeln für den Eigenbedarf.
    Dabei bitte keine Spuren hinterlassen. Das heißt, auf den Wegen bleiben und einzelne Pflanzen nicht vollständig abernten, sondern nur einzelne Blätter, Blüten oder Knospen sammeln.

  • In der unmittelbaren Nähe von großen Straßen, Industriegebieten oder landwirtschaftlich genutzten Flächen können die Pflanzen schadstoffbelastet sein. Auch typische „GassiGeh-Routen“ sind nicht der ideale Ort zum Kräuter sammeln.

Noch nicht genug von Kräutern?

Gemeinsam mit unserem Partner Bergader haben wir Wissenswertes und Rezepte rund um essbare Pflanzen aufbereitet:

Viele Infos rund um gesundheitsorientierten Bergsport gibt es unter alpenverein.de/spuere-dich-selbst

Transkript der Folge

Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge des Bergpodcasts. Schön, dass ihr wieder mit dabei seid.

Nach einem anstrengenden Aufstieg am Gipfel ankommen und dann mit einer traumhaften Aussicht eine leckere Brotzeit genießen. Klingt gut, oder? Wenn man dann auf dem Weg nach oben einen Teil der Brotzeit auch noch selbst gesammelt hat, dann macht's das noch mal ein Stückchen besser. Genau so war es jedenfalls bei mir. Ich war mit Astrid Süßmuth in den Ammergauer Alpen. Astrid ist Kräuterexpertin und wir haben einiges an Wildkräutern und -pflanzen entdeckt.

Okay, das Wetter – naja – das wollte nicht so richtig mitspielen, aber die Brotzeit war eine wirklich leckere Entschädigung. Mein Name ist Angela Kreß und in dieser Folge nehme ich euch mit auf unsere Kräutertour. Viel Spaß!

Astrid Süßmuth und Angela Kreß auf ihrer Kräuterwanderung aufs Hörnle. Foto: Astrid Süßmuth

Angela Kreß: Hallo Astrid! Richtig schön, dich zu sehen, ich freue mich! Wir gehen heute Kräuterwandern.

Astrid Süßmuth: Kräuterwandern am Hörnle bei Bad Kohlgrub in dem besten Regenwetter. Aber das macht eigentlich überhaupt nichts, weil gerade das ist total geeignet, um Pflanzen zu finden. Es sind nicht wahnsinnig viele Leute unterwegs und es ist eigentlich eine der schönsten Aktionen bei Regenwetter überhaupt, die man sich vorstellen kann.

AK: Okay, also ich habe ein bisschen Brot mit Käse dabei.

AS: Ja, Käse ist immer gut. Ich habe auch noch Frischkäse, der unterstützt die Kräuter besser in ihrem Geschmack, finde ich, und dass es nicht so schnell runter fällt von der Breze. Ich mag lieber eine Breze natürlich (lachen). Und dann schauen wir mal, was wir alles finden, würde ich sagen.

AK: Okay, los geht's – wandern wir aufs Hörnle.

Bei schlechtem Wetter sind die Berge deutlich leerer – beste Bedingungen zum Kräutersammeln. Foto: Astrid Süßmuth

Die Rossminze

AS: Und wir sehen auch gleich die allerschönsten ersten Pflanzen direkt herunten. Das ist die Rossminze, was wir hier haben. Wenn du an der mal reibst, dann riecht das auch total nach Minze.

AK: Oh ja! Sie hat ein bisschen so wie, hm, kein lila, aber so –

AS: Ja die Blüten sind schon leicht lila, aber das auffallende ist, dass die Blätter ein bisschen samtig silber überzogen sind mit so einem ganz weichen Flaum. Das sieht man sogar im Regen ein bisschen.
Die Blätter von der Rossminze kann man in kleinsten Dosen nehmen, um irgendwas zu aromatisieren. Wenig als Gewürz – das ist so ein minziges Gewürz – rein, einfach um etwas frischer zu machen. Einen Tee würde ich aus der Rossminze nicht unbedingt machen, das ist zu bitter – viel bitterer als die normale Pfefferminze. Aber als kleiner Geschmack zwischendurch ist es super. Und der Vorteil ist, wenn man sie so ein bisschen zerknüllt, dass der Saft dann austritt. Also dieser Pflanzensaft – den tupft man sich auf die Stirn oder Schläfe, dann lassen einen die Mücken etwas in Ruhe. Das nennt man Repellent, also gegen die Insekten gerichtet.
Und das ist natürlich sehr praktisch: Zum einen zum Essen und zum anderen, damit man die Mücken verscheuchen kann.

