Panorama Nördlinger Ries
Panoramablick ins Nördlinger Ries vom Kraterrand aus. Foto: Joachim Chwaszcza
Geopark-Wanderung im Nördlinger Ries

Als der Himmel einstürzte

Ein gewaltiger Krater in der Mitte des Städtedreiecks zwischen München, Stuttgart und Nürnberg zeugt von einem Meteoriteneinschlag von vor rund 15 Millionen Jahren. Heute erfreuen sich Interessierte an dieser besonderen geologischen Formation und können das Nördlinger Ries in einer mehrtägigen Wandertour umrunden.

Es ist alles ganz schnell gegangen: Nach nur 60 Millisekunden (ein Wimpernschlag dauert etwa 100 Millisekunden) war da ein 4,5 Kilometer tiefer Krater. Der Grund: Der Einschlag eines rund ein Kilometer großen Asteroiden mit einer Geschwindigkeit von 70.000 km/h. Begleitet wurde er von einem Trabanten mit nur 150 Metern Durchmesser, der das heutige Steinheimer Becken 40 Kilometer südwestlich schuf. Gewaltige Strahlen von Gesteinsschmelze wurden in die Luft katapultiert und bis zu 50 Kilometer weit verbreitet. Hochdruckgesteine wie Suevit (der „Schwäbische“), Diamant oder Coesit wurden unter mehreren Millionen Bar gepresst. Nach einer Minute kollabierte der Primärkrater und die ausgeworfenen Gesteinsmassen lagerten sich ringförmig ab. Der Einschlag dürfte mit einer Magnitude von 11 auf der Richter-Skala ein gewaltiges Erdbeben ausgelöst haben. Zehn Minuten später war die Kraterbildung dann abgeschlossen. Das wars. Im Umkreis von mehr als 100 Kilometern erlosch alles Leben. Aus dem Rieskrater wurde im Laufe der Zeit erst ein abflussloses Kraterbecken, dann ein Salzsee. Zwei Millionen Jahre nach dem Einschlag verlandete der See und ein lebensfreundlicher Lebensraum für frühe Fauna wie Kleintiere und Vögel entstand.

Harburg, eines der schönen Städtchen im Nördlinger Ries. Foto: Joachim Chwaszcza

Klingt spannend? Ist spannend! So spannend, dass im Frühjahr dieses Jahres die UNESCO den Geopark Ries als lokalen Spot in die Liste der momentan 177 weltweiten UNESCO Global Geoparks (geologische Stätten oder Landschaften von internationaler geowissenschaftlicher Bedeutung) aufnahm. Gerade in Zeiten, in denen die faszinierenden Bilder des Weltalls, aufgenommen vom James-Webb-Weltraumteleskop, um die Welt gehen, ist so ein „regionales“ Zeugnis von extraterrestrischem „Besuch“ definitiv ein Highlight. Vor allem, wenn man dieses Naturwunder auch erwandern kann!

Fernwandern um den Himmelskrater – der Panoramaweg

Um den UNESCO-Titel nachhaltig zu begleiten, hat man sich im Geopark Ries zum Ziel gesetzt, einen spannenden und entspannenden Fernwanderweg entlang des bis zu 150 Meter hohen Kraterrandes auszuschildern. Ein sechs- bis siebentägiger Rundwanderweg, insgesamt 128 Kilometer am Kraterrand verlaufend, wird diesen Herbst eröffnet. Er verknüpft viele kleinere, schon bestehende Wanderwege und Geotop-Lehrpfade und schafft so ein komplexes geologisch und erdgeschichtlich zusammenhängendes Bild. Ein aussichtsreicher und lehrreicher Rundwanderweg, so portioniert, dass man ihn auch gut splitten kann. Die Tour bietet sich auch für alle an, die mit Kindern einmal eine einfache, längere Wanderung unternehmen möchte: kaum Steigungen, viel Abenteuer, gut zu planen. Zwei Tage ab dem Start in Harburg ist man in Oettingen, einen Tag später in Fremdingen und einen Tag später in Bopfingen, überall dort bringt einen auch die Bahn hin oder weg. Passende Unterkünfte sind in den Orten am Kraterrand buchbar.

Überall lassen sich verstreut liegende, stille Dörfer mit Storchennestern erkunden.

Viel los ist auf den Wegen (noch) nicht, ohne Andrang geht es durch Wiesenlandschaften und Wacholderheide oder Laubwälder. Der Blick schweift weit ins Innere des Kraters, der einen Durchmesser von rund 25 Kilometern hat. Immer wieder lassen sich verstreut liegende, stille Dörfer mit Storchennestern erkunden.

Wie ein Leuchtturm ragt in der zentralen „Rieshauptstadt“ Nördlingen der 90 Meter hohe Daniel empor, der Turm der Georgskirche. Umgeben von einer intakten, begehbaren Stadtmauer ist Nördlingen ein echtes Highlight. Das Ries hat hier ein wenig das Flair einer Insel: Abgeschlossen, für sich, hier gehen die Uhren einfach anders. Und je länger man unterwegs ist, umso tiefer taucht man ein in das einzigartige Phänomen Ries. Himmel zum Anfassen.

Asterix, das Ries und die Kelten – der Ipf

Neben all den spannenden Himmels- und Meteoritenstationen und der wohltuenden Gelassenheit entlang des Weges sorgen die historischen Plätze für Spannung: Eine Stauferburg, in die man einfach so reinspazieren kann, Höhlen mit prähistorischen Schädelnestern, die Wallfahrtskirche Maria Brünnlein, in der tatsächlich ein Brünnlein fliest. Orte der Romantischen Straße, Grundrisse eines römischen Gutshofs, Steinbrüche, in denen NASA-Astronauten ihren Geologie-Kurs absolvierten oder in denen man selbst ein wenig rumklopfen kann. Vielleicht findet man eine fossile Schnecke aus dem Salzsee. Ein Höhepunkt ist der 668 m hohe Ipf. Den freistehenden Berg kann man zwischen Bopfingen und Kirchheim am Ries vom Kraterrand aus erkunden. Der Ipf ist eine bedeutende frühkeltische Fürsten- und Siedlungsstätte mit ausgedehnten Wallanlagen. Die Kelten (dazu gehörten auch die Gallier) waren bekannt für ihre Furchtlosigkeit. Alexander der Große soll einmal eine Delegation von Kelten, vielleicht kamen sie ja aus dem Donauries, empfangen und ihnen die Frage gestellt haben, wovor sie eigentlich Respekt hätten. Vor nichts, lautete die Antwort. Außer, dass der Himmel einstürze! Überliefert wurde diese historische Anekdote vom griechischen Geographen Strabon (der Schielende, 63 v. – 23 n. Chr.) und in den Asterix-Heften. Der Gallierhäuptling Majestix leidet unter der Angst, dass ihm der Himmel auf den Kopf fallen könnte. Wer übrigens als Souvenir gerne ein kleines Stückchen des Asteroiden hätte, wird enttäuscht werden: Der monströse Himmelkörper verdampfte beim Einschlag vollständig.