Wie funktioniert das?

Bergseile

Wer den (kurzen) Rest des Lebens nicht mit Stürzen verbringen will, investiert lieber in Sicherheit. Zur modernen Standardausrüstung auf Hochtouren und beim Klettern gehört das Seil. Einen einzigen „Strick für alle Fälle“ gibt es aber heutzutage nicht mehr.

Welche Seile kommen am Berg zum Einsatz?

  • Dynamische Seile sind der Standard zum Sichern beim Bergsport. Sie dehnen sich bei Belastung um bis zu 40 Prozent und reduzieren dadurch den Krafteintrag (Fangstoß) auf die stürzende Person entscheidend. Beim Prüfverfahren nach EN 892 wird im Labor ein Vorstiegssturz simuliert. Das Seilende ist dabei fixiert, so dass die gesamte Energie nur durch Seildehnung aufgenommen werden muss. Die Belastung eines solchen Normsturzes tritt in der Praxis so gut wie nie auf. Trotzdem muss jedes Kletterseil mindestens fünf Normstürze aushalten. Außerdem soll ein hochwertiges Kletterseil nicht zum Verdrehen (= Krangeln) neigen, abriebfest sein und dennoch leicht knotbar bleiben.

  • Statikseile geben unter Belastung nur minimal nach. Sie werden als Fixseile eingesetzt, um daran aufzusteigen, abzuseilen oder zu traversieren. Einsatzbereiche: Höhlenforschen, Expeditionen, Seacliffs und Ähnliches.

  • Hyperstatische Seile sind ebenfalls nur wenig dehnbar. Ihr geringes Gewicht und das kleine Packmaß bringen Vorteile für Einsatzbereiche wie Gletscherbegehung, Ablassen, Abseilen oder als Materialseil beim Klettern. Der geringe Durchmesser (6 mm) macht das Handling anspruchsvoll.

1) Wie ist ein dynamisches Seil aufgebaut?

  • Ein Kletterseil besteht aus dem reißfesten Kern und einem schützenden Mantel.

  • Grundwerkstoff sind hauchdünne Polyamidfasern, die zu Zwirnen verdreht werden.

  • Ein wichtiger Fertigungsschritt ist das „Schrumpfen“ der Zwirne durch Druck und Hitze – das verbessert die Elastizität.

  • Je nach Seiltyp werden unterschiedlich viele „Kerneinlagen“ mit Mantelgarnen umflochten.

  • Bei Seilen fürs Gebirge werden die einzelnen Komponenten schon vor dem Flechten imprägniert. Diese „Kern-Mantel-Imprägnierung“ macht das Seil langlebiger und erhält die Festigkeit auch bei Nässe.

Seilrisse sind extrem selten und nur über scharfe Kanten möglich. Der tragende Kern eines Bergseils besteht aus mehreren „Einlagen“ aus jeweils Hunderten verzwirnten Nylonfasern, der Mantel schützt vor Abrieb und Schmutz. Illustration: Georg Sojer

Worauf ist beim Kauf eines dynamischen Seils zu achten?

  • Der Verwendungszweck bestimmt die Wahl. So ist zum Toprope-Klettern und Projektieren ein robustes Seil mit mindestens 9,5 mm Durchmesser sinnvoll. Wer anspruchsvolle Hochtouren vorhat, ist mit einem dreifach zertifizierten Seil gut beraten. Und für Dolomiten-Klassiker sind leichte Halbseile praktisch.

  • Auch die Länge (30-80 m) hängt vom Einsatzbereich ab. Für extrem lange Sportklettereien sind teils sogar 100-Meter-Seile en vogue.

  • Eine Mittelmarkierung ist praktisch beim Abseilen, beim Seilausgeben, Seileinziehen und beim Einbinden auf dem Gletscher. Manche Hersteller wechseln Mantelmuster oder -farbe, um die Mitte zu kennzeichnen.

  • Seil und Sicherungsgerät sollten harmonieren: Sicherungsgerät ins Sportgeschäft mitnehmen und ausprobieren.

  • Das Alter eines Seils lässt sich aus der Gebrauchsanweisung, der Seriennummer oder der Farbe des Kennfadens ermitteln. Spätestens nach zehn Jahren ist es auszutauschen!

  • Seile gehören zur persönlichen Schutzausrüstung (PSA). Der Preis ist daher sekundär.