AK: Gibt es irgendwas, womit man es vielleicht verwechseln könnte, wenn man sich nicht so super auskennt?

AS: Bei der Rossminze auf keinen Fall, weil es riecht sonst nichts minzig. Dieser Minzgeruch ist total eigenständig – das kann also nur die Rossminze sein. Die ist auch für Anfänger gut geeignet, um sie zu finden. Was auch für sie typisch ist, dass sie immer an etwas feuchteren Stellen wächst – wie hier in diesem kleinen Graben. Das ist ein typischer Standort, da kann ich danach suchen – und finde sie dann auch.

AK: Wir stehen ja wirklich noch ganz unten – bisher musste man gar nicht wandern.

AS: Nein, das ist natürlich auch bei Kräuterwanderungen das Problem: Man geht los und merkt, man kommt gar nicht weit. Man ist schon drei Stunden unterwegs und es sind erst zweihundert Meter, weil so tolle Pflanzen da waren. Aber vielleicht gehen wir jetzt einfach trotzdem weiter, wir wollen ja schließlich rauf (lachen).

AK: Gut, weiter geht’s!

(Schritte)

Die Rossminze ist oft am Wegesrand zu finden. Für einen Tee ist sie zu bitter, aber für ein leichtes Minzaroma im Essen ideal. Foto: Hans/Pixabay

AK: Worauf sollte ich denn jetzt achten wenn ich Kräuterwandern geh? Wir sind jetzt am Hörnle – grundsätzlich, wie wähle ich denn so einen Ort aus?

AS: Wichtig ist, dass man nicht im Naturschutzgebiet ist und in keinem Landschaftsschutzgebiet – da ist einfach striktes Sammelverbot! Man darf da nichts aus der Natur entnehmen.
Ansonsten muss man aufpassen, keine umzäunten eingefriedeten Gebiete – aber das ist draußen im Wald in den Fluren jetzt nicht das Problem. Da schaut man eher noch, ist es eine landwirtschaftliche Fläche, auf der intensiv gedüngt wird, vielleicht ist hier irgendwas neben Industriegebieten (das haben wir jetzt in den Bergen nicht so arg). Einfach, dass es eine saubere Umgebung ist, zum Beispiel auch abseits von Hunde-gassi-Wegen. Und dann kann man eigentlich loslegen.
Du musst vielleicht auch noch beachten, wie viel man nimmt. Es gilt bei uns die Handstrauß-Regel: so viel wie ich auf einmal für mich selber brauche, eben so viel wie ein Handstrauß, wie in eine Hand passt.

(Schritte)

Der Spitzwegerich

AS: Was in den Wiesen sehr, sehr interessant ist, also was gut schmeckt in den Wiesen, das ist der Spitzwegerich. Den kennt vielleicht auch der eine oder andere. Spitzwegerich ist typischerweise überall zu finden. Er hat diese schmalen, lanzettenartigen Blätter mit ganz festen Rippen dran.

AK: Also das hier?

AS: Das hier, genau. Dieses Schmale mit den Rippen und das sind die Blütenstände – dieser eine Stängel, der hochgeht mit dem braunen Knöpflein oben. Wenn es blüht, dann kommen auch noch so weiße Staubblätter rauf – ganz eindeutig der Spitzwegerich. Wächst in ganz Deutschland. Und wenn man die Blütenstände nimmt und man zerreibt die, dann reicht das ein bisschen nach Pilzen. Je jünger und frischer die sind, umso mehr riechen die nach Pilzen. Man kann also ein Pilzaroma in jede Pfannenzubereitung oder auf jedes Butterbrot zaubern damit.

AK: Könnte ich die Blätter auch essen?

AS: Die Blätter kann man auch essen – die sind bloß ein bisschen zäh, so zum drauf kauen schmeckt es nicht besonders. Du kannst sie aber kleinschneiden und einen Kräutersalat tun. Einfach bunte Blattsalate von der Wiese, da passt’s recht gut dazu.

(Schritte)

AK: Wie bist du denn dazu gekommen, Kräuterwanderungen zu machen?

AS: Das hab ich von klein auf schon gemacht mit meinen Eltern und meinem Opa. Wir sind einfach immer unterwegs gewesen und haben dabei tatsächlich Kräuter gesammelt, geerntet und auch gegessen. Das war nichts, was ich irgendwann angefangen habe, sondern es kam einfach, war einfach dabei.

AK: Und dann hast du es aber irgendwann auch mit anderen gemacht, oder für andere?

AS: Ja in der Schule war das schon, dass ich den Anderen gesagt hab: „Da, schau mal das kann man essen und nehmen wir doch das hier, um eine Creme daraus zu machen“. Und als Heilpraktikerin war natürlich klar, es ist auch für andere interessant, da Führungen zu machen.

(Schritte)

Der Spitzwegerich ist in ganz Deutschland zu finden. Foto: Peter Toporowski/pixabay

Das Mädesüß

AS: Das hier ist das Mädesüß. Das Mädesüß ist eine Wiesenpflanze, die wächst auch eher im Feuchten, Nassen, an Gräben. Und es heißt deshalb Mädesüß, weil man früher den Met damit gesüßt hat. Es ist ein Süßungsmittel. Die Blüten sind weiße, ganz fluffige Blütenstände,

AK: Eher ziemlich kleine Blüten, oder?

AS: Die einzelnen Blüten sind ganz klein, aber der Blütenstand kann schon so zehn Zentimeter hoch sein und ist ganz fluffig im Ausschauen.

AK: Und riecht – hm – weiß nicht –

AS: Nach Mandeln, ein bisschen. Mandel und Honig. Und wenn man reinriecht, dann hat man weiße Pünktchen und Sterne auf der Nase (lachen).
Es ist tatsächlich ein Süßungsmittel, also dieses honig-mandelartige, das kann man auch rausziehen, zum Beispiel, wenn man es in der Milch aufkocht. Das wird eine ganz feine, süße Milch oder man gibt’s in eine Schlagsahne rein, friert die ein und bekommt dann ein Mandel-Honig-Eis daraus. Du kannst die einzelnen Blüten aber auch auf andere Süßspeisen drauf streuen und hat dann eine Mandelsüß-artige Würzung.

AK: Und ich muss sie nicht kochen, sondern kann sie einfach so drauf tun?

AS: Kann man einfach so drauf tun, ja, muss man nicht kochen.

AK: Kann ich’s jetzt einfach so probieren?

AS: Kannst es auch direkt so probieren.

AK: Es schmeckt eher nach Mandel für mich, als dass es nach Mandel riecht. Tatsächlich erinnert es mich an Marzipan, aber ja, das ist ja der Mandelgeschmack.

AS: Genau. Es ist in den Knospen ein Blausäurederivat drin, das zersetzt sich dann, wenn die Pflanze aufblüht, deswegen ist es nicht mehr giftig. Man kann es essen und es riecht aber immer noch nach Mandel, dieser Bittermandelgeruch.

AK: Gibt's da irgendwas, womit ich‘s verwechseln könnte, oder ist es genauso eindeutig?

AS: Es ist ziemlich eindeutig, aufgrund seines Geruchs. Es gibt wenige Pflanzen, die diesen süßen, mandelartigen Geruch haben bei uns. Wenn man es nur so anschaut, dann könnte man es mit anderen weiß blühenden Pflanzen vielleicht verwechseln. Allerdings ist die Blüte vom Duft schon sehr unverkennbar.

(Schritte)

Das Mädesüß heißt so, weil früher damit der Met gesüßt wurde. Foto: Pixabay/jhenning

AK: Wir sind echt immer noch nicht weit gelaufen und haben schon mehrere essbare Pflanzen und Kräuter gesehen.

AS: Es gibt tatsächlich viele essbare Pflanzen, die man über Jahrhunderte verwendet hat und die einfach vergessen wurden. Weil es nicht mehr nötig war, sie zu sammeln. Und gerade in meiner Großelterngeneration haben viele Leute gesagt, „das ist ein Schlechte-Zeit-Essen, das wollen wir gar nicht“.

AK: Hast du das Gefühl, jetzt wird es wieder modern, oder wird wieder mehr genutzt?

AS: Ich finde das ist so ein bisschen „zurück zur Natur“. Dass die Leute sich darauf besinnen, was haben wir eigentlich hier – muss es immer Soja aus Südafrika oder Südamerika sein. Einfach das, was vor der Haustür wächst auch zu genießen und irgendwo auch wertzuschätzen. Es ist natürlich auch eine Frage der Ressourcen, das Heimische zu verwenden.

(Schritte)

Der Waldziest

AS: Das ist eine total witzige Pflanze: Das ist der Waldziest.

AK: Welcher? Dieser lilane?