Wie lassen sich dynamische Seile unterscheiden?

Zum Klettern sind nur dynamische Seile geeignet. Sie lassen sich in drei Typen unterscheiden: Einfach-, Zwillings- oder Halbseile. „Dreifach zertifizierte Seile“ bieten flexible Verwendungsmöglichkeiten.

2) Einfachseil

Technische Daten: Durchmesser: 8,5 - 10,5 mm, Gewicht: 48 - 70 g/m, Normstürze: min. 5

Einsatzzweck: Sportklettern (Halle und Fels), Alpines Sportklettern (bedingt), Hochtouren (Imprägnierung!)

Besonderheiten: Abseilen: Halbe Seillänge

3) Zwillingsseil

Einhängen der Sicherungen immer im Doppelstrang!

Technische Daten: Durchmesser: 6,9 - 7,8 mm, Gewicht: 35 - 42 g/m, Normstürze: min. 12 im Doppelstrang

Einsatzzweck: Alpines Sportklettern, Alpinklettern, Eisklettern

Besonderheiten: Abseilen: Volle Länge

4) Halbseil

Einhängen der Sicherungen mit linkem oder rechtem Strang möglich (Doppelseiltechnik)

Technische Daten: Durchmesser: 7,1 - 8,5 mm, Gewicht: 48 - 70 g/m, Normstürze: min. 5

Einsatzzweck: Alpinklettern, Trad-Climbing, Eisklettern, Gletschertouren (im Einzelstrang)

Besonderheiten: Abseilen: Volle Länge, Dreierseilschaft: 2 Stränge für den Vorstieg, je 1 Strang für die Nachsteigenden, Doppelseiltechnik: Sichern mit Tube, kein HMS!

2) Einfach- und 3) Zwillingsseil werden in alle Zwischensicherungen gehängt; mit 4) Halbseilen (r.) ist ein reibungsärmerer Seilverlauf möglich und man kann zwei Personen (NS) nachsichern. Illustration: Georg Sojer

Wie pflegt man dynamische Kletterseile?

  • Zum Schutz vor Verschmutzung empfiehlt sich beim Sportklettern ein Seilsack.

  • Seilkrangel stören beim Sichern, Ablassen und Abseilen und reduzieren die Lebensdauer. Zum Entkrangeln gibt es verschiedene Methoden: 1) Seil doppelt nehmen und an einer Fels- oder Hauswand aushängen lassen. 2) Seil an einem Ende über eine Wiese ziehen. 3) Seil mit einem Ende an einem Baum festbinden, an das andere Ende ein etwa zwei Meter langes Stück Schnur binden; dann Seil straffziehen, so dass sich die Krangel auf die Schnur übertragen.

  • Die richtige Lagerung ist wichtig: geschützt vor UV-Strahlung und Feuchtigkeit. Dazu Seilsack öffnen. Achtung im Keller: Batteriesäure zerstört das Seil!

  • Staub- und Dreckpartikel schwächen das Seil. Daher gelegentlich waschen – entweder per Hand in der Badewanne oder einem Waschzuber oder in der Waschmaschine (Schonwaschgang ohne Schleudern). Seilwaschmittel verwenden.

  • Sind die Seilenden zerfranst oder Beschädigungen im Anseilbereich erkennbar, muss das Seil gekürzt werden. Am saubersten geht das im Sportfachgeschäft mit dem Seilschneider.

Wann muss ein dynamisches Seil ausgetauscht werden?

  • Als textile PSA müssen Seile nach spätestens zehn Jahren ausgesondert werden. Bei häufiger oder professioneller Verwendung kann schon nach ein bis drei Jahren ein neues Seil fällig werden.

  • Seil immer mal wieder durchziehen und per Fühlen und Schauen auf Schäden checken. Signale zur Ausmusterung sind: starke mechanische Beschädigung des Mantels, Schmelzverbrennung, übermäßige Verschmutzung und Verdacht auf Kontakt mit Chemikalien. Um die Mittelmarkierung zu erneuern, gibt es spezielle Seilmarker ohne schädliche Chemikalien (Edding 3000).

  • Ein gut gepflegtes Seil kann bei keinem normalen Sturz reißen. Seilrisse sind äußerst selten und nur durch Scherbelastungen möglich. Konstruktionen mit erhöhter Kantenschnittfestigkeit bieten mehr Sicherheitspuffer.

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