AS: Der hier, mit den wunderschönen Blüten – wächst auch in ganz Deutschland. Wenn du mal die Blüte anschaust – das sind immer so Gesichtchen, das sind dunkel purpurne Blüten und das schaut aus, als ob so ein kleines Gesicht rein gemalt ist, diese weiße Zeichnung.

AK: Hier, wie Auge, Auge, Nase.

AS: Ja genau, und jede schaut verschieden aus. Auf Englisch heißt die auch Clownswood, also der Clown im Wald.
Wenn wir die Blätter nehmen, wenn du eines nimmst –

AK: Die sind so ein bisschen gezackt –

AS: Wenn man dran riecht, dann –

AK: Unangenehm …

AS: Ja, es stinkt – nach alten Lumpen und Katze. Tolle essbare Pflanze! Ne, aber der Witz ist, wenn man diesen Waldziest, der wirklich stinkt, länger reibt, dann riecht das nämlich auf einmal … das dauert. Du siehst, da kommt jetzt ein bisschen der Pflanzensaft raus. Und auf einmal schlägt der Geruch um und es riecht nach Steinpilzen.

AK: Oh ja, wow!

AS: Das ist ein total witziger Effekt, was also nur dieser Waldziest macht. Das wird immer stärker je mehr man reibt. Und man kann zum Beispiel einige Blätter nehmen, mit einem Nudelholz richtig fest anwalken, dass es ein Pflanzenbrei wird. Das schneidet man dann klein und macht eine Kräuterbutter daraus mit Steinpilz-Geschmack.

AK: Ist das die Flüssigkeit, die so riecht, und die ich da raus reibe?

AS: In der Flüssigkeit sind Phenole und ätherische Öle, die durch das Aufspalten von den Zellen freigesetzt werden. Der Saft selber ist nur ein Anzeichen, dass die Zellen jetzt offen sind, dass das rausgehen kann.

(Schritte)

Der Waldziest verleiht Speisen ein Waldpilzaroma. Davor aber ordentlich kneten, sonst riecht er nach alten Lumpen. Foto: Angela Kreß

Giftpflanzen: "gelb, glänzend, giftig"

AS: Was wirklich wichtig ist zu wissen beim Kräutersammeln: Was sind die gängigen Giftpflanzen? Ein klassischer Merksatz ist „GGG: gelb glänzend giftig“. Da haben wir hier die ganzen Hahnenfußarten zum Beispiel oder das Greiskraut. Oder hier der Klappertopf. Das sind alles Giftpflanzen, die wir nicht nehmen. In den Bergen kommen dazu der weiße Germer, der blaue Eisenhut. Deswegen ist es ganz wichtig, nur zu sammeln, was man genau kennt und sich auch durchaus mal mit den Giftpflanzen zu beschäftigen.

AK: Würdest du sagen, es ist besser, nicht alleine sammeln zu gehen?

AS: Am Anfang ja, bis man die Flora ein bisschen kennt. Außer man sagt, ich möchte jetzt Gänseblümchen sammeln, die ich sicher kenne, oder die Rossminze habe ich mir so genau angeschaut, die hat wirklich das Minzaroma, ich kann die nicht verwechseln. Wenn es diese ganz klassischen klaren Bestimmungsmerkmale erfüllt, dann ist es die richtige Pflanze.

AK: Sonst vielleicht einfach mitnehmen und noch mal jemanden zeigen?

AS: Das kann man auch machen – ist natürlich schwer, wenn man es unterwegs auf die Brotzeit tun will, so wie wir heute.

AK: Das ist richtig, aber zum Glück habe ich dich ja dabei!

(Schritte)

Die Brennnessel

AK: Wir sind jetzt bisschen höher am Berg und hier haben wir wieder die Rossminze, die wir auch ganz unten schon gesehen haben.

AS: Genau, klar zu identifizieren an dem Geruch, wenn man dran reibt dieses minzige und mittendrin - die Brennnessel. Kennt wahrscheinlich jeder.

AK: Ja, hätte ich auch erkannt.

AS: Spätestens bei der Annäherung zu erkennen. Da kann man auch so eine tolle Challenge machen: Wer traut sich, die Brennnessel anzufassen?

AK: Von oben geht, aber von unten ist schwierig?

AS: Ich finde nicht, da hab mich bei dieser Art schon öfters verbrannt. Ich mache es anders: Ich lange einfach ganz fest zu, also mit einem richtigen Zangengriff. Wenn du auf das Blatt langst und ganz fest drauf drückst, dann biegst du oder brichst du diese Brennhaare ab. Die Brennhaare sind eigentlich gefüllte Röhrchen mit Ameisensäure. Wenn man fest draufdrückt, zerdrückt man es und dann kann es eigentlich nicht mehr brennen.
Das Brennnesselblatt zu pflücken, ist gerade für Bergsteiger, die länger unterwegs sind – von Hütte zu Hütte und dann wieder im Tal irgendwo – wo man nicht das tollste, frischeste Essen bekommt, ganz ideal, weil sie enthält besonders viel Folsäure und Eisen und Chlorophyll, das wir auch für unsere Leistung brauchen, um fit zu bleiben – es stärkt das Immunsystem. Und man findet sie wirklich überall. Die kann man ernten. Wichtig ist, dass man sie entweder ein bisschen anwelken lässt oder man tut sie in ein Tüchlein und ein bisschen rubbeln und schrubben, dass diese Brennhaare abbrechen und es nicht mehr brennt.
Und dann, wenn man sie kleinschneidet, schmeckt‘s sehr gut auf einem Brot – Butterbrot oder auch ein Käsebrot – ist richtig würzig. Und man hat sehr viele sekundäre Pflanzenstoffe, die einem nicht nur gut tun, sondern auch echt munden.
Nicht ärgern, wenn es einen brennt – dann bekommt man kein Rheuma an der Stelle – wäre auch was positives.

Was man hier noch ernten kann sind die Samen. Die hängen hier direkt runter. Die auch einmal in der Hand ein bisschen ein bisschen knüllern. Wenn man die isst, schmeckt es ein bisschen nach Nuss, haselnussartig.
Auch das knackige daran – ich finde es ganz gut auf ein Käsebrot, in dem Frischkäse drin, oder wenn man mehr davon hat auf Spätzle drauf – einfach für eine gute Geschmacksnote unterwegs und zum Mitnehmen.

AK: Okay, das heißt, davon können wir uns ein bisschen was mitnehmen für unser Käsebrot?

AS: Da nehmen wir was für unser Käsebrot mit – da freu ich mich schon drauf!

(Schritte) 

Die Brennnessel kennen wohl alle, sie ist nicht nur in den Bergen zu finden. Foto: analogicus/Pixabay

Der Sauerklee

AK: Wieder ein Stück weiter oben – was haben wir hier?

AS: Genau, wir sind jetzt im Bergwald. Eine klassische Bergwaldpflanze ist der Sauerklee. Hier siehst du diese typischen Kleeblätter und du siehst auch, dass der gerade zusammen klappt, der macht so richtig die Blätter zu. Das kommt daher, dass er auf Feuchtigkeit total empfindlich reagiert. Das ist eine von unseren Wetterzeigerpflanzen, an denen man sieht, „aha, es regnet“ – würdest du auch so merken – oder es wird bald regnen. Warum er Sauerklee heißt, das ist einfach der Geschmack.

AK: Kann ich den auch einfach wieder roh ein Blatt essen?

AS: Ja, den kannst du roh nehmen, auf dem Blättchen rumbeißen und dann schmeckt das richtig sauer, wenn man draufbeißt. Man kann damit Getränke aromatisieren oder auch etwas säuerlich würzen. Zu viel darf man nicht essen, weil die Oxalsäure kann dann irgendwann reizend sein. Aber ein bisschen unterwegs probieren ist immer gut – und vor allem ist es ein schneller Durstlöscher für unterwegs am Wegesrand.

AK: Es ist auch eher eine leichte Säure – es ist nicht, wie in eine Zitrone zu beißen. Und es sieht tatsächlich ein bisschen aus wie der Klee aus dem Garten mit herzförmigen Blättern.

AS: Es sind eigentlich immer drei Herzchen zusammengesteckt.

(Schritte)

Der Sauerklee ist ein schneller Durstlöscher am Wegrand. Foto: anfehoe/pixabay

Echter Kümmel

AS: Probier mal, die Samen hier!

AK: Hast du sie gerade schon selber getestet, um dir sicher zu sein?

AS: Ich hab probiert, ob’s schmeckt.

AK: Schmeckt ein bisschen – weiß nicht – zwischen bitter und scharf.

AS: Das ist Kümmel, der echte Kümmel.

AK: Mhm, weil du‘s sagst!

AS: Weil man den hier auch gar nicht erwartet. Man meint, Kümmel ist aus dem Kräutergarten am Mittelmeer oder sonst wo, aber das ist der echte Kümmel, den wir verwenden.

AK: Würde ich den, wenn ich den jetzt mitnehme, auch trocknen?

AS: Den kannst du trocknen und tatsächlich auch ganz normal wie jeden anderen Kümmel verwenden zum Würzen: In Sauerkraut oder in der Salatsoße, in der Bratensoße. Ich mag’s gern mit gelben Rüben zusammen, ein bisschen Rossminze rein und dann ein bisschen Kümmel, Öl und Essig – das schmeckt total gut! Der Kümmel ist echt eine Entdeckung am Wegesrand, er ist ganz häufig bei uns in den Bergwiesen oder im Voralpenland in den Wiesen zu finden. Man erkennt ihn schon, wenn man ihn ein paar mal gezeigt bekommen hat. Das erste Mal alleine würde ich ihn nicht nehmen, weil er ein Doldenblütler ist und diese weißen Doldenblütler – wenn man mal über die Wiese schaut, da schauen schon ganz schön furchtbar ähnlich aus: Der Kälberkropf hier bei uns, weiter unten gibt's den Schierling, der wirklich sehr sehr giftig ist. Der Kümmel ist kleiner, schmeckt typisch nach Kümmel und hat auch des Kümmelkreuz in den Blättern. Schau, wenn du die Blätter zurückbiegst, dann siehst du, dass in der Mitte am Blattansatz ein Kreuz ist - so quer, wie ein Andreaskreuz. Das ist dann schon eindeutig, zusammen mit dem Kümmelgeschmack, wenn mal auf die reifen oder auch unreifen Samen beißt. Ist was Tolles, ihn zu finden, aber man muss ihn sich echt zeigen lassen. Wenn man ihn einmal kennt, dann findet man ihn tatsächlich immer wieder.

AK: Die Blüten haben gar keinen so einen intensiven Geschmack.

AS: Ein bisschen, ein bisschen - schlecht schmecken sie nicht. Aber das intensive sind wirklich die Samen, weil da das ätherische Öl drin ist.

AK: Also ich hätte es bei den Blüten nicht erkannt.

AS: Nein, bei den Blüten erkennt man es nicht. Aber zum leichten Würzen kann man auch die Blüten verwenden.
Passt gut zu unserem Käsebrot, würde ich sagen.

AK: Würde ich auch sagen! Ich nehme ein bisschen mit fürs Käsebrot.

AS: Ja, genau.

(Schritte)

AK: Wie ist es denn, wenn es jetzt aufhört zu regnen? Was macht das mit der Pflanzen- und Kräuterwelt – ändert sich da noch mal was?

AS: Ja, was wir jetzt noch nicht viel gesehen haben, das waren Blüten. Die meisten Blüten schließen bei Regen, wie zum Beispiel das Gänseblümchen. Manche findet man dann gar nicht. Wir können schauen, wenn es aufhört, ob wir vielleicht noch ein paar Gänseblümchen bekommen, die immer sehr schön im Salat zum Beispiel ausschauen.

AK: Schauen wir mal, was uns bis zum Gipfel über den Weg läuft.

AS: Die Pflanzen laufen uns über den Weg (lachen).
Schau, da!

AK: Oh, wir haben einen Baum!

Die Fichte

AS: Genau, einen Baum – auch Bäume sind essbar, zum Beispiel die Fichte hier. Gerade in den Bergen hat es im Sommer auch noch diese ganz weichen, hellen Austriebe, Fichtenwipferl nennt man die. Und die schmecken leicht zitronig, harzig – das ist ein ganz eigener Geschmack.
Man kann daraus Mozzarella-Kügelchen machen, ein bisschen Salz dazu. Man kann es auch über Spätzle streuen, oder in Spätzle einarbeiten, man kann einen Tee daraus machen oder einen Sirup – der schmeckt sehr gut. Auch bei Erkältungen – der ist gut fürs Immunsystem, dass man leichter Abhusten kann.

AK: Das ist jetzt noch eine sehr junge Fichte, muss man dazu sagen. Die geht uns so etwa bis zum Knie.

AS: Ja, eine ganz kleine Fichte. Wichtig ist bei Bäumen – gerade wenn man pflückt, eigentlich wie bei allem – dass man nur ein bisschen nimmt, nicht einen Baum komplett abgrasen, sondern nur hier ein paar Triebe, da ein paar Triebe. Grundsätzlich erntet man so, dass kein anderer sieht, dass hier geerntet worden ist.

AK: Das heißt, wenn jetzt nach uns direkt eine Person kommen würde und hier vorbei läuft, dass der nicht auffällt, da hat gerade jemand was gepflückt.

AS: Genau so! In der 20er Regel: Wenn 20 zu pflückende Dinge da wären, dann kann man eines nehmen. Jetzt sind hier ganz viele Triebe, da kann ich wirklich einen nehmen oder zwei oder drei für mein persönliches Käsebrot oder für den Sirup. Und dann gehe ich zum nächsten Bäumchen und nehme da ein paar.

AK: Ok, ich nehme mal einen Trieb mit fürs Käsebrot. Sauer, auf jeden Fall, ein bisschen bitter auch –

AS: Das ist das Harzige. Was auch sehr gut schmeckt ist, wenn du diese Triebe nimmst, ein bisschen klein schneidest und dann zusammen mit Salz in eine Kaffeemühle rein. Das mahlt man miteinander und es ergibt ein Fichten-Kräutersalz. Nach dem Mahlen im Backofen bei 50 Grad etwa zwei Stunden trocknen lassen. Das wird dann eine ganz harte Platte, noch mal in der Kaffeemühle klein mahlen und dann ist es ein sehr sehr gutes Kräutersalz, das man sich selbst gemacht hat. Das gibt eine ganz tolle Note für Semmelknödel, oder wenn man Schwammerl mit Knödel macht. Oder auf unser Käsebrot.

AK: Lecker! Ja, nehmen wir ein kleines bisschen mit und gehen weiter – ich glaube, so weit ist es gar nicht.

AS: Ne, und ich glaube, es hat jetzt auch zum regnen aufgehört. Wir können schauen, ob wir drüben rüber sehen können zum Pürschling. Das ist eine schöne Aussicht, wenn die Wolken weg sind.

(Schritte)

Die jungen Austriebe einer Fichte. Foto: Aline Müller/Pixabay

Wilder Thymian

AK: Okay, ich merke schon, du zeigst wieder auf die Seite!

AS: Ja! Erst zeigen, dann bücken, dann schnuppern (lachen).
Wenn ich jetzt dieses Blümchen am Wegesrand nehme und dir unter die Nase reibe – dann riechst du – ?

AK: Thymian?

AS: Ja genau, das ist der Quendel, der wilde Thymian.
Mein Opa hat immer gesagt, „Quendel macht Händel“, das macht einem ganz viel Mut, dass man wild wird, und hat immer noch eine Extraportion Quendel und Thymian ins Essen rein getan.
Der Quendel, oder Thymian, ist echt ein ganz feines Gewürz. Er hat auch ganz viele ätherische Öle. Heute riecht er nicht ganz so stark, weil diese ätherischen Öle werden vor allem unter Sonneneinstrahlung gebildet – je heißer und je sonniger es ist, umso mehr ätherische Öle haben wir und umso gschmackiger ist eine Pflanze – wobei der Thymian so auch schon riecht.
Nehmen wir mit für unser berühmtes Käsebrot – das dritte inzwischen.
Er schaut total hübsch aus, der wilde Thymian oder der Quendel, der kriecht über Steine und macht am Ende von den Stängeln – siehst du das, diese verholzenden Stängel mit den kleinen Blättchen dran, – da macht er runde Blütenstände, wo ganz viele einzelne kleine lila Blütchen dran sind.

Verwenden kann man alles: Mit den Blüten lässt sich ein bisschen Farbe zaubern und die Blätter schmecken natürlich klassisch nach Thymian.

AK: Okay, dann nehme ich auch wieder ein kleines bisschen mit.

(Schritte)

Thymian ist nicht nur ein bekanntes Küchenkraut, er wird auch häufig zur Behandlung von Erkältungen eingesetzt. Foto: Hans/Pixabay

AK: So, an der Hütte. Ich habe Brot mit Käse – was tun wir drauf?

AS: Wir tun ein bisschen von dem Thymian hier drauf, nehmen wir erstmal die Blätter, und die Blüten – die schmecken zwar nicht so intensiv, aber die schauen so hübsch aus – ein bisschen lila dazu. Dann machen wir doch eine farbige Abstufung mit ein paar kleinen Fichtennadeln, diesen frischen hellgrünen – sieht auch ganz schön aus. Und jetzt würde ich von dem Kümmel noch ein bisschen oben drüber streuen. Und jetzt musst du reinbeißen!

AK: Ich probier’s! Hm, also wirklich, es schmeckt gut.

AS: Ich habe jetzt auf meinem Brennnessel, bisschen klein gezupft, und die Brennnesselsamen, also das nussige, das schmeckt auch gut. Mit Käse macht es so ein gutes Aroma, finde ich.

AK: Es war keine besonders lange Wanderung – und alles, was ich jetzt auf meinem Brot hier drauf habe, haben wir ja wirklich auch direkt am Weg gefunden.

Die selbst gesammelten Kräuter verfeinern das Käsebrot am Gipfel. Foto: Angela Kreß

AS: Ziemlich am Weg – ich schaue immer, dass ich nicht in Wiesen reingehen muss. Wir haben auch immer einen Schritt zur Seite gemacht, damit es nicht Hundestellen oder sowas sind – ja, ein Schritt zur Seite.
Gerne an richtigen Abböschungen – weil es da sauber ist. Man kann es ja beim gleich Verzehren draußen auch nicht waschen vorher. Dass man nur das Ordentliche nimmt – nicht ernten, nicht alles abschneiden, sondern man sammelt das: Man sucht sich die schönen Sachen aus, eben von den passenden Stellen, die auch umweltverträglich sind zum Pflücken.

AK: Und jetzt nach der Stärkung dann?

AS: Noch einen Kaffee! (lacht)

AK: Noch einen Kaffee – und dann wieder runter.

(Schritte)

Reiche Beute für eine relativ kurze Wanderung. Wichtig ist, dass Pflanzen nicht vollständig abgeerntet, sondern immer nur einzelne Blätter, Blüten oder Knospen gesammelt werden. Foto: Angela Kreß

AK: Wie ist es denn bei dir, Astrid, lernst du selber auch manchmal noch was dazu? Siehst du manchmal Pflanzen, die du selber noch bestimmen musst, weil du sie nicht einfach kennst?

AS: Ja, jedes Jahr! Das passiert mir ständig. Ich kenne weitaus nicht alle heimischen Pflanzen, obwohl ich in meinem Herbarium bestimmt 1000, 1200 heimische Pflanzen hab – es werden immer mehr. Heuer habe ich zum Beispiel die Schuppenwurz kennengelernt, die unter Haselnusssträuchern wächst im Frühjahr nach der Schneeschmelze. Oder letztes Jahr den Knotenfuß, das ist eine Lilie und ganz lustig – da schaut die Blüte aus wie ein Gaumenzäpfchen. Die nimmt man bei Halsentzündungen, wenn der Gaumen betroffen ist, volksheilkundlich. Eine bekannte Heilpflanze, die ich aber noch nie gesehen hatte, und sowas trifft man immer wieder.

AK: Okay, wir sind wieder unten. Astrid, vielen lieben Dank, ich habe ein leckeres Brot gegessen oben und vor allem habe ich richtig viel gelernt heute. Vielen Dank!

AS: Ich sage vielen Dank, dass du mit mir in diesem Regen runter gekommen bist! Zum Glück fängt es erst jetzt wieder richtig zum Regnen an. Es war super schön. Ein toller Tag im Regen.

Schön, dass ihr dabei wart auf meiner Kräuterwanderung mit Astrid Süßmuth! Inzwischen sind wir wieder trocken und von den gesammelten Kräutern ist nichts mehr übrig. Wenn ihr jetzt auch Kräuterhunger bekommen habt schaut doch mal auf der DAV Website vorbei. Unter alpenverein.de/spuere-dich-selbst haben wir gemeinsam mit unserem Partner Bergader interessante Infos zu Wildkräutern und leckere Rezepte gesammelt.
Übrigens wachsen viele essbare Pflanzen auch im Garten, im Park oder in den Wäldern. Ihr müsst also gar nicht unbedingt in die Berge, um Kräuter zu sammeln. Ein paar wichtige Punkte sind aber überall zu beachten, zum Beispiel, sich von Expert*innen begleiten zu lassen, wenn man selbst noch nicht so viel über Wildpflanzen weiß.
Alles Wichtige zum Thema Kräuterwanderungen haben wir euch auch noch mal in den Shownotes dieser Folge zusammengefasst.
Und damit sind wir schon wieder am Ende unseres Bergpodcast angelangt.
Wir freuen uns, wenn ihr auch beim nächsten Mal wieder dabei seid. Bis dahin, bleibt gesund. Tschüss und auf Wiederhören!